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»Es ist Alles so merkwürdig, wie nur möglich,« sagte der Greif.

»Es kam ganz verschieden!« wiederholte die falsche Schildkröte gedankenvoll. »Ich möchte sie wohl etwas hersagen hören. Sage ihr, daß sie anfangen soll.« Sie sah den Greifen an, als ob sie dächte, daß er einigen Einfluß auf Alice habe.

»Steh' auf und sage her: >Preisend mit viel schönen Reden<,« sagte der Greif.

»Wie die Geschöpfe alle Einen kommandiren und Gedichte aufsagen lassen!« dachte Alice, »dafür könnte ich auch lieber gleich in der Schule sein.« Sie stand jedoch auf und fing an, das Gedicht herzusagen; aber ihr Kopf war so voll von dem Hummerballet, daß sie kaum wußte, was sie sagte, und die Worte kamen sehr sonderbar: -

»Preisend mit viel schönen Kniffen seiner Scheeren Werth und Zahl, Stand der Hummer vor dem Spiegel in der schönen rothen Schal'! >Herrlich,< sprach der Fürst der Krebse, >steht mir dieser lange Bart!< Rückt die Füße mit der Nase auswärts, als er dieses sagt.«

»Das ist anders, als ich's als Kind gesagt habe,« sagte der Greif.

»Ich habe es zwar noch niemals gehört,« sagte die falsche Schildkröte; »aber es klingt wie blühender Unsinn.«

Alice erwiederte nichts; sie setzte sich, bedeckte das Gesicht mit beiden Händen und überlegte, ob wohl je wieder irgend etwas natürlich sein würde.

»Ich möchte es gern erklärt haben,« sagte die falsche Schildkröte.

»Sie kann's nicht erklären,« warf der Greif schnell ein. »Sage den nächsten Vers.«

»Aber das von den Füßen?« fragte die falsche Schildkröte wieder. »Wie kann er sie mit der Nase auswärts rücken?«

»Es ist die erste Position bei'm Tanzen,« sagte Alice aber sie war über Alles dies entsetzlich verwirrt und hätte am liebsten aufgehört.

»Sage den nächsten Vers!« wiederholte der Greif ungeduldig, »er fängt an: >Seht mein Land!<«

Alice wagte nicht, es abzuschlagen, obgleich sie überzeugt war, es würde Alles falsch kommen, sie fuhr also mit zitternder Stimme fort: -

»Seht mein Land und grüne Fluten,« sprach ein fetter Lachs vom Rhein; »Goldne Schuppen meine Rüstung, und mit Austern trink' ich Wein.«

»Wozu sollen wir das dumme Zeug mit anhören,« unterbrach sie die falsche Schildkröte, »wenn sie es nicht auch erklären kann ? Es ist das verworrenste Zug, das ich je gehört habe!«

»Ja, ich glaube auch, es ist besser du hörst auf,« sagte der Greif, und Alice gehorchte nur zu gern.

»Sollen wir noch eine Figur von dem Hummerballet versuchen?« fuhr der Greif fort. »Oder möchtest du lieber, daß die falsche Schildkröte dir ein Lied vorsingt?«

»Oh, ein Lied! bitte, wenn die falsche Schildkröte so gut sein will,« antwortete Alice mit solchem Eifer, daß der Greif etwas beleidigt sagte: »Hm! der Geschmack ist verschieden! Singe ihr vor >Schildkrötensuppe<, hörst du, alte Tante ?«

Die falsche Schildkröte seufzte tief auf und fing an, mit halb von Schluchzen erstickter Stimme, so zu singen: -

»Schöne Suppe, so schwer und so grün, Dampfend in der heißen Terrin'! Wem nach einem so schönen Gericht Wässerte denn der Mund wohl nicht?
Kön'gin der Suppen, du schönste Supp'! Kön'gin der Suppen, du schönste Supp'! Wu-underschöne Su-uppe! Wu-underschöne Su-uppe! Kö-önigin der Su-uppen, Wunder-wunderschöne Supp'!
Schöne Suppe, wer fragt noch nach Fisch, Wildpret oder was sonst auf dem Tisch ? Alles lassen wir stehen zu p reisen allein die wunderschöne Supp', Preisen allein die wunderschöne Supp'! Wu-underschöne Su-uppe! Wu-underschöne Su-uppe! Kö-önigin der Su-uppen, Wunder-wunderschöne Supp'!«

»Den Chor noch einmal!« rief der Greif, und die falsche Schildkröte hatte ihn eben wieder angefangen, als ein Ruf: »Das Verhör fängt an!« in der Ferne erscholl.

