Getroffen hatten sie einander auf dem Deck Minus Eins, genau über dem Haupttor der Flottenbasis. Dann fuhren sie wieder nach unten, über das unterste Deck hinaus und weiter zum Drainagedeck. Sie gingen über das Deck, als ich ein paar »Pumpenaffen«, wie die Drainageleute genannt wurden, aus der Kabine folgte.
Wir kamen zu einem Quertunnel, der Sammelstation Vier. Ich spürte das Vibrieren der mächtigen Pumpen, die alles Brauchwasser von Krakatau Dome sammelten und drei Meilen nach oben zur Meeresoberfläche preßten, doch ich hatte keine Zeit, über dieses Wunderwerk der Technik nachzudenken, denn Bob und der alte Chinese gingen rasch weiter. Ich wartete einen Moment, dann nahm ich die Verfolgung wieder auf.
Im nächsten Tunnel war der Boden eben, mit kleinen Drainagerinnen entlang den Mauern; sie waren mit Druckbeton verkleidet und nicht besonders hell mit weitgesetzten Troyon-Röhren beleuchtet. Es war hier ziemlich trocken, nur von den Wänden lief dann und wann ein Tropfen hinab in die Rinne. Unvermittelt verschwanden die beiden vor mir.
Ich blieb eine Sekunde stehen und ging dann langsamer weiter. Ich sah, daß sie einen Drainage-Sammelbehälter betreten hatten. Und da blieb ich ein wenig länger stehen.
Mir wurde nämlich klar, was ich vorher nicht bedacht hatte, daß ich mich nicht mehr unter der Kuppel befand. Ich war draußen auf dem Meeresboden, das heißt, darunter. Über mir waren ein paar hundert Fuß Fels, der vom Beben erschüttert war .
Und darüber kamen dann drei senkrechte Meilen Salzwasser.
Die Drainagetunnels waren nicht verstärkt und nicht versiegelt, oder nur an ein paar sehr kritischen Punkten. Hier tropfte und platschte und murmelte die eindringende See. Es war hier sehr kalt, nahe dem Gefrierpunkt der Tiefen, schlecht belüftet; und vor allem roch es intensiv nach Salzwasser.
Und meine Beute verschwand mit jeder Sekunde mehr aus meinem Blickfeld.
Am Ende dieses Service-Tunnels war eine etwa metertiefe Stufe, die in den Drainagering führte; er schwang zu beiden Seiten in einem Bogen weg von mir. Ausgehoben worden war dieser Ring von automatischen Exkavatoren, und an den schwarzen Felswänden waren jetzt noch die Spuren zu sehen. Hier drang ziemlich viel Wasser durch, und der Tunnelboden war fast fußhoch damit bedeckt. Da wäre ich am liebsten umgekehrt.
Ich mußte aber unbedingt wissen, wohin sie verschwunden waren. Lauschend blieb ich stehen, doch ich hörte nur das Wasser aus den Undichtigkeiten der Wände tropfen. Dann gewöhnten sich meine Augen allmählich an das äußerst dürftige Licht, und ich sah rechts von mir einen schwankenden Schimmer auf dem schwarzen Wasser. Das war der Schein einer isotopischen Handlampe, aber nun fast schon außer Sichtweite.
Mein Entschluß, ihnen zu folgen, war schnell gefaßt. So lautlos wie möglich stapfte ich durch das Wasser, das mir bis zu den Knöcheln reichte; es war beißend kalt und nahm mir fast den Atem. Ich folgte dem Lichtschein, bis er hinter einem lärmenden Wasservorhang verschwand, der sich aus einer Felsspalte ergoß.
Allmählich wurde die Sache immer schwieriger. Meine Füße waren taub vom eisigen Wasser, ich war durchfeuchtet und zitterte vor Kälte, kurz, ich fror erbärmlich. Und ich war nicht bewaffnet.
Falls sie - nur angenommen - hinter dem Wasserfall warteten, wäre ich ein leichtes Opfer. Trotzdem, von Bob Eskow konnte ich so etwas nicht glauben. Eine Troyon-Röhre weiter vorne spiegelte sich nur matt in der Feuchtigkeit der Tunnelwand. Ich spähte in die Dunkelheit, tat ein paar platschende Schritte - und dann hielt ich den Atem an und watete weiter durch den eisigen Wasserfall. Der Tunnel dahinter war völlig dunkel. Das eisige Wasser war hier tiefer und lief schneller. Wie blind tappte ich weiter, etwa fünfzig Meter.
Dann sah ich voraus einen schwachen Schimmer. Ich wartete und rührte mich nicht. Dann sah ich, daß sich das Licht in nassem Fels spiegelte. Das Licht kam aus einer größeren Röhre, die von dem runden Tunnel nach unten führte. Eine Anzahl dieser Röhren leitete das Sickerwasser in der Form von Radspeichen zu den Pumpen hinab.
