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Die Ruder klatschten ins Wasser. Mit kräftigen Schlägen zogen die sechs Männer das Schlauchboot zur Küste. Leutnant Hendricks gab das Tempo an, seine helle Stimme war neben dem Klatschen der Ruder der einzige Laut in dieser weißen eisigen Stille.

«Eins-zwei… eins-zwei… eins-zwei…«

Dr. Blandy ging zu Oberleutnant Cornell. Er half Slingman beim Putzen der Kerzen. Überall stank es nach heißem Benzin und Schmieröl.

«Haben Sie sich die Küste mal angesehen?«fragte Dr. Blandy und nickte zum Land hin.»Wo wollen Sie da anlegen? Durchs Fernglas sah es manierlicher als jetzt in der Nähe aus. Überall Steilküste. Sollen wir uns hochseilen? Wir sind von der Marine, Bernie, aber keine Gebirgsjäger!«

«An jeder Küste gibt's einen Landeplatz. «Cornell putzte sich die öligen Hände an einem Lappen ab, den Slingman unter die Achsel geklemmt hatte.»Außerdem weiß ich nicht, ob es richtig ist, auf dieses verdammt flache Land zu klettern. Der nächste Sturm kommt bestimmt, und dann müssen wir uns mit Stahlhaken ins Eis krallen.«

«Und wenn wir unten am Wasser bleiben, finden uns die Leute von VENUS XI nicht.«

«Ein Kommando von sechs Mann und mit gepolstertem Zelt wird nach oben klettern und mit dem Funkgerät versuchen, Kontakt aufzunehmen! Auch wenn wir die Frequenz nicht kennen… wir werden alle zwei Stunden über alle möglichen Wellen unser SOS senden! Irgendeiner wird uns schon hören.«

«Und dann todsicher die Falschen!«Slingman hatte die Kerzen wieder eingeschraubt. Er riß zweimal an der Leine, und der Motor sprang wieder an. Über sein dickes schwarzes Gesicht lief ein fast kindliches Leuchten. Zwei verrußte Kerzen — da haben wir in Korea und Vietnam ganz andere Dinger wieder ans Laufen bekommen!

«Ruder einziehen!«

Das Schlauchboot glitt jetzt schnell der Küste Grönlands zu, und je näher sie kamen, um so rauher, feindlicher wuchs die Steilwand vor ihnen hoch. Ein Gletscher schob sich ins Meer, blauweiß in der kalten Sonne funkelnd.

«Man kann überall landen«, wiederholte Dr. Blandy spöttisch Cornells Worte.»Wenn Sie das auf der Marineschule gehört haben, war Ihr Lehrer bestimmt nicht in der Arktis! Sie sollten ihm von hier eine Ansichtskarte schicken, Bernie.«

«Da hinten ist eine Bucht, Doc!«

«Und die Felsen sind glatt wie ein Kinderarsch! Da bin ich aber gespannt, wo Sie sich festhalten werden!«Er drehte sich um und blickte wieder zurück auf die Stelle, wo die POSEIDON I gelegen hatte.»Ich begreife es nicht, Bernie! Es will nicht in meinen Verstand! Jack kann uns doch nicht allein lassen.«

«Es war ein Alarmtauchen, Doc.«

«Und wenn! So viel Zeit, um uns zurück an Bord zu holen, hatte er immer noch! So brandheiß kann es hier nicht sein! Einsamer als hier geht's doch nicht! Kein Vogel am Himmel. Keine Robbe auf dem Eis. Was soll hier einen Alarm auslösen?«

«Ich weiß es nicht. «Bernie Cornell lenkte das Schlauchboot in die weit geschwungene Bucht hinein.»Sehen Sie, Doc, wir haben Glück. Die Felsen sind nur zum Teil vereist. Irgendwie ist hier ein Wärmeloch, daher die freie See. Dort legen wir an!«

«Und dann hissen wir das Sternenbanner und blasen ein schönes Signal!«sagte Blandy sarkastisch.»Das sieht Ihnen ähnlich. Nicholsons Schule! Bis zum Einbruch der Dunkelheit müssen wir ein festes Lager haben, ist Ihnen das klar?«

Cornell drosselte den Motor etwas. Die zerklüftete Felswand kam auf sie zu, als wolle sie das kleine Schlauchboot erdrücken. Mit weiten Augen starrten die Mädchen sie an. Dr. Blandy steckte die Hände tief in die Taschen seines Lammfellmantels. Er hatte den Pelzkragen hochgeschlagen, die Fellmütze tief heruntergezogen, nur sein breites Gesicht trat aus dem Kranz der mit kleinen Eiszapfen behange-nen Haare hervor. Cornell sah ihn fragend an.

«Sie glauben nicht, daß der Commander bis zur Dunkelheit wieder auftaucht?«fragte er.

«Nein! Ich habe das verdammte Gefühl, daß man uns tatsächlich alleingelassen hat! Bernie, sagen Sie es nicht den anderen, sagen Sie genau das Gegenteil. Wenn jetzt Panik aufkommt, sind wir hundertprozentig verloren. So haben wir noch einige Prozent Chancen!«

Er stand wie ein Turm im Boot und betrachtete die Küste Grönlands. Das eine Prozent Überlebenschancen kam langsam näher: Ein zerklüfteter Felsen mit verschiedenen kleinen, vom Meer und den Winden in Jahrmillionen herausgefressenen Höhlen. In ihnen konnte man wohnen. bis man verhungerte.

