«Ich liebe dich. Was immer in unserem Leben geschieht, du sollst wissen, daß ich dich liebe.«
Draußen ertönte eine Autohupe.
«Ich geh nachsehn«, rief Mignon aus der Küche und sauste durch die Diele und zur Haustür hinaus.
Charly und Vic standen auf. Sie legte die Arme um seinen Hals, drückte sich fest an ihn und küßte ihn.»Ich werde dieses Weihnachten nie vergessen.«
«Da du mir kein klares Ja gegeben hast, darf ich annehmen, daß es ein klares Vielleicht ist?«
«Sicher. «Sie erschauerte wegen ihrer Feigheit.
«Mom, Vic!«, brüllte Mignon aus dem Vorgarten.»Kommt schnell!«
Vic flitzte aus dem Wohnzimmer und durch die Diele. Mignon hatte die Haustür aufgelassen.»Mignon, was.?«
Charly kam ihr nach. Sie gingen hinaus zu R. J. und Mignon und erblickten Edward Wallace am Steuer seines neuen Transporters. Yolanda auf der Ladefläche hatte zur Feier des Tages ein Elfenhütchen auf. Sie mampfte Luzerne, das Beste vom Besten, und war die glücklichste aller Kühe.
In bester Laune stieg Edward aus seinem Wagen und überreichte R. J. eine sehr teure Flasche Brandy.»Du hast den besten verdient, R. J. Fröhliche Weihnachten. Oh, und eine Kleinigkeit für die Mädels. «Er schenkte Vic und Mignon je ein Stück Milchseife, mit rotem Baumwollband umwickelt.
«Edward, komm gleich mit rein, wir haben eine Kleinigkeit für dich. «R. J. legte ihm ihren Arm um die Schulter.
«Poppy ist gleich wieder da«, rief Edward Yolanda zu, die ihn gar nicht beachtete.
Piper, die endlich aufgewacht war, schoß nach draußen, sah Yolanda und fing an zu bellen.
«Genug jetzt«, befahl Vic ihr.
Der aufgeregte Hund hörte auf zu bellen, beschloß aber, sich dort hinzusetzen und Yolanda mit dem bösen Blick zu bannen.
Gerade als Vic die Tür schließen wollte, sah sie zwei Scheinwerfer durch die Zufahrt rasen.»Charly, ich glaub, das ist Sissy!«
Sie war es, und sie hatte einen Affenzahn drauf. In der weiten Kurve der Zufahrt drosselte sie das Tempo ein bißchen, fuhr dann geradeaus und steuerte direkt auf die Seite des prachtvollen blau-silbernen Transporters ihres Vaters zu.
«Sissy, weg vom Gas!«, brüllte Vic.
Die Augen geradeaus gerichtet, rammte Sissy den Transporter so stark, daß Yolanda auf die Knie sank.
«Herrgott im Himmel. «Charly sprintete zu Sissy.
«Mir fehlt nichts. Ich will die gottverdammte Kuh da töten. «Sissy stieß Charly in die Brust.»Hamburger. Verstehst du mich, Poppy? Hamburger.«
Vic schwang sich auf die Ladefläche und untersuchte Yolanda. Sie fand nur eine kleine Schramme am rechten Vorderknie.»Halb so schlimm, Yolanda, davon stirbt man nicht.«
Mit dem Glas in der Hand, denn er hatte seinem eigenen Brandy zugesprochen, stürmte Edward nach draußen.»Du Mistbiene! Hörst du mich, Sissy? O Yolanda, wie geht's meinem Baby?«
«Ihr fehlt weiter nichts, Mr. Wallace«, versicherte Vic ihm.»Sie hat sich das Knie aufgeschrammt.«
Er kletterte hinauf, ziemlich behende für einen alten Mann, und strich mit den Händen über Yolandas Beine.»Alles in Butter, Zuckerpuppe. «Dann sprang er hinunter wie einer, der halb so alt war wie er. Er zeigte auf Sissy, zugleich bückte sich R.J. um das Glas aufzuheben, das er beiseite geworfen hatte.»Du wirst aus meinem Testament gestrichen. Ein für alle Mal!«
«Wen nennst du Mistbiene, du alter Quatschkopf? Du bist verdammt noch mal zu schäbig, um zu sterben. Du kannst dir dein Testament dahin stecken, wo die Sonne nicht hinscheint!«Sissy war sichtlich vom Feiertagsgeist der flüssigen Art beseelt.
Edward beachtete sie nicht.»R. J. hast du einen Platz, wo ich meine Yolanda lassen kann? Ich sollte sie unter diesen Umständen wohl lieber nicht nach Hause fahren. Ein Plätzchen, wo sie's warm hat?«
R. J. überlegte.»Weißt du was, die Mädchen können den Gartenschuppen ausräumen. Der hat einen Zaun drumrum, Edward. Da ist sie gut aufgehoben. Ich kann ihr eine Decke überwerfen. Mädels!«R. J.s Stimme hatte einen Kommandoton angenommen.
«Ich helfe euch. «Charly eilte mit ihnen davon.
