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Ihm wurde es so heiß bei diesem Gedanken, daß er sein Hemd aufriß und tief durchatmete. Keiner wird überleben, dachte er. Wer sucht hier schon nach Menschen?

«Bevor ich mit VENUS XI sprechen konnte, funkte mir der Admiral dazwischen, Collins«, sagte Nicholson. Seine Stimme klang seltsam hohl.»Und dann mußten wir sofort weg! Wir haben drei Russen im Nacken!«

«Dann sind die an Land verloren, Sir.«

«Dramatisieren Sie nicht gleich alles, Chief!«Nicholson stützte den Kopf in beide Hände. Er wußte: Was er jetzt sagen würde, war ein großer Selbstbetrug.»Wir spielen zwei Tage lang tote Fliege und tauchen dann wieder auf, um VENUS XI zu alarmieren. Zwei Tage mehr oder weniger, das halten sie an Land schon aus. Sie sind bestens ausgerüstet.«

«Und wenn bis dahin das Loch auch zugefroren ist, Sir?«

«Wenn! Wenn! Wenn der Hund nicht geschissen hätte, würde er den Hasen bekommen haben! Collins, Sie können kritische Situationen nicht mit dämlichen Wenns meistern!«

«Aber Sie wollen doch auf Schleichfahrt gehen, Sir! Das heißt, wir lassen die Landgänger allein.«

«Das ist ein Befehl des Admirals!«

«Der natürlich nichts von der Ausbootung weiß — «

«Sie sind ein kluger Junge, Collins! Wir alle kommen noch früh genug vor ein Militärgericht. «Nicholson beugte sich über die Seekarte. Dort, wo POSEIDON I jetzt lag, war vielleicht mit Ausnahme eines Sommermonats eine feste, geschlossene Packeisdecke. Erst nach knapp hundert Meilen begann der Treibeisgürtel, und dort lauerten die drei sowjetischen U-Boote. Die Luftüberwachung hatte sie deutlich geortet. Wenn es die Aufgabe der Sowjets war, die Küste Grönlands zu überwachen, war es möglich, daß auch sie von dem großen Loch im Packeis erfuhren und versuchen würden, es zu erreichen und dort aufzutauchen.

Wenn. wieder dieses verdammte Wenn! Es wirkte ansteckend, und man kam nicht darum herum. Adams Befehl lautete: Sofort ablaufen! Aber lief man damit nicht direkt den Sowjets in die Arme? Andererseits: Wenn man hier auf Grund wartete, war es möglich, daß die russischen U-Boote plötzlich neben der POSEIDON I lagen. Die Katastrophe wäre vollkommen!

«Wir bleiben liegen, Collins«, sagte Nicholson ziemlich vorsichtig. Als Collins den Satz pflichtgemäß wiederholte, zuckte er sogar zusammen.»Die Männer bleiben auf Gefechtsstation. «Er drückte einen anderen Sprechknopf. aus dem Atommaschinenraum meldete sich Chief McLaren.»Victor, wir bleiben liegen«, wiederholte Nicholson.»Aber richten Sie alles darauf ein, daß wir so schnell wie möglich und so leise wie möglich weglaufen können.«

«Verstanden, Sir. «McLarens Stimme war ruhig und überlegen wie immer.»Wenn vom Sonar rechtzeitig die Warnung kommt, verschwinden wir wie ein Gespenst.«

Das Katz-und-Maus-Spiel unter Wasser begann. Stunden, da die kostbaren Nerven aufgerieben wurden. Stunden, da man um Jahre altern kann. Stunden, da man wieder an Wunder und Glück zu glauben lernt.

Am Abend — sieben Stunden nach dem Alarmtauchen — summte es in der Zentrale. Nicholson schaltete auf Empfang. Collins' Stimme kam aus dem Sonarraum.

«Ein massiver länglicher Schatten Steuerbord, Sir. Noch unklar. Bewegt sich träge parallel zu uns.«

«Das sind sie!«Nicholson lehnte sich zurück.»Alles fertigmachen nach Plan Y! Und völlige Stille!«

Plan Y… das war die Selbstvernichtung. Der einzige Ausweg, damit Amerikas größtes Geheimnis auch wirklich ein Geheimnis blieb.

Nicholson öffnete die Lade seines Schreibtisches und holte das Bordbuch heraus. Die vielleicht letzte Eintragung in ein ebenfalls gefälschtes Dokument. Wenn man es einmal auffischen würde, konnte niemand ahnen, daß es von der POSEIDON I stammte. Nur die Eingeweihten wußten, wer die versunkene MS Lucky gewesen war. Für die Weltöffentlichkeit war es ein Fischfang-Mutterschiff, auch wenn später die Sowjets das hartnäckig bestreiten mochten. Eine Anklage ohne Beweise sind Worte und sonst gar nichts.

