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»Es ist eine Grinse-Katze,« sagte die Herzogin, »darum! Ferkel!«

Das letzte Wort sagte sie mit solcher Heftigkeit, daß Alice auffuhr; aber den nächsten Augenblick sah sie, daß es dem Wickelkinde galt, nicht ihr; sie faßte also Muth und redete weiter: -

»Ich wußte nicht, daß Katzen manchmal grinsen; ja ich wußte nicht, daß Katzen überhaupt grinsen können.«

»Sie können es alle,« sagte die Herzogin, »und die meisten thun es.«

»Ich kenne keine, die es thut,« sagte Alice sehr höflich, da sie ganz froh war, eine Unterhaltung angeknüpft zu haben.

»Du kennst noch nicht viel,« sagte die Herzogin, »und das ist die Wahrheit.«

Alice gefiel diese Bemerkung gar nicht, und sie dachte daran, welchen andern Gegenstand der Unterhaltung sie einführen könnte. Während sie sich auf etwas Passendes besann, nahm die Köchin die Kasserole mit Suppe vom Feuer und fing sogleich an, Alles was sie erreichen konnte nach der Herzogin und dem Kinde zu werfen - die Feuerzange kam zuerst, dann folgte ein Hagel von Pfannen, Tellern und Schüsseln. Die Herzogin beachtete sie gar nicht, auch wenn sie sie trafen; und das Kind heulte schon so laut, daß es unmöglich war zu wissen, ob die Stöße ihm weh thaten oder nicht.

»Oh, bitte, nehmen Sie sich in Acht, was Sie thun!« rief Alice, die in wahrer Herzensangst hin und her sprang. »Oh, seine liebe kleine Nase!« als eine besonders große Pfanne dicht daran vorbeifuhr und sie beinah abstieß.

»Wenn Jeder nur vor seiner Thür fegen wollte,« brummte die Herzogin mit heiserer Stimme, »würde die Welt sich bedeutend schneller drehen, als jetzt.«

»Was kein Vortheil wäre,« sprach Alice, die sich über die Gelegenheit freute, ihre Kenntnisse zu zeigen. »Denken Sie nur, wie es Tag und Nacht in Unordnung bringen würde! Die Erde braucht doch jetzt vier und zwanzig Stunden, sich um ihre Achse zu drehen -«

»Was, du redest von Axt ?« sagte die Herzogin. »Hau' ihr den Kopf ab!«

Alice sah sich sehr erschrocken nach der Köchin um, ob sie den Wink verstehen würde; aber die Köchin rührte die Suppe unverwandt und schien nicht zuzuhören, daher fuhr sie fort: »Vier und zwanzig Stunden, glaube ich; oder sind es zwölf? Ich -«

»Ach laß mich in Frieden,« sagte die Herzogin, »ich habe Zahlen nie ausstehen können!« Und damit fing sie an, ihr Kind zu warten und eine Art Wiegenlied dazu zu singen, wovon jede Reihe mit einem derben Puffe für das Kind endigte: -

»Schilt deinen kleinen Jungen aus, Und schlag' ihn, wenn er niest; Er macht es gar so bunt und kraus, Nur weil es uns verdrießt.«

Chor

(in welchen die Köchin und das Wickelkind einfielen).

»Wau! wau! wau!«

Während die Herzogin den zweiten Vers des Liedes sang, schaukelte sie das Kind so heftig auf und nieder, und das arme kleine Ding schrie so, daß Alice kaum die Worte verstehen konnte: -

»Ich schelte meinen kleinen Wicht, Und schlag' ihn, wenn er niest; Ich weiß, wie gern er Pfeffer riecht, Wenn's ihm gefällig ist.«

Chor.

»Wau! wau! wau!«

»Hier, du kannst ihn ein Weilchen warten, wenn du willst!« sagte die Herzogin zu Alice, indem sie ihr das Kind zuwarf. »Ich muß mich zurecht machen, um mit der Königin Croquet zu spielen,« damit rannte sie aus dem Zimmer. Die Köchin warf ihr eine Bratpfanne nach; aber sie verfehlte sie noch eben.

Alice hatte das Kind mit Mühe und Noth aufgefangen, da es ein kleines unförmiges Wesen war, das seine Arme und Beinchen nach allen Seiten ausstreckte, »gerade wie ein Seestern,« dachte Alice. Das arme kleine Ding stöhnte wie eine Lokomotive, als sie es fing, und zog sich zusammen und streckte sich wieder aus, so daß sie es die ersten Paar Minuten nur eben halten konnte.

