«Also Evelyn.«
«Vergessen Sie's, Joan!«Dr. Blandy winkte energisch ab. Es war das erstemal, daß er gestand, auch nur ein Mann zu sein und das kleine rote Biest nicht nur mit den Augen des Mediziners zu sehen.»Wenn Sie das weitererzählen, Joan, setze ich Sie mit dem nackten Hintern aufs Eis, so wahr das da drüben Grönland ist!«
Es dauerte drei Stunden, bis das Schlauchboot entladen, das ganze Material über den Eisriegel geschafft und der endgültige >Wohnsitz< bestimmt war. Bernie Cornell und Leutnant Hendricks hatten die Höhlen inspiziert. Es waren ziemlich flache Auswaschungen, die größte knapp vier Meter tief und zwei Meter hoch, nicht mehr als ein paar Kratzer in den Felsen, aber immerhin gut genug, um vier Tage — höchstens vier Tage, dachte Cornell — darin überleben zu können. Mit den kleinen Propangasöfchen konnte es sogar gemütlich warm werden, wenn man die Höhleneingänge mit Dek-ken verhängte.
Weniger gemütlich hatte es der Trupp, der auf das Plateau klettern mußte und dort zwei gefütterte Zelte aufschlagen sollte, um dann mit Hilfe des kleinen Kurzwellensenders zu versuchen, VENUS XI irgendwie zu erreichen. Das war möglich, wenn man auf allen Wellenlängen das SOS funkte.
Monika hatte die große Höhle, in der die Mädchen wohnen sollten, schon bezogen, als Dr. Blandy und Joan nach einer mühseligen Rutschpartie endlich eintrafen. Leutnant Hendricks und sieben Mann waren mit Steigeisen, Haken und Seilen bereits in der Steilwand der Küste und kletterten nach oben. Das >Unternehmen Grönland< spulte sich mit militärischer Korrektheit ab. Keine Minute wurde verschenkt. Bis die Nacht kam — eine ziemlich helle Nacht hier im hohen Norden — mußten die Zelte auf dem Land stehen.
Bill Slingman half, die Höhle einzurichten. Er hatte den Propangasofen angezündet und schlug jetzt Haken in den Fels, wo er die Decken aufspannen wollte. Drei Säcke mit Konserven, Hartwurst, Brot in Dosen, Butter, Schokolade, Kaugummi, gepreßtem Tee, Marmelade und Fruchtstangen lagen im Hintergrund der Höhle. Ein Matrose war gerade dabei, mit einer Tretpumpe die Luftmatratzen aufzublasen. In der Höhle nebenan hatte sich Cornell niedergelassen. Nach guter alter amerikanischer Tradition ließ man auch hier eine kleine Fahne flattern. Die Höhle links neben den Mädchen, etwa drei Meter tief, war für Dr. Blandy reserviert. Der Sanitätskoffer mit dem roten Kreuz auf dem Deckel besaß bereits seinen festen Platz. Die anderen Matrosen verteilten sich in kleinere Auswaschungen, meistens reichten sie gerade für zwei. Aber sie boten Schutz vor der Kälte und den Winden, die man erwartete, denn ein so stiller Tag war ungewöhnlich.
«Hier kann man's aushalten!«sagte Dr. Blandy.»Kinder, was sind vier Tage? In vierzehn Tagen glaubt ihr, das alles nur geträumt zu haben! Das ist ja fast luxuriös hier! Was glaubt ihr, wie wir manchmal in Vietnam — «
«Hören Sie mir bloß auf mit Ihrem Mist-Vietnam!«unterbrach ihn
Lili grob.»Ihr kotzt mich alle an! Ihr seid alle gleich! Dreihundert Mann, die ihr U-Boot wie eine Geliebte behandeln. Es ist einfach pervers!«
Sie setzte sich auf die bereits aufgeblasene Luftmatratze, stützte das Kinn in beide Händen und heulte.
Am Abend hatte sich der Landungstrupp eingerichtet. Die beiden Zelte standen oben auf dem Plateau, in den Höhlen blubberten die Gasöfen, Tamaroo, der die >Küche< übernommen hatte, war glücklich, weil sein Abendessen — Gulasch auf hawaiisch — allen geschmeckt hatte, vor allem, weil es Durst machte und man Grund hatte, Whisky zu trinken. Die Mädchen sahen aus, als wären sie nach Grönland gekommen, um dort Mannequin-Fotos zu machen. Sie hatten sich geschminkt, sich gegenseitig die Haare frisiert. Sie wirkten daher trotz ihrer gesteppten langen Hosen in den dicken Fellstiefeln und den dicken Wollpullovern so aufreizend auf die Männer, daß Bernie Cornell befahl, die Decken vor den Höhlen herunterzulassen.
