Der riesige Mann (der in seinem eigenen Volk berühmt ist als »der Sprecht« oder auch als »der Schlächter«) fuhr zusammen, und fast hätte er die langstielige Streitaxt, die er in der Hand hielt, fallen lassen. Im selben Moment hatte er mich schon erkannt, und dann begrüßte er mich überschwenglich mit einem blumenreichen Wortschwall, dem seine Gefährten, die Wakwafi, mit offenen Mündern und weit aufgerissenen Augen zuhörten.
»Koos (Anführer)«, begann er, »Koos-y-Pagate! Koos-y-um-cool! (Anführer aus alter Zeit - mächtiger Anführer) Koos! Baba! (Vater) Macumazahn, alter Jäger, Totschläger der Elefanten, Verspeiser der Löwen, Schlauer und Gerissener! Achtsamer! Tapferer! Schneller! Der, dessen Schuß niemals fehlgeht, dessen Schlag immer trifft, der eine Hand ergreift und sie bis zum Tode festhält (d.h. der ein treuer Freund ist). Koos! Baba! Weise ist die Stimme unseres Volkes, die da sagt: >Der Berg trifft niemals mit dem Berg zusammen, aber bei Tagesanbruch oder am Abend wird der Mann wieder mit dem Mann zusammentreffen.< Siehe! Ein Bote kam aus Natal hergereist. >Macuma-zahn ist tot!< rief er. >Das Land wird Macumazahn nicht mehr wiedererblicken.< Dies war vor vielen Jahren. Doch nun, siehe da! An diesem Orte des Gestankes finde ich Macumazahn, meinen Freund, wieder. Da ist kein Platz für Zweifel. Die Mähne des alten Schakals ist ein wenig grau geworden; doch ist nicht sein Auge so scharf, sind nicht seine Zähne so spitz wie eh und je? Ha! Ha! Macumazahn, erinnerst du dich daran, wie du die Kugel mitten in das Auge des wütend angreifenden Büffel jagtest? Erinnerst du dich ...?«
Ich hatte ihn nicht unterbrochen, da ich bemerkte, welch tiefen Eindruck seine enthusiastische Begrüßungsrede auf die fünf Wakwafi machte, die zumindest einen Teil dessen, was er sagte, zu verstehen schienen. Nun jedoch hielt ich es für an der Zeit, seinen Redeschwall einzudämmen; nichts auf der Welt ist mir so zuwider wie die Angewohnheit der Zulu, jemanden in höchsten Tönen zu preisen - >bongern< -wie sie es nennen. »Ruhe jetzt!« rief ich. »Ward all dein lärmender Redefluß gedämmt, seit ich dich das letzte Mal sah, so daß er nun so mächtig aus dir hervorbricht und uns gleichsam überschwemmt? Was tust du hier mit diesen Männern - du, der du Stammesführer in Zululand warst, als ich dich zum letzten Male sah? Wie kommt es, daß du so fern deiner Heimat bist und ich dich hier mit Fremden zusammen vorfinde?«
Umslopogaas stützte sich auf seine lange Streitaxt (die nichts anderes war als ein Schlachtbeil, mit einem wunderschönen Griff aus Rhinozeroshorn), und sein grimmiges Gesicht nahm einen traurigen Ausdruck an.
»Mein Vater«, begann er, »ich habe dir etwas zu erzählen, aber ich kann es nicht vor den Ohren dieser Unwürdigen (umfagozana) - er deutete dabei auf die Wakwafi Askari - aussprechen. Es ist nur für dein Ohr bestimmt. Mein Vater, dieses will ich dir nun berichten« - und hier wurde sein Gesicht wieder grimmig, »eine Frau verriet mich an den Feind und bedeckte meinen Namen mit Schande - ja, meine eigene Frau, ein Mädchen mit rundem Gesicht, betrog mich. Aber ich entrann dem Tode; ja, ich überwand jene, die gekommen waren, um mich abzuschlachten. Ich führte nur drei mächtige Hiebe mit dieser meiner Axt Inkosi-kaas - sicherlich kann sich mein Vater noch an sie erinnern, einen nach rechts, einen nach links, und einen nach vorn, aber es reichte, um drei Männer tot zu Boden zu strecken. Und dann floh ich, und, wie mein Vater weiß, sind meine Füße, auch jetzt noch, da ich alt bin, wie die Füße der Saasaby[4], und kein Mann auf der Welt kann mich einholen, wenn ich ihm einmal entsprungen bin. Also flog ich davon, und auf meiner Fährte hetzten die Boten des Todes, und ihre Stimmen waren wie die Stimme des Hundes, der seiner Beute nachjagt. Aus meinem eigenen Kraal floh ich, und beim Laufen sah ich die, die mich verraten hatte, wie sie gerade Wasser von einer Quelle schöpfte. Ich flog auf sie zu wie der Schatten des Todes, und als ich sie