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«Wer weiß? Wenn ich mir meine Mutter ansehe, kann ich sie mir nicht jung vorstellen. Die Zeit hat wirklich Macht. «Jinx setzte sich auf.»Ich hab Hunger.«

«Iß was.«

«Ich darf nicht. Es ist zu spät. Ich muß zehn Pfund abnehmen.«

«Dann denk nicht ans Essen.«

«Ich werd's versuchen.«

«Jinx, weißt du noch, wie wir über Bestimmung geredet haben?«

Sie glaubten beide an eine Art Bestimmung oder Karma, das ihr Schicksal entschied. Im Laufe der Jahre und in zahlreichen nächtlichen Gesprächen hatte sich diese Vorstellung zu dem Glauben verfestigt, daß jeder Mensch ein vorherbestimmtes Ziel hatte, es aber Hindernisse bei der Erreichung gab. Außerdem passierte auf dem Weg dahin so allerhand. Die Menschen hatten Wahlmöglichkeiten.

«Ja.«

«Ich bin zu dem Schluß gekommen, daß wir trotz Bestimmung eine individuelle Verantwortung haben.«

«Da kommt die Ehre ins Spiel. «Jinx hatte eine Vision, nicht von Ehre, sondern von Schokoladentorte.»Wie begegnet man seiner Bestimmung? Man kann mutig sein oder nicht. Man kann ihr ins Gesicht sehen oder weglaufen. Daß man vielleicht nicht für das verantwortlich ist, was einem geschieht, heißt nicht, daß man nicht ehrenvoll handeln kann.«

«Ah, du hast eine tiefere Einsicht in die Dinge als ich.«

«Kann schon sein. «Jinx atmete tief ein.»Schokoladentorte.«

«Wer hat was von Schokoladentorte gesagt?«Vic war leicht verwirrt.

«Komm, wir plündern die Küche. Ich muß ein Stück von der Schokoladentorte haben.«

«Na gut. «Vic hatte keinen Hunger, aber sie war ein guter Kumpel. Sie schlüpfte aus dem Bett und warf sich ein übergroßes T-Shirt über.

«Bestimmung. «Jinx zog ihren Morgenrock an.»Es ist meine Bestimmung, Schokoladentorte zu essen.«

7

«Du hast schon genug Löcher im Kopf«, fuhr Vic Mignon an, die auf dem Rücksitz des Impala klebte.

Sie hatten Jinx, die darüber nicht gerade glücklich war, bei ihrer Mutter abgesetzt und waren jetzt auf dem Weg zu McKenna Dodge. In zwei Stunden wollten sie Jinx wieder abholen. Sie hatte erklärt, länger würde sie es bei ihrer Blutsverwandtschaft nicht aushalten.

Chris schloß die Augen, legte den Kopf zurück und hielt ihn in die Sonne.

Mignon schnellte hoch, den Mund dicht an Vics Ohr.»Du hast auch Löcher in den Ohren.«

«Mignon, keine Diskussion. Wenn du dir Ohrlöcher stechen läßt, dann geht Mom mit dir, nicht ich.«

Jetzt beugte sich Mignon zu Chris hinüber.»Sie ist so egoistisch und gemein. Wenn du eine kleine Schwester hättest, würdest du sie bestimmt hintragen, um ihr Ohrlöcher stechen zu lassen.«

«Bestimmt nicht. «Chris hielt die Augen geschlossen.

«Und die kleine Schwester von jemand anders?«Mignon ließ nicht locker.

Vic parkte unmittelbar vor der Fensterfront des Autohauses. Sie nahm einen großen braunen Umschlag mit Verkaufszahlen vom Armaturenbrett, den Tante Bunny gestern versehentlich im Haus hatte liegen lassen, und stieg aus.»Mignon kann mit den neuen Autos rumgurken.«

Mignon kletterte aus dem Wagen und ging schnurstracks zur Rezeption.

«Sie geht glatt rein und gibt 'ne Bestellung auf. «Chris lachte.»Sie ist sehr witzig. Sie hat mir gestern Abend lauter Briefchen geschickt; manche waren urkomisch.«

«Hat der kleine Racker dich wach gehalten?«

«Wie hätte ich nach dem Wallace-Drama schlafen können?«

«Wenn man vom Teufel spricht«, murmelte Vic.

Sissy Wallace kam am Arm von Don McKenna herausgeschlendert. Dons glänzende Locken reflektierten das Sonnenlicht.

«Vic!«

«Hey, Onkel Don. Ich wollte das hier gerade für dich abgeben. Chris Carter, mein Onkel Don McKenna. «Sie reichte Don den braunen Umschlag, den er mit der linken Hand nahm.

Mit der rechten schüttelte er Chris herzlich die Hand.»Hatten Sie schon das Vergnügen mit der reizenden Miss Wallace?«

«Gestern Abend«, antwortete Chris.

