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Das Geheimnis, wie diese Tiere sich gerade dorthin verirrt hatten, war jedenfalls nicht größer als das Glück, das die beiden Jäger verfolgte. Denn noch ehe der erfolgreiche Tag zu Ende gegangen war, stießen sie auf ein Lager mit einigen ausgehungerten Indianerfamilien, die ihnen berichteten, daß sie seit drei Tagen kein Wild gesehen hätten. Kid und Kurz gaben ihnen Fleisch im Tausch gegen einige halbverhungerte Hunde. Nachdem sie die Tiere dann eine Woche lang tüchtig aufgefüttert hatten, spannten sie sie vor den Schlitten und fuhren das Fleisch auf den sehr aufnahmefähigen Dawsoner Markt.

Jetzt handelte es sich für die beiden Männer darum, ihren Goldstaub in Lebensmittel zu verwandeln.

Der augenblickliche Preis für Mehl und Bohnen betrug anderthalb Dollar das Pfund, aber die Schwierigkeit bestand darin, daß niemand verkaufen wollte. Dawson lag eben in den ersten Wehen einer Hungersnot.

Hunderte von Männern, die Geld, aber keine Lebensmittel besaßen, hatten das Land verlassen müssen. Viele von ihnen waren, solange das Wasser noch offen war, den Fluß hinabgezogen, und noch mehr waren die sechshundert Meilen über das Eis nach Dyea gewandert, obgleich sie kaum Lebensmittel genug für die Wanderung bei sich hatten.

Kid und Kurz trafen sich in der warmen Kneipe. Kid bemerkte gleich, daß sein Kamerad blendender Laune war.

«Das Leben ist wahrhaftig kein Festessen, wenn man nicht wenigstens Whisky und etwas Süßes dazu hat«, lautete Kurz' Gruß, während er ganze Eisklumpen aus seinem Schnurrbart zog, der langsam aufzutauen begann. Man hörte die Eisklumpen auf den Boden prasseln, wenn er sie wegschleuderte.

«Ich habe eben in diesem heiligen Augenblick achtzehn Pfund Zucker gekauft! Der Esel verlangte nur drei Dollar das Pfund. Und wie ist es dir ergangen?«

«Ich war auch nicht faul«, antwortete Kid stolz.»Ich habe fünfzig Pfund Mehl bekommen. Und am Adamsbach wohnt ein Mann, der hat mir versprochen, mir morgen noch fünfzig Pfund zu geben.«

«Großartig! Wir werden schon durchhalten, bis die Flüsse wieder eisfrei werden. Sag mal, Kid, die Hunde, die wir da gekriegt haben, sind nicht ohne, weißt du! Ein Hundehändler hat mir schon zweihundert Dollar das Stück geboten — er wollte fünf haben. Aber ich habe flott abgelehnt. Sie haben sich ja auch fein herausgemacht, als wir sie mit dem Elchfleisch fütterten. Es ist freilich schon eine tolle Sache, Hunde mit Lebensmitteln zu füttern, die zweieinhalb Dollar das Pfund kosten. Komm, nimm noch ein Glas! Wir müssen wirklich unsere achtzehn Pfund Zucker feiern und einen heben!«

Als er einige Minuten später Goldstaub für die Getränke abwog, fiel ihm etwas ein.

«Donnerwetter, da hatte ich fast vergessen, daß ich noch einen Mann im "Tivoli" treffen soll. Er hat etwas verdorbenen Speck, den er uns für anderthalb Dollar das Pfund ablassen will. Den können wir den Hunden zu fressen geben und damit einen ganzen Dollar pro Tag und Stück sparen.«

«Auf Wiedersehen also«, sagte Kid.»Ich geh' nach Haus und leg' mich schlafen.«

Kaum hatte Kurz das Zimmer verlassen, als ein pelzbekleideter Mann durch die doppelte Tür und den Windschutz hereinschlüpfte. Sein Gesicht erhellte sich sichtlich, als er Kid sah. Der erkannte sofort Breck, den Mann, dessen Boot er und Kurz durch den» Büchsen-Cañon «und das» Weiße Roß«gefahren hatten.

«Ich hab' gehört, daß Sie in der Stadt sind«, sagte Breck hastig, während sie sich die Hände schüttelten.»Ich suche Sie schon eine halbe Stunde. Kommen Sie mit hinaus. Ich möchte gern mit Ihnen sprechen.«

Kid warf dem summenden, rotglühenden Ofen einen sehnsüchtigen Blick zu.

