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Eine Viertelstunde später bog sie in einem scharfen Winkel nach Westen ab. Kid bemerkte, daß sie jetzt über Schnee liefen, den bisher keiner betreten hatte; aber weder er noch Kurz bemerkten, daß die undeutliche Fährte, der sie bisher gefolgt waren, weiter nach Süden führte. Wenn sie gesehen hätten, was Louis Gastell tat, nachdem sie ihn verlassen hatten, würde sich die Geschichte Klondikes anders gestaltet haben. Denn dann hätten sie festgestellt, daß dieser erfahrene Mann der alten Tage nicht länger sitzen blieb, sondern ihnen, wie ein Spürhund mit der Nase auf der Fährte, nachging. Dann hätten sie auch gesehen, wie er den Weg, der sie nach Westen geführt hatte, deutlicher und breiter stampfte. Und endlich hätten sie auch bemerkt, daß er die alte undeutliche Fährte, die nach Süden ging, verwischte.

Eine Fährte führte den Bach hinauf, aber sie war so undeutlich, daß sie sie in der Dunkelheit immer wieder aus ihrer Sicht verloren. Nach einer Viertelstunde überließ Joy den Männern abwechselnd die Führung und das Bahnen des Weges durch den Schnee. Da sie aber nur langsam vorwärts kommen konnten, gelang es der ganzen Prozession von Läufern, sie einzuholen, und als es gegen neun Uhr hell wurde, sahen sie, so weit ihr Auge reichte, eine ununterbrochene Reihe von Männern. Joys dunkle Augen leuchteten bei diesem Anblick.

«Wie lange ist es her, seit wir den Bach hinaufzugehen begannen?«fragte sie.

«Zwei Stunden«, antwortete Kid.

«Und zwei Stunden zurück machen vier Stunden«, lachte sie.»Die Alten vom Löwensee sind gerettet.«

Ein leiser Verdacht schoß Kid durch den Kopf. Er blieb stehen und blickte sie an.

«Ich verstehe nicht«, sagte er.

«Natürlich nicht. Aber ich will es Ihnen erklären. Hier ist der Norwegenbach. Der Squawbach ist der nächste südlich von ihm.«

Kid war einen Augenblick sprachlos.

«Das haben Sie absichtlich getan?«fragte Kurz.

«Ich tat es, um den Alten eine Chance zu geben. «Sie lachte spöttisch.

Die beiden Männer grinsten sich zu und stimmten ihr schließlich bei.

«Ich würde Sie über mein Knie legen und Ihnen anständige Dresche geben, wenn die Frauen hierzulande nicht so selten wären«, versicherte Kurz.

«Ihr Vater hat sich also nicht den Fuß verstaucht, sondern nur gewartet, bis wir weg waren, um allein weiterzugehen?«fragte Kid. Sie nickte.

«Und Sie waren sein Lockvogel?«

Wieder nickte sie. Und diesmal klang Kids Lachen frei und echt. Es war das unwillkürliche Lachen eines Mannes, der seine Niederlage freimütig einräumt.

«Warum sind Sie uns nicht böse?«fragte sie reumütig.»Oder warum verdreschen Sie mich nicht?«

«Weißt du, Kid, wir können ja ebensogut umkehren«, schlug Kurz vor.»Ich fange an, kalte Füße zu bekommen.«

Kid schüttelte den Kopf.

«Das würde eine Verspätung von vier Stunden bedeuten. Wir sind jetzt, glaube ich, den Bach acht Meilen hinaufgegangen, und soviel ich sehen kann, macht der Norwegenbach einen weiten Bogen nach Süden. Wir wollen ihm ein Stück folgen, dann irgendwo hinuntergehen und den Squawbach oberhalb des Finderclaims erreichen. «Er sah Joy an.»Wollen Sie mit uns kommen? Ich sagte Ihrem Vater ja, daß wir uns um Sie kümmern würden.«

«Ich…«, sie zögerte.»Ich glaube, ich werde es tun, wenn Sie nichts dagegen haben. «Sie sah ihn fest und gerade an, und ihr Gesicht war weder herausfordernd noch spöttisch.»Sie sind schuld daran, Herr Kid, daß ich wirklich bereue, was ich getan habe. Aber einer mußte die Alten retten.«

«Ich habe den Eindruck, daß ein Wettrennen nach dem Golde seinen Hauptwert als sportliche Leistung hat.«

«Und ich habe den Eindruck, daß Sie beide sich glänzend damit abfinden«, fuhr sie fort. Dann fügte sie, mit einer Andeutung von einem Seufzer, hinzu:»Wie schade, daß Sie nicht zu den Alten gehören.«

Sie blieben noch zwei Stunden auf dem gefrorenen Flußbett des Norwegenbaches. Dann bogen sie auf einen schmalen, unebenen Nebenfluß ein, der nach Süden führte. Gegen Mittag überschritten sie die Wasserscheide. Wenn sie zurückblickten, sahen sie die lange Reihe der Wettläufer sich allmählich auflösen.

