»Die Tiefsee-Flotte«, sagte der Kommandant im Ton einer Vorlesung, »war ursprünglich dazu bestimmt, die amerikanischen Interessen unter der See zu schützen. Das war vor der Zeit, da die Waffen der Welt direkt der Aufsicht der Vereinten Nationen unterstellt wurden. Wir hielten Ausschau nach amerikanischen Städten, amerikanischen Minen, nach amerikanischen Schiffen. Das ist auch jetzt noch ein wichtiger Teil unserer Pflichten. Aber die Tiefsee-Flotte hat jetzt wesentlich größere Aufgaben.
Unsere Feinde unten in den Tiefen sind heutzutage selten Menschen. Es ist sogar eine Tatsache, daß die alte Institution Krieg in den Tiefen ertrank. Für jeden ist da Platz und Reichtum genug.
Um beides zu gewinnen, ist enge Zusammenarbeit nötig. Edenit war eine amerikanische Erfindung ...« Bildete ich mir das nur ein, oder schaute er mich wirklich dabei an? »Aber die Briten entwickelten die Techniken der Tiefsee-Farmen. Der ortholytische Drill war ursprünglich eine deutsche Idee. Die Japaner waren und sind die Pioniere in der Vorhersage von Seebeben.
Alle Menschen kämpfen geschlossen gegen die Unbilden der See.«
Er machte eine Pause und schaute uns nacheinander an.
»Die Gezeiten warten nicht!« Seine Stimme tönte laut, als er das Motto der Akademie aussprach. »Das heißt, daß die Tiefsee-Flotte nicht in der Vergangenheit lebt. Wir erkennen die Tatsache ständiger Veränderungen an. Wir bedienen uns schnell und gründlich der neuen Technologien.«
»Gentlemen«, sagte er mit seiner kalten Kommandostimme, »auf der Grundlage Ihrer ungewöhnlichen Fähigkeiten, die sich in zahlreichen psychologischen Tests und Ihren sonstigen Leistungen hier an der Akademie bewiesen haben, wurden Sie für eine Mission ausgewählt, welche die Anwendung eines solchen neuen Feldes wissenschaftlicher Entwicklung vorsieht.
Sie werden hiermit zu einem Sonderauftrag abgestellt.
Heute um 21 Uhr werden sie zum Abflug bereit sein. Sie reisen über New York und Singapur nach Krakatau Dome. Dort melden Sie sich beim kommandierenden Offizier der Flottenbasis für einen Spezialtrainingsauftrag.
Gentlemen, Sie sind hiermit entlassen.«
Wir salutierten, machten kehrt und marschierten hinaus.
»Ich hab’s euch doch gesagt«, zischte Harley Danthorpe, als wir das Büro des Kommandanten verlassen hatten. »Ich hab’ doch den Draht nach drinnen.«
Aber nicht einmal Danthorpe konnte uns sagen, wie dieses Spezialtraining aussehen sollte.
4. Die Seebeben-Stadt
Wir holten die Sonne ein. Sie stand noch eine knappe Stunde über dem Horizont, als das letzte Flugzeug unserer Reise den Donner der Jets mäßigte, die Bremsklappen ausfuhr und über den »Landebahnen« der See über Krakatau Dome einschwebte.
Das Flugzeug setzte ziemlich hart auf den kurzen Wellen auf; elektrostatische sogenannte Beruhiger hatten zwischen den Bojen, die unseren Landeplatz markierten, die hohen Wellen »ausgebügelt«. Aber unser Pilot hatte den ersten Kontakt genau im richtigen Moment gemacht. Wir hüpften nur ein einziges-mal, dann lagen wir ganz ruhig da. Einen Augenblick später hatten wir an dem hellerleuchteten X-förmigen Bau festgemacht, der über der Kuppel schwamm, über der mit Edenit beschichteten Stadt, die drei Meilen unter uns lag.
»Wir sind da, Männer. Fertigmachen zum Verlassen der Maschine!«
Eskow schaute mich an und runzelte die Brauen, doch ich schüttelte den Kopf. Danthorpes Name kam alphabetisch vor dem unseren, stand also auch so in unserem Marschbefehl. Er war also auch der Meinung, daß er damit so etwas wie eine Führerrolle hatte. Bob ärgerte sich darüber. Nun ja, genau besehen mußte ja einer von uns irgendwie die Führung übernehmen, und tat Danthorpe dies aus eigener Machtvollkom-menheit, so war er auch derjenige, der die Verbindung herstellen, Zollfragen regeln und ähnliche Dinge erledigen mußte. Wir standen also auf, holten unsere Siebensachen zusammen und stiegen vom Übersee-Jet hinüber zur Landeplattform.
