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Wir entschlossen uns daraufhin, an Land zu gehen, stellten eine Wache auf, trafen alle Vorbereitungen und nahmen unser Abendessen ein. Nach dem Essen berieten wir über unsere Lage. Es war natürlich denkbar, daß das Auftauchen des Masaikriegers überhaupt nichts mit uns zu tun hatte, sondern daß er zu einer Gruppe gehörte, die sich auf einem Raubund Plünderungszug gegen irgendeinen anderen Stamm befand. Unser Freund, der Konsul, hatte uns nämlich berichtet, daß solche Züge zur Zeit wieder an der Tagesordnung waren. Aber wenn wir an die Drohung des Karawanenführers zurückdachten und uns die drohende Gebärde vergegenwärtigten, mit der der Masai Elmoran seinen Speer auf uns gerichtet hatte, dann schien diese Erklärung sehr unwahrscheinlich. Im Gegenteiclass="underline" allem Augenschein nach hatte die Gruppe es auf uns abgesehen; sie schienen nur auf eine günstige Gelegenheit zu warten, in der sie uns angreifen konnten. Wenn dies der Fall war -woran keiner von uns ernstlich zweifelte -, dann gab es für uns zwei Möglichkeiten: entweder weiterzuziehen, oder den Rückzug anzubeten. Die letztere Möglichkeit wurde jedoch auf der Stelle verworfen, denn es war klar, daß wir mit denselben Gefahren konfrontiert sein würden, ob wir nun weiterzögen oder zurückführen. Außerdem hatten wir uns dazu entschlossen, unsere Fahrt um jeden Preis fortzusetzen. Unter diesen Umständen hielten wir es jedoch für sehr gefährlich, am Ufer zu übernachten. Wir stiegen also wieder in unsere Kanus, paddelten bis in die Mitte des Stromes, der an dieser Stelle nicht sehr breit war, und verankerten sie dort mit Hilfe von großen Steinen, die wir an Seile aus Kokosnußfasern banden, von denen wir in jedem der Boote im Überfluß hatten.

Hier jedoch fraßen uns die Moskitos beinahe bei lebendigem Leibe. Das - in Verbindung mit der Sorge um unsere nicht sehr aussichtsreiche Lage - brachte mich, im Gegensatz zu den anderen, völlig um den Schlaf. Ich lag also wach, rauchte, dachte über viele Dinge nach, und lauschte den pausenlosen Attacken der Moskitos des Tanaflusses. Da ich jedoch ein sehr praktisch veranlagter Mensch bin, kreisten meine Gedanken hauptsächlich darum, wie wir den schurkischen Masai entwischen konnten. Es war eine wunderschöne Nacht. Der Mond stand am Himmel, und ich war - abgesehen von der Moskitoplage, der Gefahr, die wir liefen, am Fieber zu erkranken, wenn wir an einem solchen Orte schliefen, dem Krampf, den ich durch die beengte Lage in dem Kanu allmählich in meinem rechten Bein verspürte, sowie dem fürchterlichen Geruch, den der Wakwafi der direkt neben mir schlief, ausströmte - guter Dinge und in angenehmer Stimmung. Das Mondlicht spielte auf der Oberfläche des Wassers, das unaufhaltsam an uns vorbeirauschte, dem Meere zu, wie das Leben der Menschen dem Tode entgegenfließt, und es glitzerte an den Stellen, wo die Bäume keine Schatten warfen und das Mondlicht ungehindert auf das Wasser treffen konnte, wie Silberfolie. In der Nähe der Ufer jedoch war es sehr dunkel, und der Nachtwind sang mit einem tiefen Seufzen sein trauriges Lied im Schilf. Zu unserer Linken, auf der entfernteren Seite des Ufers, war eine kleine Einbuchtung mit einem Sandstrand, auf dem keine Bäume standen. Dort konnte ich die schemenhaften Umrisse einer Gruppe von Antilopen erkennen die sich langsam auf das Wasser zubewegten. Plötzlich erscholl ein unheilvolles Röhren, und sie stoben blitzschnell davon. Nach einer Weile erkannte ich die mächtige Gestalt Seiner Majestät, des Löwen, der nun ans Wasser gekommen war, um mit gierigem Trunk sein Nachtmahl zu beschließen. Kurz darauf verschwand er wieder, und dann vernahm ich, etwa fünfzig Yards oberhalb von uns, den knisternden Laut berstenden Schilfes. Einige Minuten später tauchte eine riesige schwarze Masse aus dem Wasser auf, kaum zwanzig Yards von mir entfernt, und gab ein schnaubendes Geräusch von sich. Es war der Kopf eines Flußpferdes. Lautlos tauchte es wieder unter, nur um unmittelbar danach ein paar Yards neben unserem Kanu wieder aufzutauchen. Das war mir nun doch entschieden zu nah, und ich fühlte mich ziemlich unbehaglich, zumal das Flußpferd sich nun auch noch ganz augenscheinlich dazu animiert fühlte, herauszukriegen, was in drei Teufels Namen das für ein Ding war, das da so dicht neben ihm auf dem Wasser schaukelte. Es öffnete sein riesiges Maul, wahrscheinlich, um zu gähnen, und verhalf mir damit zu einem hervorragenden Einblick in das Innere seines mit riesigen Zähnen ausgestatteten Rachens. Mir schoß der Gedanke durch den Kopf, mit welcher Leichtigkeit es unser Kanu mit einem einzigen Biß zermalmen konnte. Schon halb entschlossen, ihm eins aus meiner großkalibrigen Büchse zu verpassen, überlegte ich mir dann doch, es besser in Ruhe zu lassen und abzuwarten, bis es tatsächlich das Boot angriff. Im selben Augenblick verschwand es auch schon wieder unter der Wasseroberfläche und ward nicht mehr gesehen.

