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Aber so fleißig sie auch schufteten — die Arbeit wurde immer schwieriger. Der Weg wurde schlechter und schlechter, die Lasten schwerer und schwerer, und mit jedem Tage rückte die Schneegrenze um ein kleines Stückchen weiter bergab. Gleichzeitig schnellten die Frachtpreise bis sechzig Cent empor. Von den Vettern auf der anderen Seite hörten sie kein Wort; die waren sicher schon an der Arbeit, Bäume zu fällen und sie zu Bootsplanken zu zersägen. Allmählich wurde John Bellew jedoch ängstlich. Als ein Haufen Indianer vom Linderman-See zurückkehrte, hielt er sie an, und es gelang ihm, sie zu überreden, die Ausrüstung weiterzutransportieren. Sie forderten nicht weniger als dreißig Cent, um das Gepäck bis auf die Paßhöhe des Chilcoot zu bringen, was John Bellew an den Rand der Pleite brachte.

Aber selbst da blieben noch gut vierhundert Pfund — Säcke mit Kleidern und Zeltbahnen — übrig, die sie nicht mitnehmen konnten. Der Alte blieb deshalb selbst zurück, um diese Sachen weiterzuschaffen, während er Kid mit den Indianern vorausschickte.

Auf der Paßhöhe sollte Kid dann allein bleiben und seine zwanzig Zentner Gepäck langsam weiterschieben, bis er von den vierhundert Pfund, die sein Onkel zu transportieren versprach, eingeholt wurde.

Mühselig schleppte sich Kid mit den Indianern weiter. Da es sich um einen sehr weiten Weg handelte, nämlich ganz bis zur Paßhöhe des Chilcoot, hatte er sich vernünftigerweise nur mit achtzig Pfund beladen. Die Indianer gingen ebenfalls mühsam mit den schweren Lasten auf dem Rücken, aber ihr Gang war schneller als der, welchen er gewohnt war. Dennoch befürchtete er nichts, denn er war allmählich soweit gekommen, daß er sich als ebenso tüchtig wie die Indianer betrachtete.

Als die erste Viertelmeile zurückgelegt war, hoffte er, daß sie eine Ruhepause machen würden. Aber die Indianer gingen weiter. Er blieb deshalb bei ihnen und hielt sich auf seinem Platz in der Reihe. Als sie eine halbe Meile gegangen waren, war er überzeugt, daß er keinen Schritt weitergehen konnte, aber er biß die Zähne zusammen und hielt sich immer noch auf seinem Platz. Als aber eine ganze Meile hinter ihm lag, wunderte er sich, daß er noch am Leben war. Dann trat der eigentümliche Zustand ein, den man als» zweites Stadium «bezeichnen könnte: die nächste Meile war viel leichter als die erste. Aber die dritte tötete ihn fast. Obgleich er jedoch beinahe verrückt vor Schmerz und Müdigkeit war, ließ er keinen Klagelaut hören. Und als er schließlich feststellte, daß er jetzt bald vollkommen versagen mußte, kam die Rast. Aber statt die Gurte umzubehalten, wie die weißen Träger es taten, nahmen die Indianer Schulter- und Kopfriemen ab und machten es sich bequem, schwatzten und rauchten.

Es dauerte eine halbe Stunde, bevor sie weitergingen, und zu Kids größtem Befremden fühlte er sich völlig frisch und erholt. Sein neuester Leitspruch war deshalb von jetzt an: langes Schleppen und langes Rasten. Die Paßhöhe des Chilcoot entsprach genau den Schilderungen, die man ihm gemacht hatte. Es gab mehrere Stellen, wo er tatsächlich auf allen vieren klettern und kriechen mußte. Als er aber in einem stiebenden Schneesturm die Höhe erreichte, hielt er sich trotz allem immer noch auf seinem Platz unter den Indianern. In der Tiefe seines Herzens war er auch sehr stolz darauf, daß er ihnen die Stange gehalten und sich weder beklagt noch schlappgemacht hatte. Fast ebenso gut wie ein Indianer zu sein — das war jetzt das Ziel seines Ehrgeizes geworden.

Als er die Indianer entlohnt hatte und sie weggehen sah, wurde es dunkel. Der Sturm wehte noch immer, und er war ganz allein hier oben, tausend Fuß über der Baumgrenze, auf der Höhe des Bergrückens.