Es war ein riesenhaftes Schwimmdock, jedes Bein hatte eine Länge von mindestens tausend Fuß. Im Notfall konnte jedes Flugzeug dort landen, wenn die See auch für die Beruhiger zu rauh war. Dieses Dock lag zweihundert Fuß über der Wasserlinie, die Kiele der Schwimmer zweihundert Fuß darunter. Es war eine kleine Stadt für sich selbst.
Und doch war es im Grund genommen nur eine Vordertür und eine Luftröhre für die Tiefsee-Stadt. Die Plattform war so etwas wie ein Schnorchel mit ganz speziellen flexiblen Zuleitungen, die selbstverständlich alle mit Edenit beschichtet waren. Damit wurde reine Luft zugeführt, die verbrauchte Luft abgeblasen. Ältere Städte mußten mit einem großen LuftRegenerationsapparat auskommen. Hier, in Krakatau Dome wurde von der Oberfläche her Frischluft hinuntergepumpt. Wir kletterten an den Gebläsen vorbei, die verbrauchte Luft aus fünfzehntausend Fuß Tiefe abgaben, und sie war kalt, feucht und roch nicht besonders gut, war natürlich auch mit den Abgasen der Tiefsee-Industrie beladen. Dort unten in den Kuppelstädten lebten die Menschen sehr dicht zusammengedrängt. Wir kannten den Geruch schon und schauten einander an.
»Allez hopp, ihr zwei!« rief Harley Danthorpe und führte uns aus dem betriebsamen Terminal hinaus zu den magnetischen Elevatoren, die drei Meilen hinabführten. Die Tür schloß sich, es machte wusch! und dann fiel der Boden des Lifts unter unseren Füßen weg. So fühlte es sich wenigstens an.
Eskow und ich griffen instinktiv nach einem Halt. Harley Danthorpe lachte schallend darüber. »Ihr Landratten!« röhrte er. »Solltet ihr euch nicht doch besser auf den Füßen halten? Wenn euch schon ein solcher Elevator Angst einjagt, was tut ihr denn dann, wenn es zu einem Seebeben kommt?«
Eskow war blaß, aber nicht um eine Antwort verlegen. »Wir sehen dann schon, was passiert, Danthorpe. Wenn du’s durchstehst - Eden und ich, wir zwei können es, das ist sicher.«
Mit weichen Knien verließen wir den Elevator, und sofort befanden wir uns in einer anderen Welt.
Drei Meilen unter der Oberfläche des Ozeans! Der blaue Himmel war weg, und der herrliche Seewind auch. Über unseren Köpfen rollten fünfzehntausend Fuß Indischer Ozean, und wo die Sonne stand, spielte jetzt keine Rolle mehr.
»Allez hopp!« schrie Danthorpe und marschierte uns voran von der Elevatorstation zu den Ausgängen ganz oben in der Kuppel, auf der obersten Ebene. Über Gleitrampen, Lifts und durch Gänge führte er uns hinab in das pulsende, geschäftige Herz von Krakatau Dome. Die Flottenbasis lag auf der Dockebene, also ganz unten, am äußersten Rand der Kuppel. Um sie zu erreichen, mußten wir die Kuppel in ihrer ganzen Höhe durchmessen. Harley schien sich ein besonderes Vergnügen daraus zu machen, den längsten Weg zu nehmen.
Wir sahen auch die großen Terrassenebenen, wo tatsächlich Bäume und Gras wuchsen, natürlich dünn und blaß im Troyon-Licht der Tiefsee-Städte, aber doch ein Symbol von Reichtum und Luxus für die reichen Krakatauer, die sich hier ein Heim geschaffen hatten. Wir spähten durch winzige Sichtluken hinaus auf den hell erleuchteten Seeboden, der die Kuppel umgab. Blasse, schwankende Stengel der Tiefsee-Vegetation wiegten sich in der Strömung. Wir kamen durch die Finanzebene, das Handelsgebiet für Erze und andere Produkte des Meeresboden, und hier herrschte hektischer Betrieb. Auch die Börse, die Versicherungen und die Finanzierungsbüros, durch die viele große Geschäfte finanziert wurden, befanden sich hier. »Seht ihr das?« schrie Harley Danthorpe. »Idee von meinem Dad!«
Wir schauten uns um, denn wir standen vor dem Eingang zur Börse von Krakatau, einem Gebäude mit dicken Säulen, das geformt war wir ein aufgestelltes Tiefsee-Schiffsgeschwader, und die hohen Rümpfe glühten in einem Feuer, das wie schimmerndes Edenit aussah.
»Mein Dad gehört zu den Gründungsmitgliedern«, erklärte uns Harley stolz. »Er hat diese Börse hier entworfen.«
»Das ist aber hübsch«, sagte Bob, doch ich bezweifle, daß er dies ernst gemeint hatte.