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«Guck sie dir mal an«, rief er.»Piekfein ist sie! Das richtige rote Bärenfleisch! Sieh dir mal an, wie die Mokassins sausen. Da gibt's nichts mit hohen Absätzen, sie gebraucht die Beinchen, wie sie der liebe Herrgott geschaffen hat. Sie ist das richtige Frauchen für einen Bärenfänger.«

Sie warf ihm über die Schulter ein anerkennendes Lächeln zu, das auch Kid umfaßte. Und Kid fühlte zwar die offene Kameradschaft dieses Lächelns, hatte aber dabei doch die bittere Empfindung, daß es nicht nur eine Schicksalsgenossin, sondern auch ein Weib war, das ihm einen Teil dieses Lächelns schenkte.

Als sie das Ufer des Squawbaches erreichten und zurückblickten, sahen sie, wie der Zug der Wettläufer sich in unordentliche Reihen aufgelöst hatte, die im Begriff waren, sich über die Wasserscheide zu arbeiten.

Dann glitten sie den Hang hinab in das Flußbett. Der Bach, der bis zum Grunde gefroren war, hatte eine Breite von zwanzig bis dreißig Fuß und lief zwischen sechs bis acht Fuß hohen Wällen aus angeschwemmtem Lehm. Kein Fußtritt hatte je den Schnee, der auf dem Eis lag, beschmutzt, und sie wußten deshalb, daß sie jetzt oberhalb des Finderclaims und der letzten Pfähle der Leute vom Löwensee waren.

Die Quellen, die den meisten Flüssen Klondikes eigentümlich sind, gefrieren nicht einmal bei der niedrigsten Temperatur. Das Wasser kommt aus den Uferabhängen und bleibt in Pfützen stehen, die durch das Oberflächeneis und durch Schneefälle gegen die schlimmste Kälte geschützt werden. Es kommt deshalb vor, daß ein Mann, der durch tiefen Schnee watet, plötzlich durch eine Eisdecke von einem halben Zoll bricht und bis zu den Knien im Wasser steht. Und wenn er sich dann nicht gleich trockene Strümpfe anziehen kann, muß er binnen fünf Minuten seine Unbesonnenheit mit dem Verlust der Füße büßen.

Obgleich es erst gegen drei Uhr nachmittags war, hatte die graue Dämmerung der Arktis schon eingesetzt. Sie sahen sich nach dem Pfahl um, der ihnen das letzte abgezeichnete Claim kenntlich machen sollte. Joy, eifrig und impulsiv, wie sie war, entdeckte ihn zuerst. Sie eilte zu Kid und rief:»Hier ist jemand gewesen! Sehen Sie nur den Schnee! Schauen Sie schnell nach dem Zeichen… hier ist es. Sehen Sie die Fichte dort!«

Auf einmal versank sie bis zum Gürtel im Schnee.»O Gott, jetzt sitze ich drin«, sagte sie traurig. Dann nahm sie sich zusammen und rief schnelclass="underline" »Kommen Sie mir nicht nahe, ich werde hier durchwaten. «Schritt für Schritt kämpfte sie sich vorwärts, bis sie wieder festen Boden unter den Füßen hatte, aber es war schwer gewesen, denn immer wieder brach sie durch die dünne Eisdecke, die unter dem trockenen Schnee lag.

Kid wartete es aber nicht ab. Er sprang ans Ufer und holte welke, eingetrocknete Zweige und Reisig, die bei den Frühlingsüberschwemmungen im Busch aufgesammelt worden und hierhergetrieben waren, wo sie jetzt nur auf das Streichholz warteten. Als sie zu ihm kam, stoben schon die ersten Funken und Flammen aus dem brennenden Reisighaufen.

«Setzen Sie sich«, befahl er.

Sie setzte sich gehorsam in den Schnee. Er nahm seinen Rucksack ab und breitete eine Decke vor ihren Füßen aus.

Von oben hörten sie die Stimmen der Wettläufer, die ihnen gefolgt waren.

«Lassen Sie Kurz abstecken«, schlug sie vor.

«Geh, Kurz«, sagte Kid, als er ihre Mokassins, die schon ganz steif waren, in Angriff nahm.»Steck tausend Fuß ab und setz zwei Pfähle hinein. Die Eckpfähle können wir ja später stecken.«

Kid schnitt die Schnürsenkel und das Leder der Mokassins durch. Sie waren schon so steif geworden, daß sie krachend barsten, als er sie zerhackte und zerschnitt. Die Siwashsocken und die dicken wollenen Strümpfe waren feste Hülsen aus Eis. Es war, als ob ihre Füße und Fesseln in Behältern aus Wellblech steckten.

