Bunny war hübsch, Nora sexy.
Chris sah Vic an, die beides in Hülle und Fülle hatte. Was sie selbst betraf, war Chris sich nicht sicher, was sie hatte — aber sie wußte, daß es ihr nie an männlicher Beachtung fehlte.
Mignon kam zurückgesprintet.
«Gut gemacht«, lobte Vic.
«Hat Tante Bun keine Handgranate geworfen?«
«Noch nicht«, sagte Jinx, dann wandte sie sich Chris zu.»Willkommen in Surry County.«
Chris lachte.»Mir gefällt's hier.«
«Okay, Vic. «Mignon stieg vorne ein.
«Nicht okay. Chris, du sitzt vorne. Du bist der Gast.«
Dagegen konnte Mignon nichts einwenden, drum stieg sie zu Jinx auf den Rücksitz.
«Gehst du mit mir heute Abend zu dem Footballspiel? Wir spielen gegen Smithfield.«
«Nein. «Vic fuhr vom Parkplatz und winkte dabei den Leuten zum Abschied.»Hast du keine Verabredung?«
«Nein. «Mignon verzog das Gesicht.
«Was hast du gegen Buzz Schonfeld?«Jinx lächelte; sie wußte, wenn Mignon mit Buzz ginge, würde Bunny in Ohnmacht fallen.
«Sehr komisch. «Eine Pause.»Ich bin bei den Jungs nicht sehr gefragt. «Sie setzte sich aufrecht.»Chris, dich mögen sie bestimmt. Du bist schön.«
Chris wurde rot.»Danke.«
«Geh doch mit Lisa hin«, schlug Jinx vor. Lisa war ihre jüngere Schwester, auf die sie nicht allzu gut zu sprechen war.
«Vielleicht«, sagte Mignon ohne Überzeugung.
«Na komm, Mignon. Tu nicht so hilflos. Wenn du mit jemand zu dem Spiel gehen wolltest, würdest du gehen.«
Mignon zuckte mit den Achseln. Sie war ein beliebtes Mädchen, aber sie hatte mit den Hormonschüben in ihr und anderen zu kämpfen und wurde manchmal von der Ungehobeltheit ihrer Mitschüler im zweiten Highschooljahr überrumpelt.
«Kurskorrektur«, trällerte Jinx.»Heiß. Eis. Uns ist heiß.«
«.wir wollen Eis«, fielen die anderen ein.
Vic fuhr in die Stadt und steuerte die Eisdiele an. Die langen schrägen Sonnenstrahlen färbten sie alle bronzebraun, und der Wind blies Chris' Bluse auf, die sie wegen der Hitze ohnehin schon weit aufgeknöpft hatte.
Vic bemerkte das Sonnenlicht auf Chris' Brüsten, und unvermittelt schoß eine Flamme wie eine Eidechsenzunge durch sie hindurch.
6
Scharlachrote Bänder entrollten sich auf dem James. Die Savedges liebten es, gemeinsam den Sommersonnenuntergang zu betrachten. Sie saßen im Halbkreis auf ihren Stühlen im Hof, der auf den frisch gemähten Rasen hinaussah und ihnen eine herrliche Aussicht bot, und plauderten über die Ereignisse des Tages.
Frank, herzlich, aber reserviert, sonnte sich in seiner Rolle als Hahn im Korb. Er fand Vics neue Freundin mit den aschblonden Haaren, der schlanken Figur, dem breiten Lächeln ungemein attraktiv. Seine Überzeugung, mit der wunderbarsten Frau seiner Generation verheiratet zu sein, hinderte ihn nicht daran, andere Frauen zu bewundern. Anders als Don McKenna fiel Frank nie von Bewunderung in Lüsternheit. Er hatte zu viele Männer gesehen, die sich damit ruiniert hatten. Er fand Schönheit grausam, wenngleich die Frauen, die sie besaßen, es nicht waren.
«… dicke fette Kuh«, faßte Mignon ihre Ansicht über Marjorie Solomon zusammen.
«Wenn du nichts Nettes sagen kannst, hältst du am besten den Mund. «Vic stützte ihre Beine auf einen Holzschemel, den sie sich mit ihrer Mutter teilte. Sie sahen fast wie Zwillinge aus.
«Ach, hör doch auf. «Mignon verdrehte die Augen himmelwärts.
«Sie hat Recht, Mignon. Du weißt nicht, was Marjorie Solomon fehlt. «Frank kaute auf einem Minze zweig, den er aus seinem Glas gefischt hatte.
«So?«Mignon erhoffte sich die Enthüllung einer Leidensgeschichte. Vielleicht litt Marjorie an Leukämie und würde in Kürze von dieser Erde scheiden, was hieß, daß sie nett zu ihr sein mußten. Oder vielleicht war ihr Vater ein heimlicher Säufer. Mignon ergötzte sich an Visionen von tiefstem Elend.
