«Sie ist verdammt verärgert!«
«Du bist verärgerter als sie.«
«Klar bin ich verärgert. Ich kann's nicht fassen, daß du so dumm bist, erstens es überhaupt zu tun — und dich dann erwischen zu lassen!«
«Ich kann's nun nicht mehr ändern.«
«Du kannst deinen Abschluß woanders machen. Danach wirst du wer weiß wohin gehen.«
«Ich geh nirgends hin. Ich geh arbeiten.«
Bunny hob eine Hand.»Oh lala! Du wirst in null Komma nichts verheiratet sein, und wer weiß, wo du dann landest.«
«Ich will nirgends landen. Ich will hier bleiben. Hab viel darüber nachgedacht. Ich liebe Surry County. Ich weiß nicht, ob Mom schon mit dir gesprochen hat, ich würde gern in eurem Gärtnereibetrieb arbeiten. Ich möchte das Gewerbe gern lernen, von Grund und Boden auf, sozusagen. Und. ich bin hier zu Hause.«
«Zu Hause bist du, wo dein Ehemann ist.«
«Tante Bunny, zu Hause bin ich da, wo ich's sage. «Ein feuriger Blitz ging von Vic aus.
Das raubte Bunny für einen Moment die Sprache.»Hier gibt's keine Jobs, und Männer verdienen mehr als Frauen.«
«Das ist mir schnuppe. Ich lebe in Surry County.«»Vic, manchmal muß ich mich über dich wundern. Ich glaube, du meinst es ernst.«
«Und ob. «Ihre Wut verebbte, und sie scherzte:»Vielleicht mache ich einen Konkurrenzhandel auf. Cadillac. Die Autos kann ich dann den Wallaces verkaufen.«
«Bei ihrer Fahrweise wären sie Stammkunden.«
Bunnys Laune hellte sich auf.»Mit Blechkisten handeln. ein hartes Geschäft. Und ich hab jeden verdammten Händler in Virginia angerufen und versucht, den zwei verrückten Weibern günstige Cadillacs zu besorgen. Ich kann dir sagen. ein hartes Geschäft.«
«Hat Mom mit dir gesprochen?«Vic kam auf das Thema zurück, das ihr am meisten am Herzen lag.
«Ja. Wir setzen uns nach Weihnachten zusammen, um es ausführlich zu diskutieren. Im Moment ist zu viel anderes zu tun, und diese Sache erfordert unseren vollen Einsatz. «Bunny hielt inne.»Was hast du für Charly gekauft?«
«Noch nichts. Ich möchte ihm eine Bomberjacke schenken, aber ich hab das Geld nicht. Sag, was würde Onkel Don Freude machen?«
«Vitamine.«
«Wirklich?«
«Dem Mann muß geholfen werden. «Bunny warf den Kopf auf die Seite.»Kauf ihm Vitamin B und Ginseng, alles, was der Erneuerung der Kraft dient.«
«Wenn du's sagst. Was wünschst du dir?«
«Einen Mann mit erneuerter Kraft.«
Vic lächelte.»Ich laß mir was einfallen.«
Bunny griff in ihre tiefe Rocktasche und zog einen Packen 20- Dollar-Scheine hervor.»Hier. Kauf deinem Freund die Jacke.«
«Tante Bunny. danke. Aber das kann ich nicht annehmen.«
«Mach deinen Abschluß.«
«Das kann ich nicht versprechen.«
Mattgesetzt sagte Bunny schließlich:»Nimm das Geld trotzdem. Kauf ihm die Jacke. Übrigens, hast du heute die Williamsburger Zeitung gelesen?«
«Nein. Ich war früh auf, um Chris nach Norfolk zum Flugplatz zu fahren.«»Da ist ein Foto von der Marienstatue drin. Und sie ist angezogen wie der Weihnachtsmann. Hast du wieder zugeschlagen?«
«Nein. Ehrlich.«
«Das freut mich zu hören. Wenigstens bist du klüger geworden. Und wie's scheint, hast du eine Tradition ins Leben gerufen.«
«Ich muß mir unbedingt die Zeitung besorgen.«
«Hab ich im Büro.«
Sie marschierten in Dons Büro, vorbei an Hojo, die wieder ihren Kommandoposten bezogen hatte. Hinter Bunnys Rücken machte Vic ihr im Vorbeigehen das Okay-Zeichen.
Als Vic die Fotografie in der Zeitung sah, wieherte sie, dann kicherte sie und lachte dann laut heraus.»Ich hätte ihr ein Cocktailkleid angezogen.«
«Ts, ts«, schalt Bunny, hatte aber offensichtlich Spaß an der Idee.