Vic sauste ins Haus und schnappte sich eine Jacke und Handschuhe. Sie brauchten zwanzig Minuten, aber dann hatten sie den Gartenschuppen in einen leidlich guten Zustand gebracht und dafür gesorgt, daß dort nichts war, auf das Yolanda treten, woran sie sich scheuern oder was sie fressen konnte.
R. J. - jetzt unterstützt von Frank, der nach Hause gekommen war — hielt die zwei streitenden Wallaces voneinander fern.
Voll Sanftheit, der Sanftheit Josefs, mit der er Maria zu dem Stall führte, brachte Edward Yolanda mit Engelsgeduld zum Gartenschuppen. Charly und Frank trugen ihre Luzerne hinein.
Yolanda machte es sich sofort bequem. Mignon holte eine alte Decke, die sie ihr mittels eines Riemens, den sie über ihrer Brust kreuzten, und eines zweiten, den sie um ihre gewaltige Mitte legten, umschnallten. Yolanda mochte alt sein, aber sie war ein sehr gut genährtes Tier. Sie stellten einen großen Eimer mit frischem Wasser in die Ecke.
«So Edward, nun mach dir mal keine Sorgen. Wir knacken morgens das Eis in ihrem Eimer auf. Ihr wird es an nichts fehlen«, beruhigte R. J. ihn.
«Wenn der Wagen noch fahren kann, stelle ich ihn Don vor die Tür. Frank, fährst du hinter mir her?«
«Ich kann hinter dir herfahren«, erbot sich Sissy.
«Du kannst hinter mir zur Hölle fahren, das kannst du. «Er kehrte seiner Jüngsten den Rücken zu.»Du kriegst keinen Cadillac!«
Das schmerzte mehr als die Drohung, aus dem Testament gestrichen zu werden. Nachdem sie so oft ausgesprochen worden war, war die Wirkung verpufft.
«Ist die hydraulische Hebebühne nicht das schönste Werkstück, das man je gesehen hat?«Der alte Mann drückte auf den Knopf, und wie durch ein Wunder glitt die Hebebühne wieder an Ort und Stelle.
Zum Glück hatte Sissys Attacke die Seite des Transporters beschädigt, nicht das Heck.
«Leute, wartet nicht mit dem Essen auf mich. Ich esse, wenn ich nach Hause komme. «Frank küßte R. J. auf die Wange, stieg in sein Auto und folgte Edward aus der Zufahrt — der Dodge ließ sich ganz gut fahren, wenn man die Umstände bedachte.
Sissy stand mitten in der Zufahrt, es fehlte nicht viel, und ihre Unterlippe wäre auf den Boden geklappt.»Ich hasse ihn. Ihr habt ja keine Ahnung, wie sehr ich ihn hasse. Und Georgia auch, die scheinheilige Zicke! Georgia hat Sex mit jungen Männern. Sie bezahlt sie. Ich krieg wenigstens Freiwillige!«
«Komm, Sissy, laß uns das später besprechen, ja?«R. J. war rot geworden.»Möchtest du Abendessen?«
«Nein, ich möchte einen neuen Vater und einen neuen Cadillac und einen gut aussehenden Mann, der mich verwöhnt. Wenn's keinen gut aussehenden Mann gibt, dann tut's auch ein häßlicher mit 'nem großen Schwanz. «Sie knallte ihre Autotür zu und setzte rückwärts aus der Zufahrt.
«Hat sie gesagt, was ich denke, das sie gesagt hat?«Mignons Mund stand weit offen.
«Mund zu, oder willst du Fliegen fangen?«Vic mußte so lachen, daß ihr die Seiten wehtaten.
«Hat sie. «Charly wischte sich die Stirn ab, mehr aus Nervosität als aus Überanstrengung.
«Los, ihr Lieben, Abendessen«, trällerte R. J.»Abendessen.«
Erst als sich alle gesetzt hatten, bemerkte Mignon den Diamanten.»Himmel, ist das ein Klunker!«
R. J. legte die Serviergabel hin und nahm die Hand ihrer Tochter.»Herzchen, der ist schön, umwerfend. Das ist der schönste Diamant, den ich je gesehen habe. «Ihre Augen wurden feucht.»Bedeutet es das, was ich denke?«
Vic räusperte sich.»Nicht direkt. Es bedeutet, wir werden alles regeln, wenn Charly sein Examen hat.«
Einen Augenblick waren alle still. Dann ertönte aus dem Gartenschuppen ein glorreiches, glückliches» Muh«.
38
Am 22. Dezember um halb elf klingelte das Telefon. Bis dahin war es himmlisch ruhig gewesen. abgesehen von Yolanda. Vic und Mignon waren unterwegs zur Futterhandlung. Sie kauften einen Sack proteinhaltiges Mischfutter, Mais, Melasse, weiteres Getreide und baten GooGoo (so genannt, weil er sich morgens, mittags und abends von GooGoo-Riegeln ernährte), einen Ballen Heu für Yolanda vorbeizubringen. Sie würde nicht so bald heimgeholt werden, da Edward um ihr Leben fürchtete.