«Geht's nicht hier?«

«Unmöglich. Ist viel zu wichtig. Kommen Sie mit hinaus.«

Draußen zog Kid sich einen Handschuh aus, zündete ein Streichholz an und sah nach dem Thermometer, das neben der Tür hing. Die Hand schmerzte in der schneidenden Kälte, und er zog den Handschuh schnell wieder an. Über ihren Häuptern stand der flammende Bogen des Nordlichts. Ganz Dawson hallte wider von dem melancholischen Geheul der vielen Tausende von Wolfshunden.

«Wie stand es?«fragte Breck.

«Unter sechzig. «Kid spie versuchsweise aus, und der Speichel knisterte in der eisigen Luft.»Und ich glaube, es wird noch mehr fallen, es fällt ja unaufhörlich. Vor einer Stunde stand es erst auf zweiundfünfzig. Jetzt dürfen Sie mir aber nichts von einem neuen Goldfund erzählen.«

«Aber das ist es ja eben«, flüsterte Breck vorsichtig. Er warf ängstliche Blicke nach allen Seiten, aus Furcht, daß jemand in der Nähe war und lauschte.»Sie kennen doch den Squawbach, nicht wahr? Er mündet drüben in den Yukon, dreißig Meilen weiter aufwärts.«

«Da ist nichts zu machen«, sagte Kid.»Den hat man schon vor vielen Jahren untersucht.«

«Das hat man auch mit all den andern reichen Bächen gemacht. Hören Sie jetzt mal her! Es ist eine Menge Gold da. Und es sind nur zweiundzwanzig Fuß bis zum Felsgrund. Es wird kein Claim geben, das nicht mindestens eine halbe Million wert ist. Es ist noch ein großes Geheimnis. Zwei oder drei von meinen intimsten Freunden haben mich eingeweiht. Ich sagte gleich zu meiner Frau, daß ich Sie aufsuchen wollte, bevor ich losging. Also, bis auf dahin! — Mein Gepäck liegt am Ufer versteckt. Die es mir erzählt haben, nahmen mir das Versprechen ab, erst gegen Abend loszugehen, wenn ganz Dawson schläft. Sie wissen ja selbst, was es heißt, wenn man Sie mit der ganzen Goldgräberausrüstung unterwegs sieht. Holen Sie jetzt Ihren Kameraden und kommen Sie mir nach! Sie werden sicher das vierte oder fünfte Claim neben dem des Finders kriegen können. Vergessen Sie nicht: am Squawbach! Es ist das dritte, wenn Sie am Schwedenbach vorbei sind.«

Als Kid die kleine Hütte auf der Anhöhe hinter Dawson betrat, hörte er das vertraute Schnarchen seines Kameraden.

«Ach, geh zu Bett«, murmelte Kurz, als Kid ihn an der Schulter rüttelte.

«Ich habe keine Nachtwache heute«, knurrte er weiter, als die Hand ihn immer kräftiger schüttelte.»Vertrau deine Sorgen dem Barmixer an.«

«Zieh dich schnell an«, sagte Kid,»wir müssen ein paar Claims abstecken.«

Kurz setzte sich im Bett auf und wollte einige energische Ausdrücke vom Stapel lassen, als ihm Kid die Hand vor den Mund hielt.

«Pst!«warnte Kid.»Es ist eine ganz große Sache. Weck nicht die Nachbarschaft. Dawson schläft noch.«

«Nanu, das wirst du mir erst beweisen müssen. Selbstverständlich erzählt keiner einem was von einem großen Goldfund! Oh, sie machen immer alle ein furchtbares Geheimnis daraus, aber eben deshalb ist es verblüffend, daß sie alle hinlaufen.«

«Es handelt sich um den Squawbach«, flüsterte Kid.»Es ist alles in Ordnung: Breck hat mir den Tip gegeben. Der Bach ist ganz seicht. Von den Graswurzeln abwärts ist alles Gold. Komm jetzt. Wir machen uns ein paar ganz leichte Pakete und türmen dann sofort.«

Kurz schloß wieder die Augen und legte sich ruhig ins Bett zurück. Im nächsten Augenblick hatte Kid ihm die Decken weggerissen.

«Wenn du das Gold nicht haben willst, dann will ich es«, erklärte Kid entrüstet.

Kurz stand auf und begann sich anzuziehen.

«Wollen wir die Hunde mitnehmen?«fragte er.

«Nein, am Bach gibt es sicher keinen festgetretenen Weg, und wir kommen deshalb schneller ohne sie hin.«