Die Edenit-Beschichtung pulste hell, die ortholytischen Elemente begannen sich zu drehen. Der MOLE schüttelte sich, schien sich einzustemmen und bewegte sich.
Der Lärm war so, wie man sich das Heulen eines riesigen Dinosauriers vorstellt, der einen Felsen zermalmt. Selbst im Innern des MOLE s war er betäubend. Der gewaltige Maulwurf krabbelte rückwärts aus dem Loch heraus, das er in die Mauern der Station K gefressen hatte.
Wir waren auf dem Weg in die Eingeweide der Erde!
19. Steinseen
»Schneller, Park!« brüllte Lieutenant Tsuya über den unbeschreiblichen Krach. »Wenn es was nützen soll, müssen wir in fünfzig Minuten unten an der Falte sein!«
»Aye, aye, Sir!« brüllte Gideon zurück und blinzelte mir zu. Er genoß die Sache, trotz der Widerwärtigkeiten und Gefahren. Mir fiel ein, wie er mich aus den Abwassern von Marinia gefischt hatte und welche Abenteuer wir danach bestehen mußten. Gefahr? Für Gideon war sie ein Aufmunterungsmittel.
Uns allen machte das Bewußtsein der Gefahr nichts aus. Wir konnten handeln, wir kämpften. Nur Harley Danthorpe schwieg und schien sich Sorgen zu machen.
Mir fiel seine tragische Miene ein, als er zur Station K zurückkehrte, nachdem er Vater Tide zum Tiefsee-Kai gebracht hatte. In diesem Moment war der MOLE durch die Mauer gebrochen, und da hatte ich nicht viel Gelegenheit gehabt, Harley zu studieren. Aber etwas stimmte hier ganz und gar nicht.
Ich stemmte mich gegen das Schaukeln des Schiffes ein, das sich durch den Fels fraß, und ging zu ihm. Doch auch dafür blieb keine Zeit, denn Gideon Park befahclass="underline" »Die Zünder bereitmachen zum Ablegen! Dieser alte Eimer hat schon zuviel hinter sich. Sobald wir sie ausgelegt haben, müssen wir schleunigst von hier weg.«
Die nächste Zeit konnte ich also nicht mit ihm reden. Jede goldene Kugel mußte sehr sorgfältig im Entladeport ausgelegt werden. Das war so ähnlich wie eine pneumatische Torpedoröhre der alten U-Boote, hier natürlich mit Edenit verkleidet. Diese Ports waren allerdings dazu bestimmt, ihre Last im Gestein abzulegen, nicht im Wasser. Jede Torpedoröhre hatte ein Schneidewerkzeug am äußeren Verschluß. Die Einstellung dieser Werkzeuge war überaus schwierig. Nur die tüchtigsten Mechaniker der Flotte wurden für diesen Job bestimmt. Aber außer uns war niemand da. Also mußten wir die Sache machen. Und das taten wir auch.
Damit war unsere Arbeit noch lange nicht zu Ende. Danach mußten ja die Zünder noch aktiviert werden. Die Edelstahlbänder, die sie umgaben, waren eine Art Spannvorrichtung. Durch die vielen Jahre im Wasser hatten die Instrumente natürlich gelitten und waren nicht gerade leicht einzustellen. Jedes dieser Bänder mußte so gespannt werden, daß innen ein Sicherheitsstift eingedrückt wurde. Solange eine bestimmte Stelle dieses Bandes auch nur den Bruchteil eines Millimeters von diesem Sicherheitsstift entfernt war, konnte nichts passieren; da konnten wir sie in den heißen Fels werfen, so weit wir nur wollten. Nur ein unwahrscheinlicher Zufall konnte sie zur Explosion bringen.
Das genügte aber nicht. Man mußte diesen Sicherheitsstift eindrücken ... Die Möglichkeit bestand natürlich, daß uns ein solches Ding, das durch das lange Liegen im Wasser gelitten haben konnte, vorzeitig losging, uns sozusagen mitten ins Gesicht.
Selbstverständlich wäre dies das Ende des MOLEs und unser eigenes.
Doch dies geschah nicht. Zwei der Kugeln waren zu sehr beschädigt, diese Stahlbänder ließen sich nicht mehr bewegen. Gideons Gesicht wurde immer länger, als er sah, daß wir zwei ausscheiden mußten. Zwei waren an Ort und Stelle, zwei hatten wir noch, und wenn die auch schadhaft waren ...
Sie waren es nicht. Die benötigten Kugeln brachten wir in Stellung, genau zwei Minuten, bevor Gideon berichtete, wir seien nun exakt im Brennpunkt des nächsten Bebens.
Der MOLE bockte ein wenig, röhrte und ging kreischend durch das Gestein.
»Zünder ab!« röhrte Gideon. Lieutenant Tsuya zeigte weiße Linien der Anstrengung um seinen Mund; er drückte auf das Auslöseventil. Im Port surrte der ortholythische Drill mit höchster Geschwindigkeit, dann ratterte Metall an den Fels, als der Port sich öffnete .
