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»Er ruft den Bürgermeister an.«

»Wenn er mich mit meinem Vater reden ließe!« rief Harley gereizt. »Wenn ich ihm den heißen Draht verschaffen könnte, hätte er in fünf Minuten seine Ratssitzung!«

Dann schaute er auf. Tsuyas Bürotür war offen, und der Lieutenant kam heraus. »Das wird nicht nötig sein, Kadett Danthorpe. Die Ratssitzung läuft bereits.«

»Hurra!« schrie Harley. »Jetzt passiert endlich was! Wenn mein Vater . Verzeihung, Lieutenant«, sagte er verlegen.

Der Lieutenant nickte. »MacKerrow!« rief er, »ich gehe nach oben und lege dem Rat die Vorhersage vor. Du übernimmst inzwischen die Station.« McKerrow nickte. »Wird eine rauhe Sache werden«, fuhr Tsuya nachdenklich fort. »Einige Ratsmitglieder wollen von diesen Vorhersagen absolut nichts wissen. Jetzt sieht die Sache natürlich sehr viel ernster aus.«

»Sir, kann ich mitkommen?« bat Harley eifrig. »Ich meine, wenn ich hier bin, wird mein Vater wissen, daß mit den Vorhersagen alles in Ordnung ist .« Wieder schwieg er verwirrt.

»Danke, Kadett Danthorpe«, erwiderte Tsuya trocken. »Ich hatte schon geplant, Sie und Kadett Eden mitzunehmen. Ihre Pflicht besteht allerdings nur darin, mir die Karten vorführen zu helfen. Reden werde ich. Vergessen Sie das nicht.«

Die Ratshalle von Krakatau Dome lag hoch im nordwestlichen oberen Oktanten, zwischen dem Finanzbezirk und dem Plattform-Terminaldeck.

Bürgermeister und Ratsmitglieder warteten in einem großen Raum mit Wandmalereien, die Tiefsee-Szenen darstellten -eine Kelpfarm, eine Uranmine, Tiefsee-Frachter beim Ein- und Ausladen und dergleichen. Es waren sehr schöne, sehr beruhigende Wandmalereien. Die Ratsversammlung war dagegen weder das eine, noch das andere.

Vor allem war es eine sehr laute Angelegenheit, und jeder äußerte seine Meinung streitsüchtig, ausfallend und unbeherrscht. Der Bürgermeister mußte mindestens ein Dutzendmal um Ruhe bitten, bevor der Lärm aufhörte, und als er Lieutenant Tsuya bat, die Lage zu erklären, herrschte immer noch mehr Rechthaberei als Aufmerksamkeit.

Aber der Lieutenant fand schon nach den ersten paar Worten ihre Aufmerksamkeit, denn er erläuterte ihnen recht trocken und ohne jede Beschönigung, daß man mit einem Seebeben der Stärke Elf zu rechnen habe. »Vielleicht sogar Stärke Zwölf«, schloß der Lieutenant grimmig.

Barnacle Ben Danthorpe meldete sich. »Möglicherweise Zwölf, nur möglicherweise? Und möglicherweise Stärke Elf, richtig?«

»Das sagte ich ja schon, Mr. Danthorpe.«

»Vielleicht aber auch Stärke Zehn?«

»Auch das ist möglich.«

»Oder Neun, eh? Vielleicht nur Acht oder Sieben?«

»Das, Mr. Danthorpe, sind äußerst geringe Chancen.«

»Gering? Na, vielleicht. Aber nicht ausgeschlossen, eh?«

»Nicht ausgeschlossen«, gab Lieutenant Tsuya zu. »Das sind alles relative Möglichkeiten.«

»Und wegen dieser relativen Möglichkeiten«, meinte Ben Danthorpe lachend, »wollen Sie, daß wir die Stadt evakuieren. Haben Sie eine Ahnung, Lieutenant, was das kostet?«

»Geld sollte hier nicht die einzige Überlegung sein, Mister!« fuhr Lieutenant Tsuya auf.

»Aber man muß daran denken. Selbstverständlich. Wir müssen es ja auch verdienen, Lieutenant. Verstehen Sie, wir leben ja nicht auf Kosten der Steuerzahler.«

Da rauchte Lieutenant Tsuya aus allen Poren. Ich sah die gefährlichen Linien in seinem Kürbisgesicht. Doch Danthorpe kannte sie nicht und fuhr leichthin fort: »Ich leugne ja nicht, daß ihr Wissenschaftler uns recht nützliche Informationen geben könnt. Mein eigener Sohn arbeitet ja bei Ihnen, nicht wahr? Und er ist ein kluger Junge, ein sehr kluger.« Harley Danthorpe wurde vor Stolz eine Handbreite größer. »Aber er ist ja noch ein Junge!« bellte sein Vater plötzlich, »und von Jungen können wir uns nicht vorschreiben lassen, wie wir Krakatau Dome zu verwalten haben. Sie sagen uns, wir sitzen auf einer Erdbebenfalte. Na, schön. Das wissen wir längst. Und was schlagen Sie vor, dagegen zu unternehmen?«