«Plan Y«, sagte Collins stockend.»Wir werden beten, Sir.«

«Sie haben uns betrogen!«schrie Joan. Sie saß neben Dr. Blandy auf einer Kiste mit Konserven und trommelte jetzt in wilder Verzweiflung mit den Fäusten gegen Blandys mächtigen Brustkasten.»Der Commander, dieser Dreckskerl! Dieser Lump, dieser Schuft! Er bringt uns alle um, alle, alle!«Dann weinte sie, drückte den Kopf gegen Blandys Schulter und begann heftig zu zittern.

Dr. Blandy starrte hinüber zu Oberleutnant Cornell, der neben dem Außenbordmotor saß. Bill Slingman, der schwarze Riese, bemühte sich mit der Reißleine, den abgestorbenen Motor wieder anzulassen.

«Was halten Sie davon, Bernie?«fragte Blandy stockend.

«Ich weiß es nicht, Doc. Ich habe keine Erklärung dafür.«»Ich bin der Ansicht, daß Nicholson uns nie auf diese Art verraten würde! Nie! Das wäre mehr als unmenschlich.«

«Er ist ein Unmensch!«schrie Lili ins Meer hinaus.»Er ist der leibhaftige Satan!«

Der kleine Motor tuckerte ein paarmal, aber er sprang nicht an. Anscheinend waren die Zündkerzen abgesoffen. Bill Slingman begann die Verkleidung abzuschrauben, um nachzusehen. Vor ihnen wiegte die Küste Grönlands auf und ab, so wie das Meer das kleine Gummiboot schaukelte. Eine in Jahrmillionen von Stürmen und Wasser zerfressene felsige Gegend, mit Eis überzogen. Trostlos, feindlich, urweltlich. Oben, wo die Felsen aufhörten, begann das Festlandplateau, ein flacher weißer Tisch, über den die Stürme fegten und auf dem nichts blieb, wenn die Eiswinde tobten.

«An die Ruder!«

Sechs Männer hoben die Ruder aus dem Boot und tauchten sie ins Wasser.

«Sechs Ruder klar«, meldete Tami Tamaroo. Er hockte, dick vermummt, auf der linken Seite des Bootes und hatte wieder Heimweh nach seiner sonnigen und warmen Heimat. Bernie Cornell blickte noch immer auf den Fleck, wo vor wenigen Minuten die POSEIDON I im Meer gelegen hatte. ein graublaues, langgestrecktes und schönes Ungeheuer. Dr. Blandy löste sich vorsichtig von der weinenden Joan und stieg hinüber zu Cornell. Slingman am Motor fluchte gottserbärmlich. die Zündkerzen waren total verrußt. Als Blandy an Monika vorbeikam, blieb er stehen.

«Hätten Sie das von Jack gedacht?«fragte er leise.

Sie sah ihn an, und in ihren Augen war keine Spur von Angst oder gar Panik.

«Er wird seine Gründe haben, Doc«, sagte sie ruhig.

«Sie glauben fest an ihn, was?«

«Ganz fest. Sie nicht?«

Das war eine Frage, die Dr. Blandy im Augenblick nicht beantworten konnte. Als das Boot vor seinen Augen einfach wegsackte, hatte er genauso gedacht wie Lili Petersen und Joan Hankow. Er hat uns alle beschissen! Mit diesem ganz wüsten Trick von der Radarstation VENUS XI hat er uns vom Boot gelockt. Sein geliebtes Boot… für diesen geheimen Scheißkasten würde er alles opfern, das hatte Blandy nun oft genug erlebt. Aber daß er Cornell, fünfzehn der besten Männer und ihn, Blandy, auch mit solch kalter Berechnung opfern konnte, das zu begreifen war verdammt hart.

«An Land werden wir sehen, was wirklich los ist«, sagte Blandy ausweichend.»Jack ist ein Kerl aus Eisen, aber sein Herz pumpt trotzdem nur Blut! Und da er Sie liebt, Monika — «

«Das hat nichts zu bedeuten, Doc!«Sie lächelte ihn an, und plötzlich begriff Blandy, weshalb Nicholsons Knie weichgeworden waren, als er Monika sah. Sie war ihm so ähnlich, daß das Schicksal gar nicht anders konnte, als sie irgendwann und irgendwie zusammenzuführen.