Und am Ende einer Speiche erblickte ich weit unten zwei Gestalten - Bob Eskow und den Chinesen. Diese Speiche war eine gerade Linie, und ich sah ihre Umrisse schwarz vor dem beweglichen Schein der isotopischen Handlampe.
Ich betrat den »Speichen«-tunnel. Er war so steil, daß ich fast stürzte. Das Wasser lief hier reißend und zerrte an meinen tauben Füßen. Doch ich fand schnell festeren Stand. Ich ent-deckte mitten im Tunnelboden eine erhöhte Rippe, die kaum im Wasser lag. An die mußte ich mich also halten.
Die beiden Männer waren nun ein gutes Stück vor mir. Dann verschwanden sie plötzlich. Der Tunnel schien dunkel und leer zu sein. Schließlich entdeckte ich wieder einen schwachen Lichtschimmer auf einer schwarzen Wasseroberfläche.
Ich tappte so vorsichtig weiter, wie es meine halberfrorenen Füße erlaubten. Links und rechts von mir rauschte das Wasser vorbei. Die Mittelrippe war zwar nicht oder kaum mit Wasser bedeckt, doch von oben und den Wänden tropfte und spritzte das Wasser so sehr, daß meine Uniform nur noch ein nasser Lappen war. Und ich fror entsetzlich.
Endlich erreichte ich den Fuß dieser Speiche. Das Wasser ergoß sich in ein riesiges, höhlenartiges Becken. Man hatte hier den Fels so weit ausgehöhlt, daß im Fall von Schwierigkeiten mit den Drainagepumpen die Stadt immer noch eine relativ große Sicherheit hatte. Diese Wasserkammer dehnte sich nach beiden Seiten hin ungefähr dreißig Meter aus, und wie tief sie war, konnte ich nicht ahnen. Das Dach war mit DruckEisenbeton verkleidet, doch die Wände waren reiner Basalt. Aus einem halben Dutzend »Speichen« ergoß sich das Wasser in dieses Riesenbecken, und der Fels unter meinen Füßen bebte von den Vibrationen der unsichtbaren Pumpen, die das Wasser hinauspreßten.
Im schwachen Licht konnte ich nur ein paar Einzelheiten erkennen, und dieses Licht kam von unterhalb des Abflußtunnels, dem ich gefolgt war. Ich trat ein wenig näher an den Rand der »Grube«. Hier schäumte das Wasser um meine Füße, obwohl ich mich auf der schmalen Rippe zwischen zwei Rinnen hielt. Viel hätte nicht gefehlt, und ich wäre mitgerissen worden. Um über den Rand schauen zu können, mußte ich auf Hände und Knie niedergehen.
Da fand ich die Quelle des blaßschimmernden Lichtes. Es war ein Edenit-Film, die Beschichtung eines langen Tiefsee-Schiffes, das unter dem Rand auf dem Wasser schwamm!
Das war der erstaunlichste Anblick meines Lebens.
Ich klammerte mich an den rauhen Felsen, wurde vom Wasser überspült und wußte es kaum. Ein Seewagen! Ein großer sogar, hier in diesem Becken, ohne Schleuse, ohne einen Weg hinein oder heraus. Das erschien mir unglaublich, doch hier sah ich es selbst.
Natürlich konnte ich die Tiefe des Beckens nicht abschätzen, doch die Oberfläche des dunklen Wassers lag ein paar Dutzend Fuß unter mir. Aus den Röhrentunnels kam das Drainagewasser wie Wasserfälle, und der Lärm übertönte jedes Geräusch. Wegen der großen Dunkelheit bestand kaum Gefahr, daß mich jemand sehen konnte.
Der lange, schimmernde Rumpf wurde gerade vom Wasser überspült. Ein gedrungener Kommandoturm ragte einen Meter etwa über das Wasser. Der alte Chinese kletterte eben in diesen Turm hinein. Eine andere Person stand außerhalb auf der kleinen Plattform davor, hielt sich an einem Geländer fest und schaute in das schwarze Wasser.
Er wartete. Ich wartete auch, nur ein paar Meter über ihm, bis der Kopf eines Tauchers durch das Wasser stieß. Hier ein Taucher! Das war ja phantastisch, schier unglaublicher als das Schiff selbst. Der Taucher trug einen schweren Thermoanzug, denn ohne ihn hätte er in diesem Wasser kaum eine Minute überlebt. Der Helm verbarg sein Gesicht. Er hob den Arm. In der plumpen Hand hielt er das Ende einer Leine.
»Fertig?« Die Stimme klang durch den Helm ziemlich gedämpft und verzerrt. Das Echo rumpelte in der dunklen Betonkuppel. »Einholen!« Er ließ sich wieder ins Wasser gleiten.