«Wie steht es mit Ihren Füßen?«fragte er.

«Ziemlich unempfindlich. Ich kann die Zehen weder fühlen noch bewegen. Aber es wird schon wieder werden. Das Feuer brennt ja herrlich. Passen Sie auf, daß Ihre eigenen Hände nicht dabei erfrieren. Sie müssen schon unempfindlich geworden sein, danach zu urteilen, wie Sie jetzt herumfummeln.«

Er zog sich die Handschuhe wieder an, und fast eine Minute lang schlug er aus aller Kraft die Hände gegen seine Seiten. Als er das Blut prickeln spürte, zog er die Handschuhe wieder aus und zerrte und riß, schnitt und sägte mit dem Messer an den gefrorenen Bekleidungsgegenständen Joys herum. Endlich kam die weiße Haut des einen Fußes zum Vorschein, dann die des andern, um der eisigen Kälte von siebzig Grad Fahrenheit unter Null ausgesetzt zu werden.

Dann wurden beide Füße mit Schnee gerieben, und zwar mit rücksichtsloser Kraft, bis Joy sich schließlich krümmte und wand und ihre Zehen bewegte, während sie glücklich klagte, daß es wieder weh tat. Halb zog er sie, halb schob sie selbst sich näher an das Feuer heran. Dann legte er ihre Füße auf eine Decke, ganz nahe an die heilbringenden Flammen.»Sie müssen noch eine Weile gut achtgeben«, sagte er.

Jetzt konnte sie auch ohne Gefahr ihre Fäustlinge ausziehen und sich selbst die Füße reiben, und das tat sie mit der Klugheit der Erfahrung, indem sie Sorge trug, daß die Hitze des Feuers nur langsam wirken konnte. Während sie das tat, nahm Kid seine eigenen Hände in Arbeit. Der Schnee schmolz weder, noch wurde er weich. Die feinen Kristalle waren wie ebenso viele Sandkörner.

Nur langsam begann das Stechen und Klopfen des Blutumlaufs in das erfrorene Fleisch zurückzukehren. Dann schürte Kid das Feuer, nahm Joy das leichte Bündel vom Rücken und holte eine ganz neue Garnitur Fußbekleidung heraus.

Kurz kehrte jetzt das Flußbett entlang zurück und kletterte den Uferhang herauf.

«Ich glaube sicher, daß ich gut tausend Fuß abgesteckt habe«, berichtete er.»Nummer siebenundzwanzig und achtundzwanzig, obgleich ich bei Nummer siebenundzwanzig nur den oberen Pfahl eingesteckt hatte, als ich schon den ersten von der ganzen Bande hinter uns traf. Er sagte mir direkt, daß ich Nummer achtundzwanzig nicht abstecken dürfe. Und ich erzählte ihm…«

«Ach ja, was sagten Sie ihm?«rief Joy eifrig.

«Ich erzählte ihm direkt, daß ich, wenn er nicht schleunigst fünfhundert Meter weiter hinaufginge, seine erfrorene Nase so lange bearbeiten würde, bis sie zu Vanilleeis mit Schokoladensoße geworden wäre. Da riß er aus, und ich habe zwei Claims von genau je fünfhundert Fuß abgezeichnet. Er steckte das nächste Claim ab, und ich denke, daß die übrige Rasselbande den ganzen Bach bis zu den Quellen und weiter auf der andern Seite abgesteckt hat. Unsere Claims sind jedenfalls gesichert. Es ist jetzt so dunkel, daß man nichts sehen kann, aber wir können die Eckpflöcke morgen stecken.«

Als sie am nächsten Morgen aufwachten, stellten sie fest, daß das Wetter während der Nacht völlig umgeschlagen war. Es war jetzt so milde, daß Kurz und Kid, während sie noch in ihren gemeinsamen Decken lagen, die Temperatur auf nur zwanzig Grad unter Null einschätzten. Die schlimmste Kälte schien überstanden. Auf ihren Decken lagen die glitzernden Eiskristalle sechs Zoll hoch.

«Guten Morgen! Wie geht es mit Ihren Füßen?«begrüßte Kid Joy Gastell über das Feuer hinweg, als sie den Schnee abschüttelte und sich in ihrem Schlafsack aufrichtete.

Kurz machte ein neues Feuer an und holte Eis vom Bach. Kid bereitete das Frühstück. Als sie die Mahlzeit beendet hatten, war es hell geworden.