Sein ganzer Oberkörper war durchnäßt, er war hungrig und erschöpft, und er hätte die Einnahmen eines ganzen Jahres für ein Feuer und eine Tasse heißen Kaffees gegeben. Statt dessen mußte er sich mit einigen kalten Eierkuchen begnügen; dann kroch er in die Falten einer zusammengelegten Zeltbahn hinein. Bevor er einnickte, hatte er nur noch Zeit, John Bellew einen flüchtigen Gedanken zu opfern, und er lachte schadenfroh vor sich hin, als er sich ausmalte, wie der die folgenden Tage zu tun haben mußte, um die vierhundert Pfund auf seinem männlichen Buckel bis zur Paßhöhe des Chilcoot zu schleppen. Er selbst hatte freilich zweitausend Pfund zu schleppen, aber sein Weg ging doch bergab.

Am nächsten Morgen war er noch ganz steif vor Müdigkeit und halb erstarrt vor Kälte, als er aus den Falten der Zeltbahn kroch. Dann aß er etliche Pfund kalten Speck, legte seine Traggurte um einen Zentner Gepäck und marschierte den steinigen Weg bergab. Ein paar hundert Schritte weiter hin führte der Weg über einen schmalen Gletscher zum Krater-See hinab. Mehrere Männer waren gerade dabei, ihr Gepäck über den Gletscher zu tragen.

Den ganzen Tag über legte Kid alles, was er herbeischleppte, am oberen Rande des Gletschers nieder, und da der Weg, den er zu gehen hatte, nur kurz war, lud er sich jedesmal hundertundfünfzig Pfund auf.

Sein Erstaunen, daß er hierzu imstande war, hielt sich unverändert auf derselben Höhe. Für zwei Dollar kaufte er einem Indianer drei steinharte Schiffszwiebacke ab, und hieraus sowie aus einer ansehnlichen Menge rohen Specks bereitete er sich verschiedene Mahlzeiten. Ungewaschen, durchfroren und in Kleidern, die von seinem Schweiß ganz feucht waren, verbrachte er auch die zweite Nacht in den Falten seiner Zeltbahn.

Früh am nächsten Morgen breitete er eine Persenning auf dem Eis aus, lud einfach sein ganzes Gepäck darauf und begann sie zu ziehen. Als der Gletscherhang steiler wurde, begann seine Ladung schneller zu gleiten und überholte ihn sogar bald, so daß er sich auf das mächtige Bündel setzen mußte, das mit ihm weiter hinuntersauste.

Mehr als hundert Männer, die ihre Ausrüstung mühsam schleppten, blieben stehen, um ihm nachzusehen. Er stieß wilde Warnungsschreie aus, und alle, die ihm im Wege standen, sprangen erschrocken beiseite, um ihm schnell Platz zu machen.

Unten, wo der Gletscher aufhörte, stand ein kleines Zelt, und es sah aus, als ob es ihm entgegenliefe, so schnell rutschte er den Berg hinab. Er schwenkte von dem festgetretenen Wege ab, dem die Gepäckträger folgten und der nach links führte, und sauste durch den frisch gefallenen Schnee, der ihn wie eine eisige Wolke umstob, ihn aber gleichzeitig bremste.

Plötzlich sah er das Zelt wieder vor sich auftauchen, aber erst im selben Augenblick, als er dagegenflog. Er saß noch immer auf dem mächtigen Haufen von Lebensmitteln auf der Persenning, als er die Eckpflöcke umwarf und die vor dem Eingang hängende Zeltbahn beiseite riß. Er kam erst wieder zu sich, als er sich schon im Zelt befand, das wie ein Betrunkener hin und her schwankte. In dem eiskalten Dampf fand er sich plötzlich Angesicht zu Angesicht mit einer ziemlich verblüfften jungen Dame, die aufrecht in ihrem Bett saß und ihn anstarrte… und es war ausgerechnet dieselbe Dame, die ihn in Dyea einen Grünschnabel genannt hatte!

«Haben Sie gesehen, wie ich gesaust bin… wie der Sturm?«fragte er vergnügt.

Sie sah ihn mißbilligend an.

«Das hier ist was anderes als der Wunderteppich im Märchen«, erklärte er.

«Würden Sie vielleicht den Sack da von meinen Füßen wegnehmen?«fragte sie sehr kühl.