Hier und da zeigten Rauchsäulen, daß man im Begriff war, ein Lager aufzuschlagen.

Sie selbst hatten noch Schweres durchzumachen. Sie wateten bis zum Leib durch den Schnee und mußten immer wieder nach wenigen Metern haltmachen, um sich auszuruhen. Kurz war der erste, der eine Rast vorschlug.

«Wir sind jetzt über zwölf Stunden unterwegs«, sagte er.»Weißt du, Kid, ich gestehe ohne weiteres, daß ich müde bin. Und das bist du auch, mein Freund. Ich bin so frei zu behaupten, daß ich so zähe an der Fährte hänge wie ein hungriger Indianer, wenn ein großes Stück Bärenfleisch winkt. Aber das arme Mädchen hier kann sich nicht länger auf den Beinen halten, wenn es nichts in den Magen kriegt. Hier ist eben die richtige Stelle, um ein Feuer zu machen. Was meint ihr dazu?«

Sie schlugen das einfache Lager so schnell, geschickt und methodisch auf, das Joy, die sie mit eifersüchtigen Augen betrachtete, sich gestehen mußte, daß selbst die Alten es nicht besser hätten machen können.

Fichtenzweige, die sie auf dem Schnee ausbreiteten und auf die sie eine Decke legten, bildeten eine vorzügliche Unterlage, auf der sie sich ausruhen und ihre Tätigkeit als Köche ausüben konnten. Aber sie hielten sich vorsichtig vom Feuer fern, bis sie sich Nase und Kinn kräftig gerieben hatten.

Kid spie in die Luft, und das Knistern kam so prompt und kräftig, daß er den Kopf schüttelte.

«Ich gebe es auf«, sagte er.»Ich habe noch nie eine solche Kälte erlebt.«

«Einen Winter hatten wir am Koyokuk sechsundachtzig Grad Fahrenheit«, antwortete Joy.»Und jetzt sind es mindestens siebzig oder fünfundsiebzig, und ich weiß, daß ich mir leider die Backen erfroren habe. Sie brennen wie Feuer.«

Auf dem steilen Abhang der Wasserscheide lag kein Eis. Sie nahmen deshalb Schnee, der so fein, hart und kristallinisch wie Puderzucker war, und legten einige Handvoll davon in die Goldpfanne, bis sie Wasser genug hatten, um Kaffee zu kochen. Kid briet Speck und taute die Kekse auf. Kurz nahm sich der Heizung an und sorgte für das Feuer und Joy für das bescheidene Geschirr, das aus zwei Tellern, zwei Tassen, zwei Löffeln, einer Büchse mit gemischtem Pfeffer und Salz und einer andern mit Zucker bestand. Als sie dann aßen, benutzten Joy und Kid denselben Löffel. Sie aßen von demselben Teller und tranken aus derselben Tasse.

Es war schon fast zwei Uhr nachmittags, als sie den Rücken der Wasserscheide hinter sich hatten und einen Nebenfluß des Squawbaches hinabzugehen begannen. Früher im Winter hatte ein Elchjäger eine Fährte durch den Cañon hinterlassen — das heißt, er war beim Hin- und Zurückgehen immer wieder in seine eigenen Fußspuren getreten. Die Folge war, daß man mitten im Schnee eine Reihe von unregelmäßigen Klumpen sah, die durch später gefallenen Schnee halbwegs verdeckt waren. Wenn der Fuß nicht genau den festen Klumpen traf, sank er tief in den weichen losen Schnee, und man konnte das nur schwerlich vermeiden, um so mehr, als der Elchjäger ein ziemlich langbeiniger Herr gewesen zu sein schien. Joy, die jetzt sehr eifrig war, daß die beiden Männer ein paar Claims erhalten sollten, fürchtete, daß sie mit Rücksicht auf sie langsamer gehen würden. Sie verlangte deshalb, die Führung zu behalten. Die Schnelligkeit und die ganze Art, wie sie die schwierige Wanderung durchführte, fand Kurz' vorbehaltlosen Beifall.