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«He! Jetzt schnell in die herrlichen Lumpen!«Kurz betrachtete seinen Partner mit gespieltem Neid. Kid, der sich vergebens bemühte, die Druckfalten aus den Hosen, die er soeben angezogen hatte, zu entfernen, wurde ärgerlich.

«Für einen getragenen Anzug sitzt er gar nicht so schlecht!«fuhr Kurz fort.»Wieviel hat er eigentlich gekostet?«

«Hundertfünfzig — der ganze Anzug«, antwortete Kid.»Der Mann hatte fast genau meine Größe. Ich fand, daß es ein sehr vernünftiger Preis war. Warum meckerst du denn eigentlich?«

«Wer? Ich? Ach, gar nichts! Mir fiel nur ein, daß es wirklich einen großen Fortschritt für einen Bärenfleischliebhaber bedeutet, der im Packeis nach Dawson kam und damals nur eine Garnitur Unterzeug, ein Paar Mokassins und ein Paar Überziehhosen sein eigen nannte, die ebenso durchlöchert waren wie das Wrack der "Hesperus", und der nichts zu fressen hatte. Siehst ja verflucht vornehm aus, Kompagnon! Verdammt vornehm! Sag mal…«

«Was willst du denn?«fragte Kid mürrisch.

«Wie heißt sie denn eigentlich?«

«Sie? Was heißt hier "sie"? Es gibt gar keine "sie". Ich bin zum Mittagessen bei Oberst Bowie eingeladen, wenn du es unbedingt wissen willst. Ich will dir sagen, was mit dir los ist, Kurz: Du bist einfach neidisch, weil ich in so vornehmer Gesellschaft verkehre und du nicht auch eingeladen bist.«

«Kommst du nicht ein bißchen spät?«

«Wie meinst du das?«

«Zum Mittagessen, meine ich. Sie werden die Suppe schon gegessen haben, ehe du kommst.«

Kid wollte gerade mit raffiniertem Sarkasmus berichten, wie es auf vornehmen Gesellschaften zugeht, als er merkte, daß der andere ihn zum besten hielt. Er vollendete daher seine Toilette so schnell wie möglich. Mit Fingern, die ihre frühere Gewandtheit verloren hatten, band er seine Krawatte zu einer großen Schleife unter den weichen Kragen.

«Schade, daß ich all meine steifen Kragen zur Wäsche gegeben habe«, murmelte Kurz mit aufrichtigem Mitgefühl.»Ich hätte dir sonst gern einen gepumpt.«

Kid bemühte sich gerade, ein Paar richtige Schuhe anzuziehen. Die plumpen wollenen Socken waren indessen zu dick, so daß sie nicht in die Schuhe hineingingen. Er warf Kurz einen flehenden Blick zu. Der aber schüttelte den Kopf.

«Nichts zu machen! Selbst wenn ich ein Paar dünne hätte, würde ich sie dir doch nicht pumpen. Kehre lieber reumütig zu deinen Mokassins zurück, Kompagnon! Deine Zehen werden in so einem Paar enger Hinterflossenüberzüge todsicher erfrieren.«

«Ich habe fünfzehn Dollar dafür gegeben, getragen natürlich«, klagte Kid.

«Ich glaube, daß kein einziger dasein wird, der nicht Mokassins trägt.«

«Aber es kommen ja auch Damen, Kurz. Ich muß mit richtigen Damen bei Tisch sitzen… mit Frau Bowie und mehreren anderen, wie mir der Oberst erzählte.«

«Na — und? Mokassins werden ihnen den Appetit nicht verderben«, erklärte Kurz.»Ich möchte wissen, was der Oberst mit dir vorhat.«

«Ich habe keine Ahnung… wenn er nicht vielleicht gehört hat, daß ich den Überraschungssee gefunden habe. Es wird ja ein Vermögen kosten, ihn trockenzulegen, und die Guggenheims wollen gern Geld anlegen.«

«So was wird es vermutlich sein. Na, aber halte du dich nur ruhig an die Mokassins! Du gütiger Himmel, der Rock ist da reichlich zerknittert, und zu eng ist er auch noch dazu. Darfst eben nicht zuviel futtern, Kamerad. Wenn du es tust, wirst du einfach platzen! Und wenn die Frauenzimmer ihre Taschentücher auf den Boden fallen lassen, müssen sie hübsch liegenbleiben, heb sie um Gottes willen nicht auf! Was du auch sonst tust, das darfst du auf keinen Fall!«

Wie es sich für einen hochbezahlten Sachverständigen und den Vertreter der angesehenen Firma Guggenheim gehört, bewohnte Oberst Bowie eines der vornehmsten Häuser Dawsons.