Als ich, noch nach dem Flußpferd Ausschau haltend, meinen Blick über das rechte Ufer schweifen ließ, kam es mir so vor, als sähe ich eine dunkle Gestalt zwischen den Bäumen entlanghuschen. Ich habe sehr gute Augen, und ich war ziemlich sicher, etwas gesehen zu haben; es war mir jedoch unmöglich, zu sagen, ob es sich um einen Vogel, ein Tier oder einen Menschen gehandelt hatte. In diesem Moment jedoch schob sich eine große dunkle Wolke vor den Mond, und es wurde mit einem Schlag stockfinster. Zur gleichen Zeit erhob sich, obwohl alle anderen Geräusche des Waldes verstummt waren, das langgezogene Geheul einer gehörnten Eule, deren Ruf ich sehr gut kannte. Nach einer Weile verstummte auch dieser Laut, und außer dem Rascheln der Bäume und des Schilfs im Winde herrschte nun absolute Stille.

Aber irgendwie war ich auf unerklärliche Weise plötzlich nervös geworden. Es gab eigentlich keinen besonderen Grund für meine Nervosität, abgesehen von den alltäglichen Gefahren natürlich, die dem Rei-senden in Zentralafrika auf Schritt und Tritt begegnen können. Und dennoch war ich es. Wenn mich irgend etwas fürchterlich in Rage bringt, weil ich einfach an so etwas nicht glauben will, dann sind das Vorahnungen. Und genau eine solche hatte ich in diesem Augenblick: ich war ganz plötzlich erfüllt, ja besessen von der unbezweifelbaren Vorahnung, daß eine schreckliche Gefahr herannahe. Ich wollte mich indessen um keinen Preis von diesem Gefühl irre machen lassen, obschon ich spürte, daß mir der kalte Schweiß auf der Stirn stand. Ich wollte die anderen nicht in Aufruhr bringen. Ich wurde von Sekunde zu Sekunde unruhiger, und mein Puls jagte wie der eines Sterbenden; das entsetzliche Gefühl, in ohnmächtigem Schrecken befangen zu sein, ein Gefühl, das jedem vertraut ist, der dann und wann an Alpträumen leidet, ließ meine Nerven förmlich flattern. Dennoch war mein Wille immer noch stärker als meine Furcht, und ich zwang mich dazu, ruhig in meiner mehr als unbequemen Position in dem Kanu zu verharren. (Ich saß eigentlich mehr, als daß ich lag, im Bug des Kanus zusammengekauert.) Nur dann und wann drehte ich meinen Kopf ein wenig, um Umslopogaas und die beiden Wakwafi im Blickfeld zu haben, die neben respektive hinter mir schliefen.

Von weitem hörte ich ein leises Platschen: das Flußpferd. Dann ertönte wieder das langgezogene Heulen der Eule; es hörte sich unnatürlich an; eher wie ein Schrei[6]. Der Wind sang in den Baumwipfeln sein Klagelied; sein seufzender Ton ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Über mir hing der tiefschwarze Busen der Wolken, und unter mir gluckerte unheilvoll die schwarze Flut des Wassers, und ich fühlte mich, als sei nur noch ich alleine mit dem Tod zwischen den beiden schaurigen Elementen. Ich kam mir trostlos und verlassen vor.

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6

Ohne Zweifel war dieser Vogel ohne Flügel. Ich erfuhr später, daß das Heulen dieser Eule ein beliebtes Signal bei den Masai-stämmen ist. - A. Q.