»Komm schnell!« rief der Greif, und Alice bei der Hand nehmend lief er fort, ohne auf das Ende des Gesanges zu warten.

»Was für ein Verhör?« keuchte Alice bei'm Rennen; aber der Greif antwortete nichts als: »Komm schnell!« und rannte weiter, während schwächer und schwächer, vom Winde getragen, die Worte ihnen folgten: -

»Kö-önigin der Su-uppen, Wunder-wunderschöne Supp'!«

Elftes Kapitel.

Wer hat die Kuchen gestohlen ?

Der König und die Königin der Herzen saßen auf ihrem Throne, als sie ankamen, und eine große Menge war um sie versammelt -allerlei kleine Vögel und Thiere, außerdem das ganze Pack Karten: der Bube stand vor ihnen, in Ketten, einen Soldaten an jeder Seite, um ihn zu bewachen; dicht bei dem Könige befand sich das weiße Kaninchen, eine Trompete in einer Hand, in der andern eine Pergamentrolle. Im Mittelpunkte des Gerichtshofes stand ein Tisch mit einer Schüssel voll Torten: sie sahen so appetitlich aus, daß der bloße Anblick Alice ganz hungrig darauf machte. -»Ich wünschte, sie machten schnell mit dem Verhör und reichten die Erfrischungen herum.« Aber dazu schien wenig Aussicht zu sein, so daß sie anfing, Alles genau in Augenschein zu nehmen, um sich die Zeit zu vertreiben.

Alice war noch nie in einem Gerichtshofe gewesen, aber sie hatte in ihren Büchern davon gelesen und bildete sich was Rechtes darauf ein, daß sie Alles, was sie dort sah, bei Namen zu nennen wußte. »Das ist der Richter,« sagte sie für sich, »wegen seiner großen Perücke.«

Der Richter war übrigens der König, und er trug die Krone über der Perücke (seht euch das Titelbild an, wenn ihr wissen wollt, wie), es sah nicht aus, als sei es ihm bequem, und sicherlich stand es ihm nicht gut.

»Und jene zwölf kleinen Thiere da sind vermuthlich die Ge-schwornen,« dachte Alice. Sie wiederholte sich selbst dies Wort zwei bis drei Mal, weil sie so stolz darauf war; denn sie glaubte, und das mit Recht, daß wenig kleine Mädchen ihres Alters überhaupt etwas von diesen Sachen wissen würden.

Die zwölf Geschwornen schrieben alle sehr eifrig auf Schiefertafeln. »Was thun sie ?« frage Alice den Greifen in's Ohr. »Sie können ja noch nichts aufzuschreiben haben, ehe das Verhör beginnt.«

»Sie schreiben ihre Namen auf,« sagte ihr der Greif in's Ohr, »weil sie bange sind, sie zu vergessen, ehe das Verhör zu Ende ist.«

»Dumme Dinger!« fing Alice entrüstet ganz laut an; aber sie hielt augenblicklich inne, denn das weiße Kaninchen rief aus: »Ruhe im Saal!« und der König setzte seine Brille auf und blickte spähend umher, um zu sehen, wer da gesprochen habe.

Alice konnte ganz deutlich sehen, daß alle Geschworne »dumme Dinger!« auf ihre Tafeln schrieben, und sie merkte auch, daß Einer von ihnen nicht wußte, wie es geschrieben wird, und seinen Nachbar fragen mußte. »Die Tafeln werden in einem schönen Zustande sein, wenn das Verhör vorüber ist!« dachte Alice.