Es dauerte keine zehn Minuten, bis die Meldung kam:»Keine Funkverbindung, Sir. Auf Frequenz meldet sich niemand.«
«Dann sind sie unterwegs«, sagte Nicholson zufrieden.»Ich wußte, daß Cornell nicht abwartet, was wird. Und Doc Blandy schon gar nicht. «Ich bin so glücklich, Monika, dachte er plötzlich. Wir werden uns wiedersehen. Das wird zwar eine fatale Stunde sein, denn ich werde vor dir dastehen als ein arbeitsloser Offizier, den man aus der Navy geworfen hat. Ich weiß, du hast einen reichen Vater, aber das kommt nicht in Frage! Ein Nicholson schuftet für seine Frau, aber er läßt sich nicht aushalten. Irgendwo und irgendwie wird sich im großen Amerika schon eine Arbeit für mich finden. Wenn Blan-dys Arzneimittelvertretung nicht klappt, vielleicht stellt mich ein cleverer Reeder in Florida ein, der mit großen Jachten Reisegruppen zum Haifischfang und Barrakudajagd hinausschickt. Touristenrummel mit Nervenkitzel, aber was soll's, Monika? Es wird gute Dollar bringen, für dich, für mich und für unsere Kinder. Ja, Kinder will ich haben, mindestens zwei, so blond wie du. Wir werden uns durchboxen, Monika, das versprech ich dir!
«An Funkgast!«sagte Nicholson laut.»Verbindung zu VENUS XI, Codebuch II. Gespräch auf die Brücke legen.«
Dieses Mal dauerte es nicht lange. Das Telefon in dem wasserdichten Stahlkasten rappelte, und Nicholson holte den Hörer heraus. Radar VENUS XI meldete sich. Ganz klar. Man vernahm deutlich, wie verblüfft die Stimme im ewigen Grönlandeis war.
«Was ist denn das?«fragte der Mann.»Kennwort, mein Junge.«
«Der Teufel hat zwei Schwänze — hinten einen und vorn einen, denn er ist ein Mann!«sagte Nicholson fröhlich.»Hör mal zu, mein Junge. Wer, wie, wo und was, das ist jetzt scheißegal. Auf dem Festland befinden sich fünfzehn Mann, zwei Offiziere, ein Arzt und fünf hübsche Mädchen. Sie sind auf dem Weg zu euch, von Süden, immer an der Küste entlang. Schwingt euch in eure Motorschlitten und holt sie ab!«
«Wer sind Sie?«fragte die Stimme von VENUS XI.
«Das werden euch die Jungs erzählen, wenn ihr sie eingeladen habt. Und paßt mir auf die Mädchen auf! Finger weg von ihnen. Es sind scharfe Sachen!«
«Das ist doch wohl ein Witz, was?«sagte VENUS XI ärgerlich.
«Machen Sie die Schlitten klar und fahren Sie los!«brüllte Nicholson.»Die Verantwortung tragen jetzt Sie. Klar?«
«Ja, Sir!«Die Stimme kiekste. Verdammt, schien der Mann zu denken, da drüben sitzt ein scharfer Hund.»Wo kann ich Sie erreichen, Sir, wenn wir die Gruppe aufgenommen haben?«
«Nicht mehr! Bestellen Sie einen Gruß. die werden wissen, von wem er kommt. Und bestellen Sie ihnen: Uns geht es blendend. Verstanden?«
«Verstanden, Sir.«
«Ende.«
«Ende.«
Nicholson legte den Hörer in den Stahlkasten zurück.»Damit wäre das Kapitel erledigt, meine Herren«, sagte er zu seinen Offizieren.»Jetzt liegt der Nordpol noch vor uns und später, in der Heimat, der große Hinausschmiß!«
«Wir stehen voll hinter Ihnen, Sir«, sagte Hynes. Es klang wie ein Schwur. Nicholson hob die Schultern.
«Das wird wenig nutzen, Hynes. Aber das ist Zukunftsmusik. Erst unter dem Ewigen Eis durch! Was ist mit Porter?«
«Er ist fertig zur Bestattung, Sir.«
«Bringen wir es schnell hinter uns!«
«Sofort, Sir!«
Im Boot schrillte eine Trillerpfeife. Ein Luk im Deck öffnete sich. Das Begräbniskommando in Paradeuniform stieg herauf, sechs Mann trugen die in Segelleinen eingerollte Leiche Porters. Auf die Brust hatte man die amerikanische Fahne genäht. Korea, Kuba, Vietnam. Porter hatte diese Ehre verdient.
Dann war auch das vorbei. Das Luk klappte zu, das Boot war bereit zur Erfüllung seiner Aufgabe. Nicholson blickte noch einmal hinüber zur Küste Grönlands. Dann wandte er sich ab.
«Klarmachen zum Tauchen!«sagte er mit zackiger Stimme.»An Funkzentrale: Verbindung zur Basis.«
«Was wollen Sie dem Admiral sagen, Sir?«fragte Hynes hinter ihm.»Sie haben uns doch dauernd im elektronischen Bild.«
«Ich will ihm sagen, Hynes, daß er sich die Zeremonie der Degradierung sparen kann. Ich werde der erste Commander der US-Navy sein, der sein Schiff in Zivilkleidung verläßt.«
Im Boot klingelte es kurz.»Alles klar zum Tauchen, Sir!«meldete eine Stimme aus der Tiefe. Nicholson stieg die Leiter hinunter in den Kommandoraum. Surakki schloß das Turmluk. Rauschend ergoß sich das Wasser in die Tanks.
