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Sonst war auf eine Meile im Umkreis nichts zu sehen, das sich regte.

«Das sind die Anführer der ganzen Kolonne«, sagte Kid, als es wieder dunkel wurde.»Los, daß wir sie kriegen!«

Als sie noch eine halbe Stunde gegangen waren, ohne sie einzuholen, begann Kurz zu laufen.

«Wenn wir sie auch erreichen, werden wir sie doch nie überholen«, erklärte er.»Donnerwetter, was für ein Tempo! Ich halte Dollars gegen Pfeffernüsse, daß das keine Chechaquos sind. Die sind vom richtigen alten Sauerteig, darauf kannst du dich in die Nase beißen.«

Als sie endlich die beiden erreichten, hatte Kid die Führung, und er freute sich aufrichtig, als er etwas langsamer gehen konnte, um Schritt mit ihnen zu halten. Er hatte gleich den Eindruck, daß die Person, die ihm am nächsten schritt, eine Frau war. Wie er zu dieser Überzeugung kam, konnte er freilich nicht sagen. Eingehüllt in Kopftuch und Pelzwerk, sah die Gestalt aus wie jede andere, aber es war etwas an ihr, das ihm bekannt vorkam, und er konnte dieses Gefühl nicht abschütteln. Er wartete den nächsten Lichtstreifen des Nordlichts ab, und bei diesem Schein sah er, wie klein die Füße waren. Aber er sah noch mehr — nämlich den Gang. Und er war sich gleich darüber klar, daß es der unverkennbare Gang war, von dem er einst festgestellt hatte, daß er ihn nie vergessen würde.

«Die marschiert aber gut«, vertraute Kurz ihm mit heiserem Flüstern an.»Ich wette, sie ist eine Indianerin.«

«Wie geht es Ihnen, Fräulein Gastell?«begrüßte Kid sie.

«Danke, und Ihnen?«antwortete sie und wandte schnell den Kopf, um ihn zu sehen.»Es ist leider noch zu dunkel, um richtig sehen zu können. Wer sind Sie?«

«Alaska-Kid.«

Sie lachte in die kalte Luft hinaus, und ihm schien, daß er noch nie in seinem Leben ein so herrliches Lachen gehört hätte.

«Und sind Sie schon verheiratet und haben all die Kinder bekommen, von denen Sie mir so Interessantes erzählten?«Bevor er antworten konnte, fuhr sie fort:»Wie viele Chechaquos sind noch hinter Ihnen her?«

«Einige Tausend, glaube ich. Wir haben über dreihundert überholt. Und sie verlieren keine Zeit unterwegs.«

«Es ist die alte Geschichte«, sagte sie bitter.»Die Neuankömmlinge belegen die reichen Claims an den Bächen, und die Alten, die gedarbt und gelitten und das ganze Land zu dem gemacht haben, was es ist, bekommen nichts. Die Alten sind es, die diese Goldlager am Squawbach gefunden haben; es ist mir unbegreiflich, wie es durchgesickert ist, und sie hatten den alten Leuten am Löwensee Bescheid gegeben. Aber der liegt zehn Meilen hinter Dawson, und wenn sie kommen, werden sie entdecken, daß der Bach bis zu den Wolken voller Pfähle ist — und alles von diesen Chechaquos. Es ist nicht recht, und es ist nicht schön, daß das Glück so verrückt handelt.«

«Es ist sehr traurig«, sagte Kid,»aber ich will mich hängen lassen, wenn ich ausrechnen kann, was dagegen zu machen ist. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.«

«Ich möchte gern etwas dagegen machen«, rief sie mit flammenden Augen.»Ich sähe am liebsten, wenn sie alle unterwegs erfrören oder ihnen sonst etwas Schreckliches geschähe, jedenfalls bis die Leute vom Löwensee da sind.«

«Sie meinen es offenbar sehr gut mit uns«, lachte Kid.