»Wir haben innerhalb von achtundvierzig Stunden ein katastrophales Beben zu erwarten«, erklärte Lieutenant Tsuya nachdrücklich. »Sogar möglicherweise schon in zwölf Stunden. Die Stadt muß evakuiert werden!«

»Nichts muß sie!« fuhr Danthorpe auf. »Sie machen Ihre Vorhersage, und wir entscheiden, was geschieht. Nehmen Sie das als Richtschnur: die Stadt kann nicht evakuiert werden!«

Einen Augenblick lang herrschte Schweigen. Dann holte Lieutenant Tsuya tief Atem, zog eine Karte aus seinen Unterlagen und studierte sie. »Ich habe mit den Stadtingenieuren gesprochen. Hier ist ihr Bericht.

Die Stadt wurde so angelegt, daß sie ein Beben der Stärke Neun mit einiger Sicherheit überstehen könnte. Sie glauben, daß die Edenit-Sicherheitsbeschichtung dafür garantieren könnte, daß die meisten Einwohner überleben; das heißt natürlich nur dann, wenn das Beben nicht übermäßig lange dauert. Aber unter Stärke Zehn wird die Kuppel einstürzen.

Und unsere Vorhersage geht, wie Sie wissen, nach einem Beben der Stärke Elf, eher noch Zwölf.«

Ben Danthorpe hörte schweigend zu, dann nickte er. »Lieutenant, genau die gleichen Zahlen habe ich vor mir liegen. Trotzdem wiederhole ich meine Antwort: Die Kuppel kann nicht evakuiert werden. Euer Ehren«, wandte er sich an den Bürgermeister, »sagen Sie ihm bitte, weshalb nicht.«

Der Bürgermeister erschrak sichtlich. Er war ein dicker, rosiger, schwitzender Mann, der offensichtlich seine Befehle gern von Ben Danthorpe entgegennahm. Daß er bei einer solchen Diskussion den Mund auftun sollte, schien ihn zu überraschen. Und nun hatte er dies zu sagen:

»Mein Büropersonal hat schon vor Jahren die Evakuierungspläne ausgearbeitet, und sie sind praktisch immer greifbar. Heute früh habe ich die Leute nun beauftragt, alles auf den neuesten Stand zu bringen. Es ist wirklich ein Problem, Lieutenant! Und ich fürchte, wir haben dafür keine Lösung. Unsere Einwohnerschaft beträgt Dreiviertel Millionen. Die verfügbare Tiefsee-Tonnage könnte nicht mehr als fünfzigtausend wegbringen. Wir können einen Luftpendler einsetzen, der in zwei Tagen weitere hunderttausend Menschen wegbringen kann, falls wir zwei Tage Zeit haben.

Für weitere fünfzigtausend Einwohner können wir einen Notraum auf der Plattform schaffen, vielleicht sogar für hunderttausend, wenn wir sie auf die Flugdecks stellen. Aber dann haben wir immer noch eine halbe Million hier. Lieutenant, fünfhunderttausend Männer, Frauen und Kinder warten dann hier unten, um dem alten Neptun die Hand zu schütteln ...«

»Warum haben Sie nicht längst bessere Pläne ausgearbeitet?« fuhr ihn Lieutenant Tsuya an. »Wußten Sie nicht, daß dies eines Tages passieren könnte?«

»Lieutenant!« röhrte der Bürgermeister mit violett angelaufenem Kopf. »Vergessen Sie sich nicht!«

Barnacle Ben Danthorpe schaltete sich ein, ehe sich die Gemüter noch mehr erhitzten. »Das ist nur das physische Problem, Lieutenant. Wir haben aber auch ein psychologisches. Die meisten Leute würden die Stadt auch dann nicht verlassen, wenn sie könnten. Wir sind hier zu Hause. Und die meisten Leute sind, ebenso wie ich, der Meinung, daß wir keinen Bebenpropheten brauchen, der uns sagt, was wir zu tun haben .« Er wandte sich wieder an den Bürgermeister. »Euer Ehren, ich meine, wir sollten uns beim Lieutenant bedanken für die Mühe, die er sich gemacht hat, und ihn zu seinem Spielzeug zurückschicken.«

Es kam noch zu einer stürmischen Diskussion, die länger als eine Stunde dauerte, und vor allem wurde nach den Beträgen gefragt, die für verschiedene Bebenkontrollmaßnahmen ausgeworfen worden waren. Doch schließlich beruhigten sich die Leute wieder.

Wir wurden zu unserem Spielzeug zurückgeschickt, mit unserem Wissen, daß die Lebenserwartung der Menschen in Krakatau Dome kaum noch zwei Tage betrug.

14. Der Safe mit dem Bleifutter