«Wir werden dreißig Tage unter Wasser bleiben«, sagte Nicholson, als das Meer über dem Boot zusammenschlug. Er saß auf dem Sitz vor dem Sehrohr und putzte mit einem Lederläppchen die Einblicklinsen. Um ihn her drängten sich in dem verhältnismäßig engen Raum die Offiziere der POSEIDON I.»Ich werde mir jetzt die Ruhe nehmen, den Mörder von Belucci und Duff zu finden. Ich habe es dem kleinen Duff versprochen. Und mein Versprechen halte ich.«
Kapitel 13
Sie blieben nicht dreißig Tage unter Wasser, sondern genau dreiundneunzig Tage! Die Befehle, die vom Admiral bei der POSEIDON I eintrafen, warfen alle bisherigen Pläne um, stellten neue Aufgaben, zermürbten Offiziere und Mannschaften und jagten sie bis an die äußerste Grenze menschlicher Möglichkeiten.
«Ich habe so etwas erwartet«, sagte Nicholson zu seinen Offizieren, als der Befehl eintraf, unter dem Eispanzer des Nordpols zunächst drei Wochen liegen zu bleiben und die ganze Skala durchzuspielen, die bei einer Versenkung des Bootes zur Lebensrettung nötig war. Dazu gehörte das Aussteigen aus dem U-Boot mit den Tauchrettern, eine unter normalen Umständen einfache Sache. Man legt die Schwimmwesten und Atemmasken an, versammelt sich in den Fluträumen und steigt durch die geöffneten Deckluken auf. An der Meeresoberfläche angekommen, werden die automatisch aufblasbaren Schlauchboote und Rettungsinseln freigegeben, und theoretisch bist du damit gerettet, weil dich irgendeiner bei Gelegenheit auffischen wird.
Aber unter dem Nordpol gab es kein Oben. Wo oben war, lag die dicke Eisdecke, ein meterbreiter Panzer, ein undurchdringlicher Sargdeckel.
Gehorsam übten die Männer der POSEIDON I das Überleben. Es bestand darin, in die Eisdecke ein Loch zu sprengen und durch dieses an die Luft zu kommen. Sie versuchten es zwölfmal, bis es ihnen gelang, das Eis aufzureißen. Leutnant Surakki stieß als erster durch das Loch und kletterte ans Licht. Trotz der grausamen Kälte schwitzte er in seinem mittels Batterien geheizten und unförmig aufgeblasenen Tauchanzug.
«Wir sind durch, Sir!«meldete er mit seinem Funkgerät.»Sieht alles aus wie ein grenzenloser Tisch. Glatt, weiß, ein Anblick zum Weinen. Mir ein Rätsel, wieso die Forscher so wild darauf sind, hier herumzukurven.«
«Warum klettern andere auf den Himalaja?«fragte Nicholson zurück.
«Genauso blöd, Sir!«
«Machen Sie ein Foto von dem Loch im Eis und kommen Sie dann zurück, Surakki.«
«Aye, aye, Sir.«
Es kletterten noch sieben Mann aufs Nordpoleis. Sie bauten sich neben dem Sprengloch auf, hakten sich unter und grinsten breit in die Kamera. So ein Foto gibt's nicht alle Tage, Boys! Wer hat schon außer uns ein Loch in den Nordpol gesprengt? Das ist ein Foto, genauso wichtig wie die Mondaufnahmen vom lieben Armstrong, nur kann man hier nicht schwerelos herumhüpfen. Man tanzt höchstens vor Frost.
Commander Nicholson meldete den Erfolg nach Norfolk. Der Admiral war nicht da, aber nach vier Stunden, als alle wieder längst an Bord waren und sich bei heißem Tee aufwärmten, hörte Nicholson wieder die vertraute, bald gütige, bald unerbittliche Stimme von >Papa Lewis<.
«Das haben Sie sehr gut gemacht, Commander«, sagte er ziemlich trocken.
«Wir sind jetzt dabei, genaue Meßdaten zu sammeln, Sir. «Nicholson schloß die Augen. Er war allein in seinem Kommandoraum, niemand sah ihn jetzt. Warum sagt er nichts von den Mädchen, dachte er. Warum tut er so, als gäbe es sie nicht? Sie müssen längst wieder in den Staaten sein, von VENUS XI ausgeflogen mit den nächsten Versorgungsmaschinen. Er weiß jetzt alles, man könnte frei darüber reden… aber er schweigt. Nur diese neuen Übungen, die Verlängerung der Tauchfahrt, das ist typisch Adam. Das ist seine Art von Strafexerzieren, und er hat es bei der Marineleitung ohne Schwierigkeiten durchgesetzt mit der Begründung, daß gerade diese neueste Geheimwaffe der USA bis an die Grenze von Material und Menschen erprobt werden müsse.