»Was für einen wunderschönen Garten Sie haben!«, rief ich enthusiastisch, voller Bewunderung für dieses Prachtstück von Garten (und auch nicht ganz ohne Neid).
»Ja«, erwiderte der Missionar, »es ist ein sehr guter Garten; er hat mir meine Mühen wirklich gedankt. Aber in erster Linie habe ich dem Klima zu danken. Wenn Sie hier einen Pfirsichkern in den Boden stek-ken, dann trägt er im vierten Jahr schon Früchte, und Rosen blühen schon nach einem Jahr. Es ist ein hervorragendes Klima.«
Wir kamen jetzt an einen zehn Fuß breiten, wassergefüllten Graben, hinter dem eine acht Fuß hohe, mit Schießscharten versehene Steinmauer war. Die Mauerkrone war dicht gesprenkelt mit scharfen Steinen, die in den noch weichen Mörtel hineingedrückt worden waren.
»Das da«, sagte Mr. Mackenzie und zeigte auf den Graben und die Mauer, »ist mein magnum opus; dies und die Kirche, die sich auf der anderen Seite des Hauses befindet. Zusammen mit zwanzig Eingeborenen habe ich zwei Jahre dafür gebraucht, den Graben zu ziehen und die Mauer zu errichten; denn erst als das geschafft war, fühlte ich mich sicher. Und nun kann ich allen Wilden in Afrika Trotz bieten, da die Quelle, die den Graben speist, sich innerhalb der Mauer befindet; sie fließt winters wie sommers von der Kuppe des Hügels, und im Haus befindet sich ein ständiger Lebensmittelvorrat, der uns vier Monate lang reicht.«
Wir schritten über eine hölzerne Planke und betraten durch eine winzig schmale Öffnung in der Mauer das, was Mrs. Mackenzie als ihre Domäne bezeichnete - den Blumengarten, dessen Schönheit ich wirklich nicht mit Worten beschreiben kann. Ich kann mich nicht erinnern, jemals zuvor solche Rosen, solche Gardenien oder Kamelien gesehen zu haben. (Die Samen oder Sprosse dafür waren alle aus England geschickt worden.) Ein Eckchen des Gartens beherbergte eine Sammlung zwiebelförmiger Wurzeln, die zum größten Teil Flossie, Mr. Mackenzies kleine Tochter, in der Umgebung der Missionsstation gesammelt hatte. Einige davon waren von wirklich seltener Schönheit. In der Mitte des Gartens, genau gegenüber der Veranda, sprudelte ein wunderschöner Springbrunnen von herrlich klarem Wasser aus dem Boden und fiel in ein steinernes Becken, das man mit viel Sorgfalt so gebaut hatte, daß es alles Wasser auffing. Von dort aus rann das Wasser durch einen Überlauf in eine Auffangrinne, die es wiederum in den Wassergraben rings um die Außenmauer leitete. Der Wassergraben seinerseits diente als kleiner Stausee, der immer einen nie versiegenden Vorrat an Wasser enthielt, mit dem man alle die unterhalb liegenden Gärten berieseln konnte.
Das Haus selbst, ein massives, einstöckiges Gebäude, war mit Steinplatten gedeckt und hatte eine hübsche Veranda. Das Gebäude bestand aus vier Flügeln, die ein Viereck bildeten. Drei dieser Flügel waren Wohn- und Schlafräume, der vierte beherbergte die Küchen, die somit abseits vom Haus lagen - in einem heißen Land eine sehr vorteilhafte Lösung. Inmitten des quadratischen Innenhofes befand sich das vielleicht Bemerkenswerteste, das wir an diesem zauberhaften Orte bisher gesehen hatten: ein einzelner Nadelbaum, wie er in zahlreichen Spielarten im Hochland dieses Teils von Afrika freistehend anzutreffen ist. Dieser großartige Baum, der - wie Mr. Mackenzie uns mitteilte - den Orientierungspunkt für einen Umkreis von fünfzig Meilen darstellte (wir selbst hatten ihn ja schon während der letzten vierzig Meilen unserer Reise ständig sehen können), mußte wohl an die dreihundert Fuß hoch sein. Der Stamm hatte einen Yard über dem Boden gemessen etwa sechzehn Fuß im Durchmesser. Bis zu einer Höhe von etwa siebzig Fuß war der braune, nach oben hin immer schlanker werdende Stamm bar jeglicher Äste. Erst dort entsprangen dem Stamm wunderschöne, dunkelgrüne Zweige, die von unten wie gigantische Farne aussahen. Sie gingen waagerecht vom Stamm ab, und da sie weit über das Haus und den Blumengarten hinausragten, spendeten sie beiden ein hohes Maß an wohltuendem Schatten, ohne jedoch - da sie so hoch waren - den Zugang von ausreichend Licht und Luft zu verhindern.
