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Als Vic nach einer Stunde wieder die Zufahrt entlang gefahren kam, öffnete ihre Mutter die Hintertür und sagte:»Vic, ruf Chris an. Sie sagt, es ist wichtig. Ich muß schnell zu Regina Baptista. Lisa ist beim Ladendiebstahl erwischt worden.«

«Was?«Vic war überrascht, aber Mignon, die sich still verhielt, wunderte sich kein bißchen.

«Ich weiß nicht, wie lange ich weg sein werde. Zuallererst muß ich Regina beruhigen, die ihre überfließenden Gefühlsströme nicht in den Griff kriegt. Dann verfrachte ich Mutter und Tochter zu deinem Vater. Er wird das Nötige veranlassen.«

Vic und Mignon hasteten durch die Hintertür.

«Können wir irgendwas tun?«

«Nein, eigentlich nicht. Wenn's Probleme gibt, ruf ich an. Habt ihr das Futter für Yolanda?«

«Sie wird sich freuen. GooGoo bringt später Heu vorbei.«

«Wenn ich nach Hause komme, überlegen wir uns mal, ob wir den alten Tabakschuppen herrichten können. Der Gartenschuppen ist ein bißchen klein für sie. Trotzdem macht sie einen ganz zufriedenen Eindruck. Wir lassen uns was einfallen. Ah, ich weiß, was ihr tun könnt. «Sie sahen sie erwartungsvoll an.»Eine kleine Weide abgrenzen. Wir haben genug Krempel herumliegen, damit können wir sicher einen Zickzackzaun zusammenschustern. Falls das nicht klappt, kann Edward Holz für einen Bretterzaun vorbeibringen.«

«Ich kann keine Löcher für Pfähle graben, wenn der Boden gefroren ist. «Mignon hatte nicht die Absicht, Löcher zu graben.

«Es friert nur nachts, Herzchen. «R. J. lächelte sie übertrieben liebevoll an.»Also, haltet die Stellung.«

«Mom, falls Jinx mit dir hierher kommen möchte, bring sie mit, ja?«Vic, die vorgehabt hatte, sich heute mit Jinx zu treffen, fand, daß sie unter den gegebenen Umständen nicht zu den Baptistas fahren sollte.

«Jinx muß zu Hause bleiben und das mit ihrer Familie durchstehen. «Sie gab jeder Tochter einen Kuß auf die Wange und fuhr los.

Vic sagte zu Mignon:»Du hast's gewußt.«

«Äh-hm.«

«Du kannst tatsächlich Geheimnisse für dich behalten.«

«Bei Baptistas ist die Hölle los. «Mignon zuckte mit den Achseln.

«Frohe Feiertage«, sagte Vic sarkastisch.

«Hör mal, ich könnte deinen Ring für dich tragen, wenn deine Hand müde wird.«

«Raus mit dir!«Vic schob sie weg.»Lauschen verboten. Ich ruf meine Freundin an.«

«Sie schenkt dir bestimmt keinen fünfkarätigen Diamanten. Du wirst Charly den Ring zurückgeben müssen.«

«Wenn sie einen hätte, würde sie ihn mir schenken. Und, du Klugscheißerin, ich hab versucht, ihm den Ring zurückzugeben, ehrlich.«

«Siehst du, das ist das eigentliche Problem, wenn man lesbisch ist. Kein Verlobungsring. Keine Hochzeitsgeschenke. Keine Flitterwochen.«

«Jeder Tag ist Flittertag. Verdufte. Ich find dich schon, wenn ich fertig bin, dann können wir die Weide für Yolanda abgrenzen.«

Mignon stapfte die Treppe hinauf. Sie mußte noch Geschenke einpacken, und sie rechnete damit, daß Vic eine ganze Weile telefonieren würde, zumal R. J. nicht da war.

Vic wählte die Vorwahl 717 und Chris' Nummer. Chris nahm ab.»Vic, Gott sei Dank.«

«Ich war heute Morgen weg, Kuhfutter besorgen und.«

Chris unterbrach sie.»Kannst du mich um halb drei in Norfolk vom Flugplatz abholen?«

«Chris, was ist passiert?«

Es folgte ein ersticktes Schweigen, dann ein tiefer Atemzug.»Ich bin schwanger.«

39

Chris stürmte über die Rollbahn und warf sich in Vics Arme. Da auch andere, die über Weihnachten nach Hause kamen, sich umarmten und küßten, wirkte ihre Wiedervereinigung nicht so abwegig, wie sie Leuten, die an den Anblick von schmusenden Frauen nicht gewöhnt waren, sonst vielleicht erschienen sein mochte.

Sie mußten anderthalb Kilometer zu dem Impala laufen, weil der Parkplatz voll war. Sobald sie den Flugplatzbetrieb hinter sich hatten, fingen beide an zu reden.

