»Ich glaube schon.« Aber ganz sicher war ich dessen nicht. Ich wollte, ich hätte an der Sache teilnehmen können. Ich hätte mir dann schon meine eigenen Sorgen gemacht.
Aber Lieutenant Tsuya, der eben die Leiter herab kletterte, unterbrach mich. »Ich habe auch noch eine Frage«, sagte er. »Sie haben dieses erste Beben doch deshalb richtig vorhergesagt, weil Sie wußten, was kommen würde, daß Stewart Eden es auslösen wollte. Stimmt doch?«
Bob nickte. »Ich denke, das hätte ich besser fälschen sollen«, gab er zu. »Aber mir sah das nach einer guten Chance aus, einmal zu zeigen, welch kluger Bursche ich doch bin. Aber so klug war das gar nicht .«
»Das war auch nicht meine Frage«, erwiderte der Lieutenant und schüttelte den Kopf. »Das war danach. Ich rede eigentlich von der Geosonde, die aus der Station gestohlen wurde.«
Bob schaute ihn verständnislos an.
»Die Sonde, die die Flotte etliche tausend Dollar kostet. Ich will wissen, was mit der ist! Verstehen Sie, ich bin dafür verantwortlich!«
Aber Bob schüttelte den Kopf. »Sir, ehrlich, da kann ich Ihnen nicht helfen. Davon weiß ich nichts.«
Harley Danthorpe schob seinen Kopf aus der Luke des MOLEs. »Alles verstaut!« meldete er. »Ihr könnt ablegen!«
Da schlug das fünfte Beben zu.
Ich glaube, schlimmer war es nicht als die vier vorhergehenden. Die Wellen waren nicht höher, die von den noch verbliebenen Seismographen aufgezeichnet wurden. Aber der Lärm war viel größer, der die eisige Stille der Tunnels erschütterte, und die Vibrationen waren schmerzhafter zu spüren.
Und - das war am wichtigsten! - es war nicht Teil von Dr. Koyetsus Plan!
Mein Onkel wurde ganz blaß. »Wir müssen sofort diese anderen Bomben auslegen! Jetzt haben wir die Sache angefangen, wir müssen sie auch zu Ende bringen.«
Aus den Spalten in den Wänden und der Decke kollerten Steine. Mein Onkel stürzte zu Boden. Er blutete an Kopf und Schulter. Steine knallten wie Maschinengewehrfeuer gegen den Edenit-Rumpf des MOLEs. Ich wurde getroffen, Dr. Koyetsu bekam etwas ab, Gideon lag platt am Boden, aber ihm hatte es nur sehr gründlich den Atem verschlagen, und mehr Schaden wurde nicht angerichtet.
Koyetsu und mein Onkel waren jedoch zu geschwächt, um einer solchen Behandlung standzuhalten. Beide waren alt, hatten ungeheuer viel mitgemacht und wurden nun gleichzeitig von einem herab stürzenden Stein getroffen in einem Beben, das von größter Gefahr für uns alle war.
Lieutenant Tsuya nahm die Sache in die Hand, und Bob und ich halfen, die beiden Verletzten zu einem trockenen, ebenen Platz auf den Kartentischen zu tragen. »Jim, du blutest ja auch«, sagte Bob, und das stimmte wohl, doch bei mir war es nicht viel mehr als ein Kratzer. Mir hatte ja nur ein scharfkantiger Steinsplitter Nacken und Schulter ein wenig aufgerissen, aber nicht tief.
Wir kümmerten uns um die Verletzten, während Lieutenant Tsuya fieberhaft am Computer arbeitete. Geräuschaufzeichnungen hatten wir keine, die seismographische Spur war nicht vollständig, da unsere meisten Geräte durch die wiederholten Beben ausgefallen waren, aber die Kunst des Vorhersagens besteht ja nicht nur im Ablesen von Instrumenten. Man muß die Daten auch auswerten können, und seien es noch so wenige.
»Hier!« rief Lieutenant Tsuya. »Schaut euch das an!« Er zeichnete flink die Lage des Brennpunkts vom fünften Beben ein, das die Natur selbst ausgelöst hatte und dazu die Punkte der vier künstlichen. »Schaut doch!« Rote Kreuze bezeichneten das Zentrum eines jeden Bebens, zwischen ihnen lag eine gepunktete rote Linie. »Dieses fünfte Beben ist gar nicht so schlecht. Das baut die Spannungen ab, vorausgesetzt allerdings, daß die nächsten Explosionen rechtzeitig erfolgen. Der MOLE muß sofort wieder hinausgehen. Wir haben kaum eine Stunde Zeit, um das nächste Beben auszulösen.«
Mein Onkel schob sich vom Kartentisch herab. »Ich bin soweit«, erklärte er heiser und klammerte sich an den nächsten Stuhl. »John, Gideon, kommt!«
Aber Lieutenant Tsuya schob ihn auf den nächsten Stuhl. »Sie gehen nirgendwohin Jetzt übernehmen wir die Sache«, erklärte er energisch.