»Was für ein schöner Baum!« rief Sir Henry begeistert.
»Ja, Sie haben recht; es ist ein wunderschöner Baum. Meines Wissens gibt es in der ganzen Umgegend keinen, der ihm auch nur annähernd gleichkommt«, antwortete Mr. Mackenzie. »Ich nenne ihn meinen Wachtturm. Wie Sie sehen können, habe ich am untersten Ast eine Strickleiter befestigt. Und wenn ich nun sehen will, was in einem Umkreis von fünfzehn Meilen vor sich geht, dann brauche ich bloß hinaufzuklettern und ein Fernglas mitzunehmen. Aber Sie sind jetzt sicherlich sehr hungrig, und ich bin sicher, daß das Essen fertig ist. Treten Sie ein, liebe Freunde; es ist zwar nur ein bescheidenes Heim, aber für diese wilde Gegend ist es gut genug. Und dann will ich Ihnen noch etwas verraten: wir haben einen französischen Koch.« Mit diesen Worten führte er uns auf die Veranda.
Während ich hinter ihm herging und mir den Kopf darüber zerbrach, was in drei Teufels Namen er wohl damit gemeint haben könnte, erschien plötzlich aus einer Tür, die vom Haus auf die Veranda führte, ein flinker kleiner Mann. Er trug einen sauberen, blauen Baumwollanzug, Schuhe aus gegerbtem Fell, und fiel sofort ins Auge wegen seines geschäftigen Gehabes und Gesichtsausdruckes sowie wegen seines mächtigen schwarzen Schnauzbartes, dessen Spitzen er kunstvoll nach oben gezwirbelt hatte, so daß sie wie die Hörner eines Büffels in die Luft ragten.
»Madame 'eißt mich zu sagen, daß das Dinner serviert ist. Messieurs, meine Empfehlung.« Plötzlich bemerkte er Umslopogaas, der hinter uns herbummelte und mit seiner Streitaxt spielte, und er warf verdutzt die Hände in die Luft. »Ah, mais quel hom-me!« stieß er auf Französisch hervor. »Quel sauvage affreux! Sehen Sie doch nur seine große 'ackbeil und das große Loch in seinem Kopf!«
»Ja«, rief Mr. Mackenzie, »aber was redest du denn da, Alphonse?«
»Was rede isch da!« rief der kleine Franzose, der noch immer wie gebannt Umslopogaas anstarrte, dessen Anblick ihn ungemein zu faszinieren schien. »Warum ich von ihm rede« - und er zeigte mit dem Finger auf Umslopogaas, »von ce monsieur noir«.
Über diese Geste und das »monsieur noir« mußten wir alle laut lachen, und Umslopogaas, der inzwischen bemerkt hatte, daß es um ihn ging, legte grimmig die Stirn in Falten; denn nichts ärgerte ihn mehr, als wenn seine Würde durch eine persönliche Frechheit angekratzt wurde.
»Parbleu!« rief Alphonse. »Er ist wütend - er macht eine Grimasse. Sein Gesicht gefällt mir nischt. Isch verschwinde.« Und das tat er auch mit bemerkenswerter Geschwindigkeit.
Mr. Mackenzie fiel herzlich in unser lautes Gelächter ein, von dem wir uns noch immer nicht erholt hatten. »Er ist schon ein eigentümlicher Mensch, dieser Alphonse. Ich werde Ihnen nach und nach mal seine Geschichte erzählen; in der Zwischenzeit wollen wir erst einmal das Ergebnis seiner Kochkünste probieren.«
»Dürfte ich fragen«, sagte Sir Henry, nachdem wir das wirklich ausgezeichnete Mittagessen beendet hatten, »wie Sie in dieser Einöde an einen französischen Koch geraten sind?«
»Oh«, antwortete Mrs. Mackenzie, »er kam aus freien Stücken vor einem Jahr zu uns und fragte, ob wir irgendeine Verwendung für ihn hätten. Er hatte in Frankreich in irgendwelchen Schwierigkeiten gesteckt und war dann nach Sansibar geflohen, wo er feststellte, daß die französische Regierung schon um seine Auslieferung nachgesucht hatte. Daraufhin schlug er sich Hals über Kopf in die Büsche, floh ins Landesinnere und wurde halbverhungert von der Karawane aufgelesen, die gerade auf dem Weg war, uns unseren alljährlichen Warenvorrat zu liefern. Die Männer brachten ihn dann zu uns. Sie sollten ihn einmal dazu bringen, Ihnen die Geschichte selbst zu erzählen.«