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Er schüttelte den Kopf, dann sprach er in einem ganz anderen Ton weiter. »Eden, ich möchte, daß Sie genau nachdenken, ehe Sie meine nächste Frage beantworten. Haben Sie irgendeinen Beweis für das, was Sie mir da erzählt haben?«

Damit hatte er mich. Ich war darauf nicht vorbereitet. Hätte er die Sicherheitsabteilung angerufen, oder angeordnet, Bob Eskow sei noch in dieser Nacht zu erschießen, oder wenn er nur hinausgerast wäre, um zusammen mit mir diese Grube zu inspizieren - alles hätte ich für vernünftiger gehalten als diese Frage.

Er schien also an dem zu zweifeln, was ich ihm erzählt hatte, und mehr noch: es war ihm auch offensichtlich egal.

»Sir, sicher gibt es da einen Beweis. Schauen Sie ...« Ich zeigte ihm meine verdorbene Uniform. Aus meinen Schuhen lief noch immer eisiges Seewasser. Er schaute und schüttelte den Kopf.

»Sie sind naß, Kadett Eden«, sagte er und kniff die Augen zusammen. »Einen besseren Beweis haben Sie wohl nicht?«

»Nein, Sir«, antwortete ich hoffnungslos. »Nur ... ich glaube nicht, daß Bob Eskow von seinem Ausgang zurückkommt, ehe diese Maschine unter dem Seeboden wieder da ist.«

»Und auch das wäre kein schlagender Beweis. Er kann doch irgendwo sein. Irgendwo sonst. Das wäre viel logischer ...« Er holte tief Atem. »Eden, ich muß Ihnen schon sagen, daß ich das, was Sie mir eben berichtet haben, nicht glauben kann. Es tut mir leid. Ich weiß nicht, ist etwas Wahrheit dahinter -vielleicht falsch verstanden -, oder haben Sie das alles nur zusammengekocht, um Ihren Onkel zu schützen.«

Diese Anschuldigung verschlug mir den Atem. »Sir ...«

»Wenn ich mich irre, werde ich mich zu gegebener Zeit bei Ihnen entschuldigen, aber jetzt ... Moment mal!«

An seinem Tisch blinkte ein rotes Licht, und ein Alarm schrillte. Lieutenant Tsuya vergaß mich vollständig und tauchte nach dem Ausgabeschlitz, weil der Alarm eine eben ankommende Nachricht signalisiert hatte. Ich sah die Kapsel, die Lieutenant Tsuya schnell packte und öffnete. Ich las den Absender darauf: Computer-Abteilung.

Da begann ich allmählich Lieutenant Tsuyas Verhalten zu verstehen. Er schickte mich mit einem Auftrag weg, und als ich mit wichtigen Informationen zurückkam, zweifelte er an der Wahrheit meiner Worte und schien den Verstand verloren zu haben. Doch er hatte ihn nicht verloren.

Die Sache war ganz anders. Etwas ungeheuer Wichtiges war geschehen, und darüber mußte er die fehlende Geosonde und Bob Eskow zurückstellen und meine phantastische Geschichte vom MOLE im Drainagebecken, sogar meinen Bericht über die Nuklearzünder.

Computer-Abteilung. Das sagte eine ganze Menge!

Die Wissenschaft der Bebenvorhersage umfaßt eine Unzahl von Faktoren, und jeder muß auf seine Bedeutung hin untersucht werden, ehe man ihn in die Rechnung mit einbeziehen kann - sonst können die Computer mit den Daten nicht viel anfangen. In unglaublich kurzer Zeit kann ein Computer mathematische Wunder vollbringen, ganz gewiß. Aber ein Computer kann nicht selbständig denken, und vor allem weiß er nichts, was ihm nicht vorher eingegeben worden ist. Das sogenannte Know-how geht ihm ab. Er kann jedes Problem lösen, das sich der Mensch ausdenken kann, doch der Mensch muß es eben erst ausdenken. Die Ausarbeitung eines seismischen Programms mit einer Problemlösung erfordert eine Unmenge Vorarbeit. Die Lösung ist im Vergleich dazu kinderleicht. Aus diesem Grund setzt man Computer hier nicht ein -oder nur in einem Ausnahmefall.

Dieser Ausnahmefall tritt dann ein, wenn der Vorhersagende seinen eigenen Ergebnissen nicht glaubt. Er gibt dann alles dem Computer ein und hofft, einen mathematischen Fehler zu finden.

Ich sah dem Lieutenant an, daß er keinen Fehler in seiner Rechnung gefunden hatte. Er warf die Karte mit den Computerangaben auf den Tisch, ließ sich auf den hohen Hocker fallen und starrte ins Leere.

»Etwas nicht in Ordnung, Sir?« fragte ich.

»Nicht in Ordnung?« Er schien Mühe zu haben, sich von seinem Problem loszureißen. Er lächelte schief. »Hm. Ja, das könnte man sagen. Es gibt Hinweise darauf, daß sich die Spannungen sehr tief unten schnell intensivieren.«

»Aber die heutigen Beobachtungen ...«:, begann ich.