37
Vic rief Chris jeden Tag an. Chris konnte es nicht erwarten, fortzukommen, konnte es nicht erwarten, bis Weihnachten vorbei, bis sie wieder in Vics Armen war. Ihre Mutter, die einen Perfektionsfimmel hatte und deswegen unablässig enttäuscht war, drehte über die Feiertage durch und trieb auch alle anderen zum Wahnsinn. Davon abgesehen war das Leben prima.
Einmal kam R. J. vorbei, als Vic gerade Schluß machte und» ich liebe dich «sagte.
«Charly?«, fragte sie, als Vic aufgelegt hatte.
«Nein.«
Ihre Mutter stutzte kurz. Das Geschirrtuch, das sie zum Silberputzen benutzt hatte, hing schlaff an ihrem Rockbund.»Ein Rivale?«
«Mutter.«
«Hör mal, Schätzchen, man sagt Leuten nicht einfach so, daß man sie liebt.«
«Ich liebe dich«, erwiderte Vic schelmisch.
«Ich liebe dich auch. Darf ich annehmen, daß du's mir nicht sagen wirst?«
«Ja.«
R. J. wollte gerade mit ihrem Geschirrtuch nach Vic werfen, als das Telefon in der Küche erneut klingelte. Sie griff an ihrer Tochter vorbei und nahm den Hörer ab.»Hallo?«
«Frohe Weihnachten, Mrs. Savedge«, wünschte ihr Charlys tiefe Stimme.
«Dir auch fröhliche Weihnachten. Du willst bestimmt dein Mädchen sprechen, sie steht direkt neben mir.«
«Danke.«
Sie reichte ihrer Tochter den Hörer, ging zu dem frisch geputzten Silbertablett, stellte Teekanne, Kaffeekanne, Sahnekännchen und Zuckerschale darauf und trug alles ins Eßzimmer.
Vic rief hinüber:»Mom, Charly möchte nachher vorbeikommen — ist das okay?«
R. J. rief zurück:»Na klar.«
Mignon kam zu ihrer Mutter ins Eßzimmer.»Mom, sag Dad, er soll den Christbaumständer aufstellen. Ich kann das nicht.«
«Wetten, daß du's kannst?«
«Ach Mom.«
«Mignon, es ist eine Menge zu tun. Jetzt überwinde dich und gib dir einen Ruck, um diese überaus mühsame Aufgabe in Angriff zu nehmen.«
Mignon kniff die Augen zusammen.»Du kannst manchmal so gemein sein.«
«Mütter sind dazu geschaffen, gemein zu sein.«
Vic trat ins Eßzimmer.»So, und jetzt?«
«Hol den Baum rein. Aber das kannst du nicht, bevor deine kleine Schwester — ich verbessere, deinegeplagte kleine Schwester — den Ständer aufstellt.«
«Ich mach dir 'nen Vorschlag«, sagte Vic zu Mignon.»Ich stell den Ständer auf, wenn du die Lichter dran steckst.«
«Ich hasse das.«
«Du haßt alles, was nach Arbeit aussieht. Such dir's aus.«
«Wenn wir die Lichter zusammen dran stecken, dauert es nur halb so lange«, feilschte Mignon.
«Wenn wir die Lichter zusammen dran stecken, endet es damit, daß ich es ganz allein mache.«
«Nein. Wir teilen die Stränge auf. Du nimmst die eine Hälfte und ich die andere. Ich muß meine Hälfte fertig kriegen, egal wie. Das ist doch fair, oder?«
«Na gut.«
R. J. lachte.»Mignon, du wirst noch mal in der Politik landen.«
Drei Stunden später beherrschte die riesige Douglastanne, fest verankert in ihrem Ständer, erhellt von bunten Lichterketten, die am weitesten vom Kamin entfernte Ecke des Wohnzimmers. Piper hatte sich unter dem Baum schon ein Bett gemacht.
R. J., Vic und Mignon trugen die Schachteln mit Christbaumschmuck herein, die in einer großen Holztruhe im Keller aufbewahrt wurden. Einige Kugeln stammten aus den späten 1800er Jahren, und eine war von 1861 und hieß»die Kriegskugel«. Die meisten stammten aus den 1950ern, als R. J.s Mutter einem Weihnachtskaufrausch erlegen gewesen war.
Sie begannen an den inneren Baumzweigen und arbeiteten sich nach außen vor. Genauso hatten Vic und Mignon auch die Lichter angebracht. Auf diese Weise erreichten sie Tiefe und Fülle. R. J. duldete keine Schluderei.
Als alle Kugeln an ihrem Platz waren, wurde der Vorgang mit Eiszapfen wiederholt. Dann wanden sie die goldenen Girlanden außen herum, von oben nach unten, und steckten schließlich den großen goldenen Stern auf die Spitze.