Sobald sie aber die rechte Art entdeckt hatte, wie man es tragen mußte (die darin bestand, es zu einer Art Knoten zu drehen, und es dann fest beim rechten Ohr und linken Fuß zu fassen, damit es sich nicht wieder aufwickeln konnte), brachte sie es in's Freie. »Wenn ich dies Kind nicht mit mir nehme,« dachte Alice, »so werden sie es in wenigen Tagen umgebracht haben; wäre es nicht Mord, es da zu lassen?« Sie sprach die letzten Worte laut, und das kleine Geschöpf grunzte zur Antwort (es hatte mittlerweile aufgehört zu niesen). »Grunze nicht,« sagte Alice, »es paßt sich gar nicht für dich, dich so auszudrücken.«

Der Junge grunzte wieder, so daß Alice ihm ganz ängstlich in's Gesicht sah, was ihm eigentlich fehle. Er hatte ohne Zweifel eine sehr hervorstehende Nase, eher eine Schnauze als eine wirkliche Nase; auch seine Augen wurden entsetzlich klein für einen kleinen Jungen: Alles zusammen genommen, gefiel Alice das Aussehen des Kindes gar nicht. »Aber vielleicht hat es nur geweint,« dachte sie und sah ihm wieder in die Augen ob Thrä-nen da seien.

Nein, es waren keine Thränen da. »Wenn du ein kleines Ferkel wirst, höre mal,« sagte Alice sehr ernst, »so will ich nichts mehr mit dir zu schaffen haben, das merke dir!« Das arme kleine Ding schluchzte (oder grunzte, es war unmöglich, es zu unterscheiden), und dann gingen sie eine Weile stillschweigend weiter.

Alice fing eben an, sich zu überlegen: »Nun, was soll ich mit diesem Geschöpf anfangen, wenn ich es mit nach Hause bringe ?« als es wieder grunzte, so laut, daß Alice erschrocken nach ihm hinsah. Diesmal konnte sie sich nicht mehr irren: es war nichts mehr oder weniger als ein Ferkel, und sie sah, daß es höchst lächerlich für sie wäre, es noch weiter zu tragen.

Sie setzte also das kleine Ding hin und war ganz froh, als sie es ruhig in den Wald traben sah. »Das wäre in einigen Jahren ein furchtbar häßliches Kind geworden; aber als Ferkel macht es sich recht nett, finde ich.« Und so dachte sie alle Kinder durch, die sie kannte, die gute kleine Ferkel abgeben würden, und sagte gerade für sich: »wenn man nur die rechten Mittel wüßte, sie zu verwandeln -« als sie einen Schreck bekam; die Grinse-Katze saß nämlich wenige Fuß von ihr auf einem Baumzweige.

Die Katze grinste nur, als sie Alice sah. »Sie sieht gutmüthig aus,« dachte diese; aber doch hatte sie sehr lange Krallen und eine Menge Zähne. Alice fühlte wohl, daß sie sie rücksichtsvoll behandeln müsse.

»Grinse-Miez,« fing sie etwas ängstlich an, da sie nicht wußte, ob ihr der Name gefallen würde: jedoch grinste sie noch etwas breiter. »Schön, so weit gefällt es ihr,« dachte Alice und sprach weiter: »willst du mir wohl sagen, wenn ich bitten darf, welchen Weg ich hier nehmen muß?«

»Das hängt zum guten Theil davon ab, wohin du gehen willst,« sagte die Katze.

»Es kommt mir nicht darauf an, wohin -« sagte Alice.

»Dann kommt es auch nicht darauf an, welchen Weg du nimmst,« sagte die Katze.

»- wenn ich nur irgendwo hinkomme,« fügte Alice als Erklärung hinzu.

»O, das wirst du ganz gewiß,« sagte die Katze, »wenn du nur lange genug gehest.«

Alice sah, daß sie nichts dagegen einwenden konnte; sie versuchte daher eine andere Frage. »Was für eine Art Leute wohnen hier in der Nähe?!«

»In der Richtung,« sagte die Katze, die rechte Pfote schwenkend, »wohnt ein Hutmacher, und in jener Richtung,« die andere Pfote schwenkend, »wohnt ein Faselhase. Besuche welchen du willst: sie sind beide toll.«

»Aber ich mag nicht zu tollen Leuten gehen,« bemerkte Alice.

»Oh, das kannst du nicht ändern,« sagte die Katze: »wir sind alle toll hier. Ich bin toll. Du bist toll.«