«Tag, Mädels. «Sissy strahlte. Sie wandte sich an Don.»Erkundige dich bitte, ja?«

«Wird gemacht, Sissy. Ich erkundige mich und du machst keinen Ärger, hörst du?«Er lächelte von einem Ohr zum anderen, ein Lächeln, das Frauen attraktiv fanden.

«Wenn ich weg von dir bin, gibt's keinen Ärger. «Halb hüpfend begab sie sich zu ihrem Plymouth.

Als sie losfuhr, winkten die drei ihr nach.

«Unverbesserlich«, erklärte Don mit einem Lächeln, während er beobachtete, wie sie endlich die Schnellstraße erreichte.

«Versucht sie dich zu verführen, Onkel Don?«

«Andauernd. Andauernd. «Er stieß ein dröhnendes Lachen aus.»Weißt du, was sie will? Sie will, daß ich ihr einen Cadillac zum Einkaufspreis besorge. Ich bin kein General- Motors-Händler, aber sie weiß, daß ich den Cadillac-Händler in Williamsburg oder Virginia Beach oder Norfolk überreden kann, mir einen fabrikneuen Cadillac zum Einkaufspreis zu überlassen.«

«Woher nimmt sie das Geld?«

Er hakte den Daumen in seinen Gürtel.»Sie sagt, früher oder später muß der alte Herr einen Teil von seinem Geld rausrücken. Er hat weiß Gott genug davon.«

Er führte die zwei Frauen in den Ausstellungsraum. Don, einundvierzig Jahre alt, strahlte eine unwiderstehliche Herzlichkeit aus. Er war den Menschen aufrichtig zugetan, insbesondere den Frauen. Und nicht nur wegen Sex — er hatte die Frauen einfach gern.

«Wo ist Hojo?«, fragte er einen Verkäufer.

«Auf der Toilette, nehme ich an. Sie hat gesagt, sie ist gleich wieder da.«

«Heiß draußen. Eine Cola gefällig?«

«Nein danke.«

«Ich auch nicht«, erwiderte Chris.»Einen imposanten Betrieb haben Sie hier, Mr. McKenna. Sie sind bestimmt stolz darauf.«

«Don, bitte. Mr. McKenna ist mein Vater. «Er lächelte.»Danke. Wir sind sehr stolz auf die Firma. Meine Frau hat mich auf Schritt und Tritt unterstützt.«

Hojo, in eine knallorange Hose gezwängt, kehrte auf ihren Posten zurück. An Samstagen herrschte in der Firma Hochbetrieb, und dann hieß es, alle Mann an Deck.

«Haben Sie Mignon gesehen?«, rief Vic zur Kommandozentrale hinüber.

Hojo lächelte.»Sie ist im Waschraum und macht sich zurecht.«

Vic bemerkte, daß Hojos pflaumenfarbene Fingernägel jetzt Glitzer auf dem Metallic-Lack hatten.

Mignon kam aus der Toilette, lächelte ihrem Onkel kurz zu und ging schnell zum Auto.

«Keine Manieren. Sie hätte herüberkommen und ein paar Worte sagen sollen. «Vic stemmte die Hände in die Hüften.

«Sie kriegt mich oft genug zu sehen, nehme ich an. «Don winkte einem Verkäufer, der seinem Büro zustrebte.»Bin gleich bei Ihnen. «Nach einem Blick auf die Wanduhr wandte er sich Vic wieder zu.»Das Spiel fängt in sechs Stunden an. Wirst du's schaffen?«

«Nein, ich bleib übers Wochenende hier.«

«Möchtest du auf den Endstand wetten?«

«Nein, aber auf die Touchdowns. «Vic strich mit den Händen über ihre Bermuda-Shorts.»Charly Harrison, zwei Touchdowns.«

«Ich laß mich auf keine Wette ein, wenn ich weiß, daß ich sie verlieren werde. «Er klopfte ihr auf den Rücken.»Ihr könnt gern jederzeit wieder vorbeikommen, Mädels.«

Vic setzte sich ans Steuer.»Gott, sind die Sitze heiß.«

Chris pflanzte ihren Allerwertesten vorsichtig auf das rissige Leder.»Schnell in den Schatten.«

Während der Fahrt war Mignon verdächtig schweigsam.

«Wann krieg ich Charly zu sehen? Ich hab irgendwie das Gefühl, als würde ich ihn bereits kennen«, sagte Chris.

«Wenn er das nächste Mal kommt, gebe ich dir Bescheid. Prima Kerl. Wirst ihn mögen.«

Mignon beugte sich vor. Vic mit Charly aufzuziehen war zu schön, um es sich entgehen zu lassen.»Sie schläft mit ihm. Sie gibt es nicht zu, aber ich weiß, daß sie bumsen.«

«Du weißt gar nichts, Mignon.«

«Sexuelle Revolution. Empfängnisverhütung. Die sechziger Jahre«, trällerte sie laut mit ihrer jugendlichen Stimme.