erreicht hatte, streckte ich sie mit meiner Axt nieder, und ihr Haupt sank herunter und fiel in die Wasserschale. Dann floh ich weiter nach Norden. Tag um Tag zog ich weiter; drei Monate reiste ich, ohne zu rasten und ohne zu ruhen. Ich lief immer weiter, um in der Ferne das Vergessen zu finden. Und so traf ich auf die Expedition des weißen Jägers, der jetzt tot ist, und schließlich gelangte ich hierher mit seinen Dienern. Ich habe nichts mitgenommen; ich, der ich von hoher Geburt war, ja, vom Geblüt Chakas, des großen Königs - ein Häuptling, Hauptmann des Regiments der Nkomobakosi -, bin nun ein Umherirrender an einem fremden Orte, ein Mann ohne Kraal. Nichts habe ich mitgenommen außer dieser meiner Axt; von all meiner Habe ist nur sie mir geblieben. Sie haben mein Vieh aufgeteilt; sie ha-ben mir meine Frauen weggenommen; und meine Kinder kennen mich nicht mehr. Doch mit dieser meiner Axt ...« - er schwang die wunderbare Waffe in einer kreisförmigen Bewegung über seinem Haupt, so daß sie ein zischendes Geräusch erzeugte, als sie durch die Luft schnitt -, »mit dieser meiner Axt werde ich mir einen neuen Pfad zum Glück bahnen. Ich habe gesprochen!«
Ich schaute ihn an und schüttelte den Kopf. »Umslopogaas«, sagte ich, »ich kenne dich aus alter Zeit. Immer voller Ehrgeiz, immer dabei, Pläne zum großen Ruhm auszuhecken; ich fürchte, dieses Mal hast du dir zuviel zugemutet. Vor vielen Jahren, als du Ränke schmieden wolltest gegen Cetywayo, den Sohn des Panda, da warnte ich dich, und du hörtest auf meinen Rat. Doch nun, da ich nicht in deiner Nähe war, um dir in den Arm zu fallen, da hast du mit eigenen Füßen die Fallgrube durchbrochen, die du selbst gegraben hast. Ist es nicht so? Aber was geschehen ist, ist geschehen. Wer kann den abgestorbenen Baum wieder zum Grünen bringen; wer kann das Licht, das im letzten Jahre leuchtete, noch einmal erblicken? Wer kann das gesprochene Wort bewahren oder den Geist der Gefallenen wieder zum Leben erwecken? Was die Zeit verschlingt, das kommt nie wieder zurück. Laß es dem Vergessen anheimfallen!
Und nun höre, Umslopogaas! Ich kenne dich als einen großen Krieger und als einen tapferen Mann, der treu ist bis in den Tod. Selbst in Zululand, wo alle Männer tapfer sind, gab man dir den Ehrennamen >der Schlächter<, und nachts erzählt man sich am Feuer von deiner Stärke und von deinen großen Taten. Höre, was ich dir nun sage! Du siehst dort jenen großen Mann stehen, meinen Freund ...« - ich deutete auf Sir Henry - »Er ist ein eben solcher Krieger wie du, und da er genauso stark ist wie du, könnte er dich über seine Schulter werfen. Incubu ist sein Name. Und du siehst auch den anderen, den mit dem runden Bauch, dem leuchtenden Auge und dem freundlichen Gesicht. Bougwan (Glasauge) ist sein Name, und er ist ein guter und aufrechter Mann. Er gehört zu jenem seltsamen Stamme, der sein Leben auf dem Wasser verbringt und in schwimmenden Kraals lebt.
Nun, wir drei die du hier siehst, wollen gerne ins Landesinnere reisen, jenseits des Dongo Egere, des großen weißen Berges (Mount Kenia), und tief in das unbekannte Gebiet dahinter. Wir wissen nicht, was wir dort finden werden; wir wollen auf die Jagd gehen und Abenteuer erleben und neue Gebiete entdek-ken, da wir es müde sind, daheim am Ofen zu sitzen und jeden Tag dieselben alten Dinge zu sehen. Willst du mit uns kommen? Dir soll das Kommando über alle unsere Diener zufallen. Was jedoch mit dir geschehen wird, weiß ich nicht. Schon einmal reisten wir drei zusammen, so wie jetzt, auf der Suche nach Abenteuern. Mit uns ging ein Mann so wie du - Um-bopa war sein Name. Und siehe da! Wir ließen ihn zurück als König eines großen Landes, mit zwanzig Impis (Regimentern). Jedes davon zählte 3000 federgeschmückte Krieger, die alle auf seinen Befehl hörten. Was dir widerfahren wird, kann ich nicht wissen; vielleicht wartet auf dich und auf uns der Tod. Willst du das Glück mit beiden Händen ergreifen und mit uns kommen, oder fürchtest du dich, Umslopogaas?«