»Sie?« Mein Onkel blinzelte noch etwas benommen. »Aber Sie wissen doch nichts davon. John und ich, wir beide haben jetzt genug Erfahrungen. Für alle anderen ist die Sache zu gefährlich.«
»Und für Sie ist es reiner Selbstmord!« rief der Lieutenant und pochte mit dem Stift auf die Karte. »Hier und hier und hier! Da müssen die drei nächsten Explosionen losgehen. Was müssen wir sonst noch wissen? Wir nehmen Bob mit, wenn er gehen will, und natürlich Gideon. Und dann brauchen wir noch einen.«
»Mich!« schrie ich sofort, doch im gleichen Moment trat auch Harley Danthorpe vor.
»Mich!« schrie auch er, dann schaute er mich an. »Jim, ich muß ganz einfach gehen, verstehst du?«
Für einen Augenblick war nur das Tropfen des Wassers, das Dröhnen der Pumpen und das gelegentliche Rieseln kleiner Steinchen zu hören. Wir alle dachten an die Reise, die der MOLE vor sich hatte; Meilen unter uns mußte es sich durch die Erdkruste fressen, unter ungeheurer Hitze und unvorstellbaren Drücken. Fünf Beben waren erfolgt. Drei lagen noch vor uns.
Diese drei mußten tiefer angelegt werden, wo der MOLE auch in größerer Gefahr schwebte, von rutschendem Gestein erdrückt oder vom geschmolzenen Magma verschluckt zu werden. Wieviele unserer Sonden implodierten doch bei siebzigtausend Fuß oder weniger! Und der MOLE mußte nun sehr viel tiefer hinab.
»Na, schön, wir nehmen euch beide mit«, erklärte Lieutenant Tsuya schließlich. »McKerrow, dir gehört wieder einmal die Station, und du kümmerst dich um die beiden Gentlemen. Sieh zu, daß sie ordentlich versorgt werden.«
»Danke schön«, brummte McKerrow. »Aber hör mal, warum sollten wir nicht zu sechst gehen? Eden und Koyetsu können sicher selbst zurechtkommen.«
»Das ist ein Befehl«, schnappte Tsuya. »Hier gibt es genug zu tun. Und jetzt ...« Er besah sich die schimmernde Nase des MOLEs mit dem ortholythischen Werkzeug. »Wir legen ab.«
Mit dem Beladen waren wir schnell fertig und konnten an Bord gehen. Die Lautsprecher, die so lange geschwiegen hatten, husteten und krächzten und gaben Warnungen aus. Es klang schlimm, obwohl der Sprecher nicht viel wissen konnte. Er berichtete von neuen Spalten in den Drainagetunnels, daß sich die Becken schneller füllten, als die Pumpen sie entleeren konnten; Pläne wurden gemacht, um die ganze Kuppel zu evakuieren. Aber in der Stimme des Ansagers lag viel größere Sorge als in seinen Worten, und den Grund kannte ich. Edenit war eine mächtige Panzerung gegen den Druck des Ozeans, aber ohne Energie war dieser Panzer nicht mehr wert als eine Papierserviette. Ein Stromausfall lag immer im Bereich des Möglichen. Ein Mob im oberen Nordost-Oktanten hatte in die Plattformlifts einzudringen versucht, und dort hatte es Schwierigkeiten gegeben. Kampf: das bedeutete Waffengebrauch, und bei Feuergefechten waren die Generatoren gefährdet.
Wir hatten also keine Zeit zu verlieren!
Dr. Koyetsu und mein Onkel winkten, als sich über uns der Lukendeckel schloß. Wir waren von allen Geräuschen ausgeschlossen.
Es war recht eng in der winzigen Kabine. Gideon nahm seinen Platz an den Kontrollen ein, und wir schauten einander im trüben Flackerlicht an; das war alles, was wir an Licht hatten. Beschichtung und Drillelemente fraßen ungeheuer viel Strom, und für andere Zwecke blieb nicht viel übrig.
»Ab!« befahl Lieutenant Tsuya.
Gideon nickte. Einen Augenblick lang schwebten seine Finger über den Knöpfen, dann drückte er vier sehr schnell nacheinander.