«So ist es nicht gemeint«, sagte sie schnell.»Aber von den Leuten vom Löwensee kenne ich jeden einzelnen, und ich weiß, daß es Männer sind. Sie haben in den guten alten Tagen in diesem Lande gehungert und haben wie die Titanen geschuftet, um etwas daraus zu machen. Ich habe selbst damals die schweren Tage mit ihnen am Koyokuk erlebt, als ich noch ein kleines Mädchen war. Und habe mit ihnen die Hungersnot am Birkenbach durchgemacht und die andere Hungersnot bei den "Vierzig Meilen". Sie sind Helden, die eine Belohnung verdienen, und doch kommen Tausende von Grünschnäbeln hierher, die gar nicht das Recht auf die Felder haben, und sind den Alten um viele Meilen voraus. Und jetzt müssen Sie mir meine lange Tirade verzeihen. Ich will lieber meine Lunge schonen, denn ich weiß ja nicht, ob nicht Sie oder die andern versuchen wollen, Papa und mich zu überholen.«

Für eine Stunde wurden keine Worte mehr zwischen Joy und Kid gewechselt, aber er bemerkte, daß sie und ihr Vater eine Zeitlang leise miteinander sprachen.

«Ich weiß jetzt, wer das ist«, erzählte Kurz Kid.»Es ist der alte Louis Gastell, einer von den Besten unter den "Alten". Das Mädel muß sein Fohlen sein. Es ist so lange her, daß er ins Land kam, daß keiner sich mehr erinnert, und er brachte das Töchterchen als Wickelkind mit. Er und Beetles sind Kompagnons gewesen; sie hatten den ersten lausig kleinen Dampfer, der bis zum Koyokuk fuhr.«

«Wir wollen doch lieber nicht versuchen, sie zu überholen«, sagte Kid.»Wir sind ja doch an der Spitze der ganzen Prozession; es sind nur noch vier vor uns.«

Kurz erklärte sich einverstanden, und es folgte wieder eine Stunde tiefen Schweigens, während sie unermüdlich weiterliefen.

Gegen sieben wurde die Dunkelheit von einem letzten Aufflackern des Nordlichts erhellt, und sie sahen im Westen eine breite Öffnung in den schneebedeckten Bergen.

«Der Squawbach!«rief Joy aus.

«Wir sind auch tüchtig gelaufen«, antwortete Kurz begeistert.»Meiner Berechnung nach hätten wir erst in einer halben Stunde dasein sollen. Ich muß meine Beine gründlich gebraucht haben.«

An dieser Stelle bog der Weg von Dyea, der an vielen Stellen vom Packeis versperrt wurde, scharf über den Yukon nach dem östlichen Ufer ab. Und hier mußten sie den festgetretenen, allgemein benutzten Weg verlassen, über das Packeis klettern und einer schmalen Fährte folgen, die nur wenig gebraucht war und nach dem Westufer hinüberführte.

Louis Gastell, der an der Spitze ging, strauchelte im Dunkel auf dem glatten Eis. Er setzte sich und hielt seinen Fuß mit beiden Händen. Dann gelang es ihm, wieder auf die Beine zu kommen, aber er blieb zurück, und man sah deutlich, daß er hinkte. Nach einigen Minuten blieb er stehen.

«Es hat keinen Zweck«, sagte er zu seiner Tochter.»Ich habe mir den Fuß verstaucht. Du mußt vorausgehen und für mich und dich je ein Claim abstecken.«

«Können wir nichts dabei machen?«fragte Kid.

Louis Gasteil schüttelte den Kopf.

«Sie kann ebensogut zwei Claims abstecken wie einen. Ich werde langsam ans Ufer kriechen, mir dort ein Feuer machen und einen Verband um den Fuß legen. Es wird schon wieder in Ordnung kommen. Nur los, Joy, nimm für uns die Claims oberhalb des Finderclaims. Es wird reicher nach oben.«

«Hier ist etwas Birkenrinde«, sagte Kid und teilte seinen Vorrat.»Wir werden uns Ihrer Tochter annehmen.«

Louis Gastell lachte barsch.

«Schönen Dank«, sagte er.»Aber sie kann selbst für sich sorgen. Folgen Sie ihr nur und achten Sie darauf, was sie tut…«

«Haben Sie etwas dagegen, daß ich die Führung übernehme?«fragte sie und begab sich an die Spitze.»Ich kenne dieses Land besser als Sie.«

«Übernehmen Sie nur die Führung«, antwortete Kid galant.»Ich bin auch ganz mit Ihnen einig. Es ist eine Schande, daß wir Chechaquos den Alten vom Löwensee zuvorkommen sollen.«

Sie schüttelte den Kopf.

«Wir können unsere Fährte nicht verlöschen. Sie werden uns nachlaufen wie die Schafe.«