«Es ist nicht, was du denkst«, sagte Chris.

«Was meinst du damit?«

«Ich bin mit niemand ins Bett gegangen außer mit dir. Ich meine, nicht mit Männern ins Bett gegangen. Es war das eine Mal mit Charly. «Sie war fest entschlossen, nicht zu weinen.

«Was anderes ist mir gar nicht in den Sinn gekommen«, erwiderte Vic freimütig.»Wann hast du's gemerkt?«

«Gar nicht. Meine Periode ist ausgeblieben, aber da führe ich sowieso nicht genau Buch. Es verging eine Weile, und ich fühlte mich gut, aber anders. Ich kann's nicht erklären, aber irgendwie wußte ich, daß da was war. Darauf bin ich zu Hause zu meiner Ärztin gegangen, die ich sehr schätze. Und ja, ich bin schwanger.«

«Ich bin zu jung, um Vater zu werden. «Vic nahm Chris' Hand.

Chris lächelte matt.»Wenn du nur der Vater wärst, Vic, wenn du's nur wärst.«

«Möchtest du das Baby?«

Chris drückte Vics Hand.»So würde ich das nicht ausdrücken. Ich möchte keine Abtreibung. Das kann ich nicht, Vic, ich kann's einfach nicht.«

«Okay, okay. Ich wollte das gar nicht vorschlagen. War bloß 'ne Frage. Ist ja nicht mein Körper. Ich kann das nicht entscheiden.«

«Würdest du mich heiraten, wenn du könntest?«»Das weißt du doch. Herrje, wir haben jetzt eine Menge Entscheidungen zu treffen. Du kannst dieses Jahr auf dem College zu Ende machen, aber ich weiß nicht, wie du mit einem Baby durch dein Abschlußjahr kommen kannst.«

«Ich mach den Abschluß später. «Ein trauriges Schweigen folgte.»Weißt du von Kindern, die von zwei Frauen aufgezogen werden?«

«Meinst du ein Liebespaar?«

«Ja.«

«Nein, aber woher soll ich das wissen? Solche Sachen erzählen einem die Leute nicht. «Vic drückte Chris' Hand, bis sie für eine Kurve beide Hände am Steuer brauchte.

«Meine Eltern bringen mich um. «Tränen traten Chris in die Augen, dann hob sie leicht den Kopf.»Weißt du was? Es ist mir vollkommen schnuppe, was sie denken. Meine Mutter will alles perfekt haben, und das kriegt sie nicht. Ich weiß nicht mal, ob ich's ihr überhaupt erzählen werde. Ich geh nicht zurück.«

«Wir müssen es meiner Mutter sagen. «Vic bremste leicht vor der Kurve.

«Das hat noch Zeit. Es ist vorerst nicht zu sehen, und ich geh noch aufs College. «In Chris' Miene deutete sich Panik an.»Ich werde nicht unterrichten können.«

«Warum nicht?«

«Erstens werde ich ein uneheliches Kind haben. Und früher oder später werden die Leute rauskriegen, daß ich lesbisch bin. Verdammter Mist!«

«Und wenn du einen Mann heiraten würdest? Einen, den du kennst?«

«Vic, wen?«

Vic hob die Schultern.»Keine Ahnung.«

«Charly? Also das wird nicht gehn, weil er ja dich heiraten will. Einen Schwulen?«Chris drehte sich zur Seite und sah Vic an.»Das mach ich nicht. Nichts davon.«

«Okay.«

«Möchtest du denn, daß ich so was mache?«

«Nein. Ich hab bloß an deinen Lehrberuf gedacht, weiter nichts.«

In diesem Moment bemerkte Chris, von Gefühlen übermannt, den Diamanten an Vics Finger.»Vic. «Sie zeigte auf den funkelnden Ring.

«Er hat mir einen Heiratsantrag gemacht. Ich hab ihn hingehalten. Ich wollte ihm den Ring umgehend zurückgeben, aber er hat gesagt, er will, daß ich ihn behalte, so oder so.«

Chris sank in sich zusammen.»Oh, heirate ihn, Vic. Dein Leben wird so viel leichter sein.«

Vic fuhr an den Straßenrand.»Hör mal, ich weiß nicht, was wir tun sollen. Ich bin schließlich noch nie lesbisch gewesen. Ich habe vorher noch nie geliebt, und jetzt werde ich, ich werde Vater, Mutter — gibt's einen Namen dafür? Ich weiß nicht, was wir tun sollen, aber Gefühlsduseleien bringen uns nicht weiter. Mir ist damit auch nicht geholfen. Also hör auf damit. Ich werde Charly nicht heiraten. Wir kriegen das schon irgendwie hin. Herrje, es ist ja nicht das Ende der Welt. «Sie legte ihre Hand in Chris' Nacken, zog sie an sich und gab ihr einen dicken Kuß.