Commander Nicholson war zu Collins in die Peil- und Sonarzentrale gestiegen und beobachtete stumm den im Radarstrahl länglichen Fleck. Die Sonarpeilung und die elektronischen Rechner gaben die genaue Position an. Die Russen machten sich keine Mühe, leise zu sein. In ihrem Boot herrschte Jubel, Trubel, Heiterkeit — verglichen mit der Totenstille, die über POSEIDON I lag. Warum sollten sie auch vorsichtig sein? Sie fühlten sich allein in dieser gottverlassenen Gegend, vollkommen sicher und unbeobachtet. Sie schwammen zwar in einem Gewässer, das völkerrechtlich zu Dänemark gehörte, aber Dänemark war fern, das Packeis war über ihnen und außer einigen Mes-sungen über die Struktur des Meeresbodens war dieser Teil der Welt völlig uninteressant. Man wußte zwar, daß es hier NATO-Radar-stationen gab, aber das waren alte Hüte, um die man sich nicht zu kümmern brauchte. Wichtiger war, ob sich der Meeresboden unter dem Ewigen Eis dazu eignen würde, U-Boot-Versorgungsbasen zu gründen, unterseeische Magazine, wo U-Boote sich verpflegen und >regenerieren< konnten. Ein gewagter Plan, den das sowjetische Marine-Oberkommando ausgearbeitet hatte. Depots unter dem Packeis. Von keiner Seite mehr angreifbar, bis auf das gegnerische U-Boot! Und auch dagegen hatte man vielleicht Mitteclass="underline" Einen Strahlenschutz, der jeden Herankommenden sofort meldete.

«Es ist nur einer«, sagte Nicholson leise.»Mein Gott, sind die Jungs sorglos! Ich möchte wetten, die haben ihr Sonar gar nicht eingeschaltet und fahren mit vollen Scheinwerfern, damit man die schönen Fische beobachten kann. «Er lehnte sich zurück und nahm die Zigarette an, die ihm Chief Collins reichte.»Wo schwimmt er jetzt?«

«Am Rande des freien Wassers, Sir. Auch die Sowjets haben gemerkt, daß hier die Natur plötzlich verrückt spielt. «Die elektronischen Peilungen tickten die Ergebnisse heraus, genaue Berechnungen, die ein Computer kontrollierte und verfeinerte. Auf den Meter genau konnte man sich darauf verlassen.»Die Lage wird kritisch, wenn sie auftauchen.«

«Und das werden sie. «Nicholson saugte nervös an seiner Zigarette. Nach drei Zügen hatte er die halbe Länge geschafft.»Ich täte es ja auch! Warum sollen die Russen anders auf dieses Naturphänomen reagieren? Wenn bloß Cornell an Land keinen Blödsinn macht. Oben ist es jetzt dunkel. Stellen Sie sich vor, die Russen tauchen auf und sehen Feuer an Land! Oder anders herum. Die Russen kommen hoch in voller Festbeleuchtung, und Cornell denkt, wir sind's! Er ahnt ja nichts von der Anwesenheit der Sowjets. Dann wird er Signale geben mit der Blinklampe.«

«Ganz sicher, Sir. «Collins starrte auf das Radarbild. Das russische Boot kam näher.»Alles okay, wird er blinken. Mädchen und Mannschaft gesund. Sir — «

«Was haben Sie, Collins?«

Nicholson sah seinen Chief-Navigator erstaunt an. Er hatte sich an dieses verkniffene Gesicht gewöhnt, an diesen etwas schiefen Pfeifenrauchermund, an welchem man erkennen konnte, daß Collins die Pfeife hauptsächlich im linken Mundwinkel hängen hatte. Aber jetzt war dieses Gesicht kantig und wie roh behauen, und die Augen darin waren fast so erschreckend wie ein Haiblick.

«Sir, in etwa zwanzig Minuten kreuzen die Sowjets genau unsere Torpedorohre. Sie werden genau breitseits stehen.«

«Collins, Sie sind total verrückt!«Nicholson warf die Zigarette in einen mit Wasser gefüllten Aschenbecher. Zischend verglühte sie.»Jagen Sie sofort diesen Gedanken aus Ihrem Hirn!«

«Es ist eine bessere Lösung, als uns selbst zu versenken. Ein sowjetisches U-Boot wird vermißt. Das ist alles. Sie werden keine Zeit haben, einen Notfunkspruch loszulassen. Wenn wir sie treffen, zerplatzen sie wie ein rohes Ei. «Collins beugte sich über den Tisch, und seine Stimme wurde beschwörend. Er hat Angst, dachte Nicholson fast beruhigt. Der sonst so souveräne Collins hat eine hündische Angst vor dem Sterben. Er ist also auch nur ein Mensch und nicht nur ein Teil seiner Elektronik.»Sir, ich will nicht mehr daran denken, aber der Gedanke ist faszinierend, das müssen Sie zugeben.«