«Sie haben recht, Victor«, sagte Nicholson nachdenklich.
«Um die Sache zu beschleunigen, können wir das System einseitig laufen lassen. Wir stellen die Frischluftzufuhr ab, ziehen aber gleichzeitig in voller Stärke die Altluft ab! Wenn Porter das merkt, kann es schon zu spät sein. Kann — sage ich!«
«Mit anderen Worten, Sie wollen Porter ersticken lassen!«
«Nur betäuben, Sir! Wenn er zusammengebrochen ist, öffnen wir die Schottür. Unser Risiko ist nur, daß Porter den Trick merkt und den Schußhebel erreicht, ehe ihm die Luft wegbleibt. Porter ist ein Bulle von Kerl und hat ungeheure Reserven. Was meinen Sie, Sir?«
Nicholson hob den Hörer ab. Surakki seufzte, und Nicholson sah ihn nur an. Er lächelte.
«Sie dürfen Nerven haben, Surakki. Wenn uns McLarens Plan gelingt, werde ich auch welche haben und mich benehmen wie ein Hysteriker. Victor, es gibt kein Risiko für uns.«
Er drückte auf den Knopf T I und wartete. Porters heisere Stimme tönte aus dem Lautsprecher an der Decke. Eine gehetzte, völlig aus der Kontrolle geratene Stimme.
«Verdammt, die zwei Stunden sind rum, Jack! Was ist los? Die Torpedos warten im Rohr. Gibst du den Befehl, oder soll ich von mir aus abdrücken? Oder hast du eine andere Idee?«
«Ich habe sie, Jimmy«, sagte Nicholson ruhig.»Noch eine Stunde.«
«Keine faulen Tricks, Jack!«
«Im Gegenteil. Wir werden auftauchen und mit den Russen verhandeln. Ich habe ebensowenig wie Sie den Ehrgeiz, als Friedensheld in die Geschichte der Navy einzugehen. Ich will leben wie Sie! Was wird der Russe schon groß sehen? Einen neuen U-Boot-Typ! Na und? Was in dem Boot ist, weiß er nicht. Ein Siamkätzchen ist ebenso eine Katze wie ein Tiger.«
«Welche neuen Töne, Jack! Und was dann?«
«Dann holen wir die Mädchen wieder an Bord, tauchen weg und machen unseren Auftrag zu Ende. Was allerdings dann in Norfolk passiert, könnt ihr euch denken.«
«Noch sind wir nicht in Norfolk, Jack. «Porter lachte, es klang irgendwie irr.»Man kann auch historisch denken. Zum Beispiel BOUNTY. Wir könnten in die Südsee fahren, uns eine schöne Insel aussuchen und an die Navy funken: Jungs, leckt uns alle am Arsch!«
«Jimmy, wir kämen doch nie hin! Man würde uns abfangen. Nein, das einzige, was wir tun können, ist auftauchen und vernünftig sein!«Nicholson sah McLaren an. Der Chief nickte. Er war leichenblaß geworden.»Also, Jimmy, noch eine Stunde. Einverstanden?«
«Wenn du mir dein Ehrenwort gibst, Jack… als Offizier… daß es kein fauler Trick ist!«
«Mein Ehrenwort, Jimmy«, sagte Nicholson unbewegt.
«Dann ist alles okay, Sir.«
Nicholson legte den Hörer auf. Surakki ließ hörbar Luft ab, Hynes und Fairbanks wischten sich den Schweiß vom Gesicht. McLa-ren knirschte mit den Zähnen.
«Fangen wir an«, sagte Nicholson und erhob sich.»Wer weiß im Boot noch von Ihrem Plan, Victor?«
«Nur wir hier, Sir.«
«Gehen wir.«
Der Filterraum war mit einem Maat besetzt, der die Manometer und die Anzeigen der Luftmischungen beobachtete. Ein leises Summen lag im Raum, als beherberge die Maschine mit den vielen Rohren, Ventilen und Schiebern einen großen Bienenschwarm.
«Sie haben Freiwache, Ken«, sagte McLaren zu dem Maat.»Hauen Sie sich in die Koje.«
Der Maat grüßte und sah den Commander fragend an. Dann verschwand er aus dem Raum. McLaren zog die Stahltür zu und ver-riegelte sie. Nicholson betrachtete interessiert die vielen Stellräder. Sie waren rot und blau lackiert. Links vom Filter blau, das hieß Frischluft, rechts davon rot, das hieß verbrauchte Luft. McLaren betrachtete den Lageplan am Filterkessel und suchte das blaue Rad für T I.
«Hier ist es!«sagte er und umfaßte es mit beiden Händen.
«Zudrehen!«Nicholsons Gesicht war unbewegt.»Und Rot voll auf.«
«Aye, aye, Sir«, antwortete McLaren heiser.
