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Das Boot stieg hoch bis auf Sehrohrtiefe. Nicholson ließ das Rohr ausfahren und machte einen gründlichen Rundblick. Vor ihm lag die Küste Grönlands, ein mit Eis überzogenes felsiges Ufer. Und da war auch das >Loch<, ein freies, stilles Wasser, auf dem träge einige Eisschollen trieben. Warum es diese freie Stelle gab, war ihm wie allen andern ein Rätsel. Eine warme Strömung gab es hier nicht. Nicholson fuhr das Sehrohr ein.

«Auftauchen!«

«Auftauchen!«

Langsam, als wäre es ein nach allen Seiten sicherndes Tier, tauchte die POSEIDON I auf. Tageslicht flutete durch die dicken Panzerglasscheiben im Turm, aber es war so kalt, daß das Wasser an den Fenstern sofort zu einer Eisschicht erstarrte. Um so rätselhafter das freie Meer. Irgendwie mußte der Festlandsockel Wärme ausstrahlen.

Nicholson war der erste, der das Turmluk öffnete und hinausstieg. Ihm folgte Bernie Cornell. Nicholson öffnete den Stahlkasten mit der Sprechanlage zur Zentrale.»Gut so, Collins!«sagte er.»Fabelhaft! Keine vierhundert Meter zur Küste! Kommen Sie rauf.«

«Sofort, Sir!«

Auf der Turmplattform erschien jetzt Dr. Blandy, ein Riese im Fuchsfell. Sein Haupt krönte eine riesige Pelzmütze. Er sah aus wie ein urweltliches Ungeheuer.»Miami ist schöner!«sagte er pathetisch.»Aber vier Tage halten wir das schon aus! Na, dann wollen wir mal!«

Die Ladeluke auf dem Deck klappte auf. Die fünfzehn Mann schleppten das Schlauchboot ans Licht, montierten mit ein paar geübten Handgriffen den Motor in die Aussparung und ließen es dann zu Wasser. Die Kisten und Säcke mit den Zelten und Materialien kamen aus der Tiefe des Bootes und wurden verladen. Knapp zwanzig Minuten später stand Leutnant Jul Hendricks unten am Turm und grüßte hinauf.

«Alles bereit, Sir!«

«Die Damen bitte.«

Schweigend gingen Joan Hankow, Lili Petersen, Evelyn Darring und Dorette Palandre an Nicholson vorbei und stiegen die Turmtreppe hinunter auf das Deck. Sie blickten hinüber zum Land und stellten dankbar fest, daß Dr. Blandy bei ihnen war. Nur Monika Herrmann blieb kurz stehen und sah Nicholson an.»Ich warte auf dich!«sagte sie leise.»Die Zeit spielt keine Rolle mehr, Jack.«

Nicholson nickte. Aber als sie sich umdrehte und die Treppe hinunterstieg, hatte er einen Augenblick den unwiderstehlichen Drang, sie zurückzureißen in den Turm. Er drehte sich weg und blickte starr über das Meer. Dr. Blandy legte ihm die Hand auf die Schulter.

«Ich paß auf sie auf«, sagte er.»Und außerdem kannst du uns ja sehen. Die Jungs von VENUS XI werden schnell hier sein.«

Dann saßen sie alle in dem großen Schlauchboot, der Motor tuk-kerte hell, das Boot legte ab und fuhr schwankend der Küste zu. Nicholson hob grüßend die Hand, aber außer Cornell winkte keiner zurück.

«So, und jetzt rufen wir VENUS XI an«, sagte Nicholson und stieg wieder ins Boot. Er ging zum Funkraum und setzte sich neben den Obermaat, der Dienst hatte. Das geheime Funkbuch mit den Kurzwellenfrequenzen der einzelnen Radarstationen der NATO lag aufgeschlagen auf dem Tisch.»Die werden jetzt staunen!«sagte Nicholson knapp.»Fünf Mädchen im Ewigen Eis, und kein Absender, der seinen Namen nennt. Funken Sie im Klartext, Obermaat!«

Aber dazu kam es nicht. Im Empfänger summte es, und als der Funker auf Empfang stellte, hörte man so klar, als stünde er im Nebenraum, die Stimme des Admirals.

«Ist dort P I? Himmel Arsch und Zwirn! Ist dort P I?«

«P I hier, Sir!«antwortete Nicholson und leckte sich die Lippen.

«Zum Teufel, wo stecken Sie! Seit zehn Tagen habe ich keine Meldung von Ihnen! Jack, ich bin in großer Sorge! Seit zehn Tagen rufe ich mir den Mund wund! Was ist los! Wo sind Sie?«

«Im freien Wasser in Küstennähe, Sir«, sagte Nicholson vorsichtig.