Es war freilich, wie alle die andern, aus vierkantigen, grob behauenen Balken erbaut, hatte aber zwei Stockwerke und war von so extravaganter Größe, daß es mit einem großen Wohnzimmer prahlen konnte, das tatsächlich nur als Wohnzimmer diente. Große Bärenfelle lagen auf dem rauhen Bretterboden, und an den Wänden hingen Geweihe von Elchen und Rentieren. Hier gab es sogar einen offenen Kamin und einen mächtigen Ofen, in dem ein herrliches Feuer prasselte. Hier traf Kid die gesellschaftliche Auslese Dawsons — Männer wie Warburton Jones, Forschungsreisender und Schriftsteller, Hauptmann Consadine von der berittenen Polizei, Haskell, Goldkommissar des Nordwest-Territoriums, und Baron von Schroeder, der ein Günstling des deutschen Kaisers war und einen internationalen Ruf als Duellant genoß.

Und hier traf Kid auch Joy Gastell, die ihn in einem richtigen Gesellschaftskleid bezauberte — bisher hatte er sie ja nur unterwegs in Pelz und Mokassins gesehen.

Beim Essen war sie seine Tischdame.

«Ich fühle mich wie ein Fisch, der aus seinem Element herausgezogen ist«, gestand er.»Die Gäste hier sind alle wirklich bedeutende Persönlichkeiten, nicht wahr? Außerdem hätte ich mir nie träumen lassen, daß es eine solche orientalische Üppigkeit in Klondike gäbe. Sehen Sie sich mal Herrn von Schroeder an! Er hat tatsächlich einen richtigen Frack an, und Consadine trägt sogar ein gestärktes Hemd. Ich habe indessen festgestellt, daß er auch Mokassins trägt. Was sagen Sie zu meiner Ausstattung?«

Um Joys Beifall zu erlangen, bewegte er die Schultern hin und her wie ein Vogel, der sich die Federn putzt.

«Es sieht aus, als seien Sie dicker geworden, seit Sie hierhergekommen sind«, lachte sie.

«Stimmt nicht! Raten Sie noch einmal…«

«Dann gehört der Anzug einem anderen.«

«Diesmal haben Sie es getroffen! Ich habe den Anzug zu einem sehr anständigen Preis von einem Angestellten der A.-C.-Gesellschaft gekauft.«

«Es ist wirklich schade, daß Kontoristen immer so schmale Schultern haben«, sagte sie mitfühlend.»Aber Sie haben gar nicht gesagt, wie Ihnen meine Ausstattung gefällt.«

«Das kann ich einfach nicht«, erklärte er.»Ich habe die Sprache verloren. Ich lebe schon zu lange auf den ewigen Fahrten! So etwas wie das hier wirkt völlig betäubend auf mich. Ich hatte tatsächlich vergessen, daß Frauen überhaupt Arme und Schultern haben. Morgen früh werde ich wach werden und, genau wie mein Freund Kurz, glauben, daß alles nur ein Traum gewesen ist. Letztes Mal, als ich Sie am Squawbach sah…«

«Da benahm ich mich ganz wie eine indianische Squaw«, unterbrach sie ihn.

«Das wollte ich nicht sagen. Ich erinnerte mich nur, daß ich am Squawbach die Entdeckung machte, daß Sie Füße besitzen.«

«Und ich werde Ihnen nie vergessen, daß Sie sie gerettet haben«, sagte sie.»Ich habe seither immer gewünscht, Sie wiederzusehen, um Ihnen meinen Dank abzustatten. «Er zuckte abwehrend die Achseln.»Und deshalb sind Sie heute auch hier eingeladen.«

«Sie haben also den Oberst veranlaßt, mich einzuladen?«

«Nein, aber seine Frau. Und ich habe sie auch gebeten, Sie mir als Tischherrn zu geben. Und jetzt habe ich also endlich die Gelegenheit, Ihnen etwas anzuvertrauen. Jetzt ist die Unterhaltung ja schon allgemein, so daß man nicht hört, was ich Ihnen sage. Passen Sie gut auf und unterbrechen Sie mich nicht. Sie kennen ja den Monobach?«