Und unsere erste kleine Atombombe war draußen.
Der MOLE hatte mit der neuen Crew das erste Ei gelegt. Zwei blieben noch.
Vierzehn Minuten später, genau nach Plan, wurde unser kleines Schiff ordentlich durchgeschüttelt, und das Dröhnen sprengte uns fast die Trommelfelle, als wir durch den Fels flohen. Der MOLE war wie ein riesiges Tier, das sich mit unglaublicher Geschwindigkeit durch den härtesten Fels wühlte. Einmal flackerten die Lichter, gingen aus und kamen wieder zurück; sie waren viel schwächer als vorher. Einmal setzte der Drill für einen Sekundenbruchteil aus. Uns blieb auch fast das Herz stehen, denn wenn er nicht weiterging, waren wir unten im Fels begraben, und nichts konnte uns herausholen. Aber er fing sich wieder, und der MOLE war stark genug, auch die Schockwelle zu überleben.
»He, das war aber knapp!« schrie Gideon und lachte breit. »Beim nächsten Ding lassen wir uns ein bißchen mehr Zeit mit dem Zünder.«
»Ausgeschlossen«, wandte Lieutenant Tsuya sofort ein. »Wir können die Abschußports nicht mehr öffnen, also muß die Einstellung so bleiben, wie sie ist.«
Da sah ich, daß Gideon ihn anlachte, und einen Augenblick später lachte Tsuya auch. »Ich dachte schon, Sie meinen das ernst«, entschuldigte er sich.
»Es könnte schon ernst werden«, meinte Gideon trocken und lauschte dem Lauf des Drills. Bob Eskow neben mir flüsterte mir zu: »Ich höre es auch. Eines der Drillelemente muß sich gelockert haben.«
Ja, es stimmte. Da war etwas, doch ich war kein Fachmann und konnte nichts bestimmen. Es war nur eine Unebenheit im Lauf, fast so, wie wenn bei einem Verbrennungsmotor ein Zylinder nicht mehr ganz mittut. Der MOLE schien sich durch den Fels zu stottern, statt zu beißen.
Ich schaute Bob an. Er hob die Schultern. Wir sagten nichts. Tun konnten wir sowieso nichts.
Das zweite Ei ging nach Plan los, und die Explosion schüttelte uns ungefähr so wie die erste. Aber wir überlebten. Eigentlich erstaunlich, wenn man bedenkt, daß jeder dieser Zünder soviel Atomenergie freimachte, die genügte, eine ganze Stadt zu erschlagen. Aber selbst eine H-Bombe ist winzig im Vergleich zu den Energien, die bei einem Erdbeben freigesetzt werden. Die Explosion der Bomben wurde gemildert von Meilen soliden Gesteins zwischen ihnen und uns. Was uns gefährdete, war das von uns selbst ausgelöste Beben. Dagegen konnten wir nichts tun.
Lieutenant Tsuya nahm einen Bleistift und rechnete fieberhaft, aber er warf ihn dann bald weg. »Ich hatte gehofft, das letzte Beben würde vielleicht reichen, aber da bin ich nicht sicher«, erklärte er.
»Lieutenant, vertrauen Sie John Koyetsu!« rief Gideon durch den Lärm. »Wenn er sagt, wir brauchen acht Beben, dann brauchen wir sie auch.«
Sofort wurde Tsuya wieder ganz nüchtern. »Wenn man bedenkt«, seufzte er, »daß all dies rechtzeitig hätte getan werden können mit Extra-Mannschaften und zusätzlichen MOLEs -dieser elende Stadtrat! Ich bin ein friedlicher Mensch, aber denen wünsche ich, daß sie das kriegen was sie verdienen!«
»Sir«, ließ sich da Harley Danthorpe vernehmen, »Ihr Wunsch ging schon in Erfüllung. Sie haben es bekommen.«
Der Lieutenant drehte sich zu ihm um. »Wovon reden Sie da?«
Harley Danthorpes Gesicht zeigte kein Gefühl. »Genau das, was ich sagte, Sir«, erklärte er ruhig. »Sie bekamen das, was sie verdienten.« Einen Augenblick lang verzerrte sich sein Gesicht vor Bewegung, dann beruhigte es sich wieder. »Mein Vater und der Bürgermeister. Und drei oder vier vom Rat. Lieutenant, sie sind tot.
Erinnern Sie sich, wie Sie mich mit Vater Tide zum Kai schickten? Ich sah es, als ich dort war. Meines Vaters TiefseeJacht war dort, ein wunderschönes Spezialschiff, für das er eine halbe Million Dollar hingeblättert hatte. Es war sein ganzer Stolz. Er ließ es eben erst überholen. Als ich es sah, dachte ich, er hätte es den Leuten von Krakatau für die Evakuierung zur Verfügung gestellt. Aber das war ganz und gar nicht der Fall.«