«Ha! Warum. «Der Admiral holte tief Luft.»Nach Plan sollten

Sie jetzt schon — «

«Wir haben Schwierigkeiten, Sir. Ich repariere.«

«Wo?«

«Planquadrat X 19/Y 20 Nord.«

Eine Weile war es still. Der Admiral sah auf der Karte nach, wo Nicholson steckte. Dann sagte er gedehnt:»Sind Sie verrückt geworden, Jack?«

«Noch nicht, Sir.«

«Aber Sie werden es! Sie befinden sich in einem Gebiet, in dem gestern morgen unser Aufklärer drei sowjetische U-Boote gesichtet hat! Sie kreuzen vor der Küste, Sie Unglückswurm! Hauen Sie ab, sofort! Alarm I! Können Sie weg?«

«Ja, Sir«, sagte Nicholson gedehnt.»Ich kann, aber — «

«Kein Aber! Weg, sag ich!«

Nicholson nickte. Er zog den Funkhebel herunter, unterbrach das Gespräch mit Norfolk und drückte auf alle Knöpfe. Überall im Boot flammten jetzt die roten Lämpchen auf, lautlos, doch alle fuhren erschrocken zusammen.

Alarmtauchen! Alles auf Gefechtsstation!

Von der Zentrale kam die Antwort.»Alles klar, Sir.«

Vom Turm:»Luke zu!«

Durch das Boot zitterte ein heftiges Beben. Die Tanks wurden geflutet, wie ein Stein sackte das stählerne Ungeheuer ins Meer. Es kippte etwas zum Bug, und die Männer hielten sich irgendwo fest, bis das Boot wieder in der Waage lag. In fünfzig Meter Tiefe blieb es stehen… der Meeresboden war knapp sechs Meter unter ihnen.

Draußen im Schlauchboot schrie ein Mädchen plötzlich auf. Sie hatte sich umgedreht zum Boot und sah jetzt gerade noch, wie der Turm unterging und das Wasser über ihm zusammenschlug.

«Sie sind weg!«schrie Lili Petersen. Dabei warf sie die Arme hoch, als könne sie sich am Himmel festhalten.»Sie lassen uns allein und sie sind weg!«

Alle im Schlauchboot fuhren herum. Der Außenbordmotor erstarb. Die plötzliche Stille war schrecklich.

Das Meer lag leer vor ihnen… wo das Boot gelegen hatte, kräuselte sich das Wasser und schäumte ein wenig.

«Das ist doch unmöglich!«sagte Dr. Blandy und wischte sich übers Gesicht.»Das ist doch unmöglich! So etwas gibt es doch nicht.«

Kapitel 8

Das Boot sank fast lautlos in die Tiefe. Dann hörte das Fluten der Tanks auf. Das monotone Rauschen und das Beben, das den ganzen Schiffskörper durchzog, machten einer tödlichen Stille Platz. Die POSEIDON I lag gleichsam gelähmt auf Grund und wartete. Die Motoren schwiegen. Die Männer auf ihren Gefechtsstationen starrten zu den Telefonen und Lautsprechern der Rundsprechanlage. Sie starrten auf die Signallämpchen. Die rote Alarmlampe zuckte noch immer. Jim Porter hatte im Torpedoraum alles klar gemacht, wie im Kriegsfall… im Raketenraum war die Unterwasserabschußanlage besetzt. Hier stand Leutnant Fairbanks am Befehlsgeber. Die Schußbahnen wurden von der Zentrale durchgegeben, die ihre Werte von den elektronischen Zieltastern bekam.

«Da ist was passiert!«flüsterte Porter und lehnte sich gegen einen Torpedo. Es war der Ersatztorpedo. Im Rohr I stak schußbereit der mit einem Atomsprengkopf bestückte Torpedo Nr. 1.»Da ist irgendwo eine ganz große Scheiße hingelegt worden. Jungs, ich sag euch, wenn es gleich heißt, Torpedo 1 fertig zum Abschuß, dann knallt die Welt in eine glatte Katastrophe!«

Commander Nicholson saß in der Zentrale und wartete auf die Ergebnisse der Sonarpeilungen. Von Chief Collins aber kam noch nichts. Seine feinen Horchgeräte tasteten den weiten Umkreis ab, und auf den zuckenden Geisterfingern des Radars erschienen Unebenheiten des Meeresbodens, Schatten großer Fische, aber nicht der gefürchtete massive Block eines anderen U-Bootes.

«Was ist, Collins?«sagte Nicholson nach zehn Minuten ungeduldig.»Warum melden Sie sich nicht?«

«Ich habe nichts im Sonar, Sir! Nichts, was alarmierend wäre.«

«Sehr gut. Dann schleichen wir uns!«

«Und die Landgänger, Sir?«

«Sie müssen zunächst allein weiterkommen.«

«Haben Sie Radar VENUS XI verständigen können?«

«Nein!«Nicholson blickte gegen die mit Kunststoff platten getäfelte Wand. Sie sind verloren, dachte er, wenn man die Radarstation nicht erreichen kann. Sie werden drüben an Land ihre gepolsterten Zelte aufschlagen und warten… und warten… und warten, denn sie glauben ja, wir haben Nachricht gegeben! Ob sie mit ihrem kleinen Kurzwellengerät VENUS XI erreichen können, ist fraglich. Und plötzlich fiel ihm ein, daß sie gar nicht mit der Radarstation in Verbindung kommen konnten, weil sie die Wellenlänge des Radarsenders nicht wußten. Sie stand in dem Buch der NATO-Stützpunkte, und das war geheime Verschlußsache.