»Die Beobachtungen von heute abend zeigen den Aufbau gewaltiger Spannungen. Etwas braut sich da unten zusammen.«

Zum erstenmal, seit ich diesen Raum betreten hatte, warf ich einen Blick auf die Karten. Wenn seine Analyse richtig war, dann braute sich da wirklich einiges zusammen. Zwischen 9 und 21 Uhr war der Lageunterschied ungeheuer.

»Ich werde jetzt eine Prüfung mit der Geosonde anordnen«, sagte Lieutenant Tsuya sorgenvoll. »Wenn wir sie bis zu zweihundert Kilometer hinunterbringen könnten, hätten wir eine gesunde Basis für eine Bebenvorhersage. Aber ...«

Er brauchte den Satz nicht zu beenden. Ich kannte unsere Chance, eine Sonde in diese Tiefen zu bringen: sie war viel zu klein. Das heißt, der Druck war zu hoch. Neun von zehn Sonden wurden durch Implosionen vernichtet, meistens schon in viel geringeren Tiefen.

»Mit unseren besten Tiefendaten aus Reflexion und Refraktion bei zwanzig Kilometern ...«, dröhnte er weiter, dann brach er ab. Er drehte sich zu mir um.

»Verstehen Sie, Eden, daß ich genug im Kopf haben muß und also keinen Märchen über Piraten-MOLEs lauschen kann, solange es keine Beweise für deren Wahrheitsgehalt gibt.«

»Sir«, erwiderte ich eifrig, »wenn es eine Sache der Beweise ist, dann muß etwas unten in der Grube zu finden sein. Wenn wir sie entleeren und den Fels untersuchen könnten .«

»Heute entleeren wir ganz bestimmt keine Grube«, unterbrach er mich scharf. »Und jetzt muß ich die Crew für die Sonarsonde zusammenstellen. Eden, abgetreten. Sehen Sie zu, daß Sie etwas Schlaf finden.«

Seine müden, besorgten Augen hingen schon wieder an den Karten, als ich den Raum verließ.

In jener Nacht fand ich aber sehr wenig Schlaf.

Ich stellte mich so lange unter die heiße Dusche, bis meine kältetauben Füße schmerzten und wieder lebendig wurden. Dann ging ich zu Bett und lag lange da und kämpfte verzweifelt mit Alpträumen.

Natürlich konnte ich es Lieutenant Tsuya nicht verdenken, wenn er glaubte, ich hätte die Geschichte nur erfunden, um meinen Onkel irgendwie zu schützen. Für mich war es wirklich schon hart genug, selbst das zu glauben, was ich gesehen hatte. Wie waren Bob Eskow, der alte Chinese und meines Onkels guter Freund Gideon Park überhaupt an eine MOLE geraten? Und wie sie an diese thermonuklearen Zünder gekommen waren, ließ sich überhaupt nicht begreifen. Wofür brauchten sie das alles? Ich konnte es mir nicht vorstellen. Außer ... außer

Plötzlich saß ich kerzengerade im Bett.

Außer sie hatten irgend etwas zu tun mit den seismischen Störungen, die Lieutenant Tsuya so viel Kummer machten!

Was hatte Vater Tide gesagt? Jemand erzeuge künstliche Beben! Er schaffe sie, um den Aktienmarkt zu beeinflussen.

Die Reaktion war da. Aber das paßte doch alles gar nicht. Das ganze Muster war falsch. Es mußte Zufall sein.

Denn hier waren zwei verschiedene Dinge am Werk. Lieutenant Tsuyas Karten und Instrumente schienen einen Aufbau von Spannungen anzugeben, das Recken und Drehen von ungeheuren Felsmassen, die sich bereitmachten, nachzugeben und sich zu spalten - das gäbe ein Beben - doch nichts dergleichen geschah.

Selbst wenn es stimmte, daß Atomwaffen ein Beben auslösen konnten, war es schlechterdings unmöglich, daß sie jenes Muster erzeugten, das Lieutenant Tsuya so besorgt machte. Nein, das war ausgeschlossen. Eher konnten sie solche Spannungen abbauen als sie erzeugen. Ich würde sagen: das Muster konnte nicht stimmen.

Ich schob diese Gedanken von mir weg und schlief auch schließlich ein.

Ich träumte, daß ich einen Spalt in der Stadtkuppel entdeckt hatte. Ich beobachtete ihn, sah die Tropfen eisigen Wassers, die erst durchsickerten, dann zu einem Rinnsal, einem Bach und einem reißenden Strom wurden, schließlich eine Druckfontäne von etwa hundert Metern Breite. Ich versuchte meinen Onkel zu finden, damit er die Edenit-Schicht reparierte, aber der erste eisige Schwall hatte mich eingeschlossen und gelähmt. Ich war hilflos. Ich konnte nichts tun, und das Wasser stand mir schon bis zum Kinn .