«Sie muß wegen einem Abszeß am Niednagel das Bett hüten«, sagte Jinx. Sie zog dabei die Wangen nach innen und machte ein so komisches Gesicht, daß Vic lachen mußte.
«Haha. «Die kleine Schwester warf den Kopf zurück und bat ihren Vater mit flehendem Blick um die wahre Geschichte.
«Herzchen, ich weiß nicht, was Marjorie Solomon fehlt, aber ich weiß, was dir fehlt, wenn du nicht hinguckst. «Er zeigte auf den Sonnenuntergang, karmesinrot, rosa und purpurrot mit goldenen Flammen.
Das prachtvolle Schauspiel zog alle in seinen Bann, bis Mignon, die ihm die allerkürzeste Aufmerksamkeit zuteil werden ließ, bemerkte:»Sie ist vermutlich voll von Hass, weil sie Jüdin ist.«
«Es reicht«, ermahnte R. J. ihre Jüngste streng.
«Mom, ist doch wahr. Die Leute haben seit Tausenden von Jahren was gegen Juden.«
«Herrgott, Mignon, jetzt haust du auch noch in diese Kerbe. «Vic schüttelte den Kopf.
«Uneinsichtige Menschen brauchen Sündenböcke. Warum nicht diejenigen erniedrigen, die erfolgreich sind? Man lädt die eigenen Sünden auf sie ab, wird sie los und nimmt sich alles, was sie sich auf dieser Welt erworben haben«, erwiderte Frank ruhig, doch er war wütend auf Mignon.
«Dad, du hast Recht, aber Mignon hat uns wenigstens gesagt, was sie denkt«, sprang Vic Mignon bei.»Wenn sie so spricht, dann tun es die anderen in der Schule auch. Jetzt können wir wenigstens darüber reden. «Vic wandte sich Mignon zu, die sichtlich bestürzt war, weil sie ihren Vater verstimmt hatte. Sie verstanden sich alle gut darauf, in Frank zu lesen.»Marjorie mag ja 'n Miststück sein, aber nicht, weil sie Jüdin ist. Denk an Walter Rendell. Er ist der Schlimmste, dabei ist er Episkopale.«
«Tut mir Leid. «Und sie meinte es ehrlich.
«Um das Thema zu wechseln, Chris, was ist dein Hauptfach?«Frank lächelte sie an.
«Gute Frage, Mr. Savedge. Ich habe dreimal gewechselt. Vielleicht versuch ich's mal mit Englisch. «Sie lachte, dann sagte sie:»Was war Ihr Hauptfach?«
«Geschichte.«
«Daddy war auf der Princeton-Uni. Kaum sieht er die UniFarben Schwarz und Orange, schon wird ihm ganz schwummerig vor Nostalgie. «Mignon suchte ihn zu besänftigen.
«Mein Dad war in Colgate.«
«Gute Uni«, erwiderte Frank.
«Aber nichts gegen Princeton«, sagten Vic und Mignon wie aus einem Munde.
«Ein Familienscherz«, klärte Jinx Chris auf, die das bereits vermutet hatte.
«Hast du deine Mutter angerufen?«R. J. griff in ihre Tasche, zog ein kleines rundes Bohnensäckchen heraus und warf es Jinx zu.
Das reizte Piper, die sich zumindest für den Augenblick von dem abgekehrt hatte, was auch immer sich unter dem Tabakschuppen befinden mochte.
Jinx warf Chris das Bohnensäckchen zu, die es Vic zuwarf. Das Säckchen flog hin und her.
«Ich hab sie angerufen. Sie ist sauer auf mich. Sie will, daß ich nach Hause komme, und ich hab gesagt, ich schau morgen vorbei. «Jinx schnappte sich das Bohnensäckchen aus der Luft.
«Hey«, sagte Mignon.
«Wer pennt, verliert. «Jinx streckte den Arm und warf das Säckchen über den Kopf zu Vic hinüber.
Trotz seiner finanziellen Schwierigkeiten war Frank im Glanz des Sonnenuntergangs total entspannt; er beobachtete die kleinen Boote und größeren Schiffe, die ihren schmucken Häfen zustrebten. Das Geräusch des ans Ufer plätschernden Wassers beruhigte ihn.
Wie so viele blendend aussehende Männer war er sich seiner Wirkung auf andere nur schwach bewußt. Breitschultrig, groß, mit kräftiger, ebenmäßiger Kinnpartie — wer ihn sah, mußte unwillkürlich lächeln. Er konnte sich ungezwungen mit Männern oder Frauen unterhalten. Und er würde sich gleich mit Sissy Wallace unterhalten müssen, weil sie die Zufahrt so schnell hochgesaust kam, daß ihre Reifen einen Abrieb hinterließen.
R. J. stand auf.>Sissy Wallace, mit Vollgas.<