Er drehte mit ein paar kräftigen Kreisbewegungen das blaue Rad zu, ging dann zur anderen Seite und drehte das rote Rad bis zum Anschlag auf. Im Torpedoraum I wurde jetzt die Luft abgesaugt, aber es kam keine neue Luft mehr hinein.
«Wie lange wird es dauern?«fragte Nicholson ruhig und lehnte sich an die Wand.
«Das muß ich berechnen. Wieviel Kubikmeter hat der Torpedoraum?«
«Als wenn ich das wüßte«, sagte Nicholson aufgebracht.»Ich habe mich nie mit dem Problem des Erstickens beschäftigt.«
Porter saß wieder auf der leeren Torpedoschiene und war sehr glücklich. Er hatte gesiegt. Er hatte dem Commander gezeigt, daß man einen Jimmy Porter, erprobt in Korea und Vietnam, nicht so ohne weiteres verschaukeln konnte. Ja, die Offiziere, dachte Porter belustigt. Kommen sich scheißklug vor, bilden sich ein, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben, nur weil sie auf der Kriegsschule waren und fabelhafte Phrasen gelernt haben. Auch ein Jack Nicholson ist kein Supermann, das hat er jetzt selbst zugegeben. Wenn's ans Sterben geht, zuckt auch bei ihm die Arschmuffe. Wie bei jedem. Wir wollen leben, Commander! Wir wollen noch viele süße Weiber bumsen, Sir! Warten wir also die Stunde noch ab, meine Herren.
Er trank sein Mineralwasser aus der Flasche, rülpste und betrachtete seine Torpedos wie ein Verliebter sein nacktes Mädchen. Was wird in Norfolk sein, dachte Porter. Der alte Adam wird spucken wie ein Vulkan. Sie lochen uns allesamt ein. Vielleicht werden wir degradiert, vielleicht sitzen wir ein paar Monate ab, aber das ist auch alles! Den Kopf hinhalten muß der Commander. Er hat die Verant-wortung. Natürlich werden wir versuchen, ihn herauszuhauen. Wir werden alle hinter ihm stehen! Wir sind doch Kameraden, Sir! Wir sind.
Aus Porters Poren quoll der Schweiß wie Wasser aus einem Schwamm. Es kam ihm unerträglich heiß vor, er zog sein Unterhemd aus, warf es weg und saß mit nacktem Oberkörper auf der Torpedoschiene. Sein breiter, wüst behaarter Brustkasten hob und senkte sich wie ein Blasebalg, an den Oberarmen wölbten sich die Muskeln wie dicke Stränge aus Stahlseilen. Das Atmen machte plötzlich ein wenig Mühe.
Das verdammte Mineralwasser, dachte Porter. Je mehr man in sich hineinsäuft, um so mehr schwitzt man aus. Er blickte nach oben zu den Filtergittern. Dort rauschte es leise, beruhigend. Alles in Ordnung. Daß es nur das Absaugrohr war, erkannte er nicht.
Er lehnte sich gegen die Wand, zog die Beine an und blickte hinüber zum Abschußhebel. Rot blinkte er in der trüben Notbeleuchtung. vier Meter von seinem Sitzplatz entfernt.
Porter hustete. In seiner Brust bildete sich ein massiver Druck, es war, als blähe sich die Lunge auf, so stark war da drin der Druck. Das Atmen wurde zu einem Pumpen, die Adern in den Schläfen begannen zu klopfen, der Kopf schien sich zu dehnen und die Schädelknochen auseinanderzudrücken.
Porter rutschte von der leeren Torpedoschiene herunter und hielt sich irgendwo fest. Er schwankte im Stehen, riß den Mund weit auf und atmete mit einem röhrenden Laut. Die Adern in seinen Schläfen wurden zu Stahlklammern, die seinen Kopf zusammenpreßten, während der Schädel wiederum mit aller Kraft auseinanderstrebte. In der Brust drängte die Lunge zur Kehle und der Magen sackte ab in die Därme.
Da endlich begriff Porter, was mit ihm geschah. Er wollte brüllen, aber es blieb von aller Kraft nur ein gurgelnder Laut übrig. Überdeutlich hörte er über sich das Rauschen der Filteranlage, die mit einem einzigen Sog die Luft in sich hineinfraß.
«Ihr Schweine!«stöhnte Porter.»Ihr verdammten Säue! Nicht mit mir! Jetzt geht's ans Krepieren!«
Er ließ die Schiene los, versuchte einen Schritt, aber seine Beine knickten ein. Er fiel auf den Boden, rollte sich auf den Bauch, rutschte auf Händen und Knien vorwärts und begann zu wimmern, weil sein Kopf wie ein Ballon wurde und seine Lungen die Luftröhre abdrückte.
Der rote Abschußhebel… noch drei Meter… nur noch lumpige drei Meter.