«Nachtruhe!«
Aber es gab keine Ruhe. Neben Cornells Höhle lagen Bill Sling-man und Tami Tamaroo in ihrer Felsspalte und rauchten. Eine kleine Gaslampe erhellte den engen Raum. Es war warm hier drinnen, sie hatten die Pullover ausgezogen und eine leichte Decke über ihre Körper gezogen. Slingman, der schwarze Riese, war wie ein Ofen. Er dampfte förmlich. Es roch nach süßlichem Schweiß. Er zog die Beine an, streckte sie wieder aus und grunzte dabei wie ein Ferkel — immer und immer wieder, bis Tamaroo ihm den Ellbogen in die Seite stieß.
«Lieg endlich still, du schwarzes Nashorn!«
«Mensch, nenn das Wort Horn nicht!«Slingman schnaufte laut. Er zog die Beine wieder an.»Ich komm da einfach nicht drüber weg.«
«Worüber?«
«Vorhin, als wir über das Eis kletterten, da habe ich Dorette eine ganze Zeit getragen, weil sie immer ausrutschte. Und verdammt, ich rutsche auch mal aus, knalle mit dem Rücken gegen das Eis, aber ich kann sie festhalten, packe richtig zu und hab sie fest. Aber wie!
Mit der rechten Hand an der Brust, mit der linken zwischen den Beinen! Zufall, purer Zufall. Und als ich wieder sicher auf den Beinen stehe, lächelt sie mich an, so ein verfluchtes Lächeln, das einem unter die Haut geht. Ich sage: Verzeihung, Miß. Sie sagt: Auszurutschen ist auch ganz schön. Ich hab sie dann aufs Eis gestellt. Aber seitdem brennen meine Hände. «Er schob seine gewaltigen Hände über die Decke und hielt sie mit gespreizten Fingern hoch.»Es geht nicht weg, Tami. Ich spür's noch immer. Rechts die Brust, links zwischen den Beinen. Und wie sie mich angelacht hat.«
«Mach die Schnauze zu und schlaf«, sagte Tamaroo grob.
«Ich muß immer daran denken. Und dann ist über die Toppen geflaggt. Ich kann mir doch das Ding nicht abschlagen.«
«Am besten wär's! Bill, nimm doch mal 'nen Spiegel und guck rein!«
«Ich weiß, ich bin ein Nigger!«Slingman trat mit den nackten Fußsohlen gegen die Felsen.»Aber ich hab vier Tapferkeitsmedaillen! Ich bin der höchstdekorierte Soldat auf dem Boot! Wenn ich den Kopf hinhalten mußte, war ich kein Nigger mehr! Verdammt noch mal, ich schlage jedem den Schädel ein, der behauptet, ich sei nicht wert, Dorette zu bumsen!«
«Frag sie selbst. «Tamaroo wälzte sich zur Seite.»Hier stört dich kein Commander. Aber denk an Belucci und den kleinen Duff.«
«Der Mörder ist auf dem Boot geblieben.«
«Weißt du das so genau, Bill?«Tamaroo zog seine Decke bis zum Kinn.»Gieß dir kaltes Wasser drüber, das ist ungefährlicher.«
Dr. Blandy zuckte hoch und wußte im ersten Augenblick nicht, was ihn geweckt hatte. Ein Geräusch, ein kalter Luftzug? Er richtete sich auf, saß auf seiner Luftmatratze und starrte ins Dunkel. Die Decke hing vor dem Höhleneingang, die Gaslampe hatte er vor dem Einschlafen ausgedreht, links an der Höhlenwand flackerte der Gasofen, aber das winzige Flämmchen gab kein Licht her. Trotzdem hatte Blandy das Gefühl, nicht mehr allein in der Höhle zu sein. Er tastete vorsichtig und lautlos nach seiner Hose und dem Gürtel, an dem die
Pistole hing.
Ein leises Rascheln in der Dunkelheit verriet ihm, daß tatsächlich jemand zu ihm geschlichen war. Er spürte, wie sich seine Nackenhaare sträubten. Angst empfand er nicht, aber eine ungeheure Spannung zuckte geradezu schmerzhaft durch jeden Muskel. Ganz langsam streckte er die Hand aus, um mit einem Griff die Flamme des Ofens höher zu drehen, damit er wenigstens etwas sehen konnte.
Das Rascheln wurde lauter, und plötzlich war ein Körper neben ihm, zwei Arme umschlangen ihn, und als er eine instinktmäßige Abwehr versuchte, griff er in ein glattes festes Fleisch und spürte unter seinen Fingern die Rundungen von Schultern und Brüsten.
«Was soll der Quatsch!«knurrte er.»Verdammt, wer sind Sie?«
«Joan hat mir gesagt, daß du scharf auf mich bist.«, sagte eine bekannte Stimme.»Wer hätte das ahnen können. Gerade unser Doc — «