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Er antwortete erst mit einiger Verspätung auf Frederics Frage. »Ich bin nicht ganz sicher, welcher Spur wir folgen sollen.«

»Der Hauptspur, natürlich«, sagte Frederic. »Wir haben sie fast eingeholt. Noch ein paar Stunden, und ...«

»Du solltest einen Gegner nie unterschätzen«, fiel ihm Andrej ins Wort. Er griff nach den Zügeln und begann das Pferd vorsichtig den Hang hinabzuführen. Unter den Hufen des Tieres lösten sich kleine Felsbrocken und Steine und polterten zu Tal. Es war eine vernünftige Idee gewesen, abzusteigen. Der Boden war abschüssiger, als es von oben den Anschein gehabt hatte. Das Pferd hatte selbst ohne Reiter Mühe, sich auf den Beinen zu halten, und die Spuren, denen sie folgten, bewiesen, daß es den Verfolgten kaum anders ergangen war. Etliche von ihnen mußten gestürzt sein. Andrej fand eingetrocknetes Blut auf den Felsen. Es war noch nicht sehr alt.

Unten im Tal angekommen, hielt er abermals an. Sein Blick irrte unschlüssig zwischen den beiden unterschiedlich breiten Spuren hin und her.

»Worauf wartest du?« fragte Frederic erneut.

Andrej hob die Schultern. »Ich ... weiß nicht«, sagte er zögernd, während er gleichzeitig seine empfindlichen Augen abschattete. »Irgend etwas stimmt hier nicht. Ich habe kein gutes Gefühl.«

»Ich auch nicht«, versetzte Frederic scharf. »Wenn wir noch lange hier herumstehen, dann entkommen sie uns am Ende noch.«

Andrej sagte nichts dazu, aber er musterte seinen Begleiter mit einem langen, sehr nachdenklichen Blick. In Frederics Stimme war ein Ton, der ihm nicht gefiel. Der Junge brannte nicht nur darauf, seine Familie wiederzusehen und die Mörder seines Vaters und seines Bruders zu bestrafen. Da war noch mehr. Er konnte nicht genau sagen, was es war, aber er war ziemlich sicher, daß es ihm nicht gefallen würde.

»Du hast recht«, sagte er lahm. »Laß uns weitergehen.«

Der Überfall erfolgte, als sie die Kuppe des gegenüberliegenden Hügels erreicht hatten. Die Spur verlor sich. Es gab keinen vorgezeichneten Weg durch den Wald, aber die Bäume standen so licht, daß das Durchkommen kein Problem gewesen wäre. Und dieser Waldrand war nicht menschenleer. Jemand war hier. Andrej spürte es so deutlich, als könne er ihn sehen.

Die Gestalt erschien wie aus dem Nichts, ein gewaltiger, goldschimmernder Riese, aus dessen Helm Hörner wuchsen und der mit einem gellenden Kampfschrei auf ihn losstürmte. Delãny riß sein Schwert aus dem Gürtel und wich gleichzeitig in einer komplizierten Dreh- und Rückwärtsbewegung vor dem Angreifer zurück.

Der gehörnte Dämon stürzte mit einem gellenden Schrei auf ihn zu. Sein Schwert, groß wie ein Mann, beidseitig geschliffen und sicherlich mehr als einen Zentner schwer, bewegte sich mit unfaßbarer Schnelligkeit, und Delãny wußte, daß es treffen würde; ebenso sicher und zuverlässig, wie er umgekehrt immer genau spürte, wenn er treffen würde. Die Klinge bewegte sich in tödlicher Präzision auf seine Kehle zu. Andrejs Sarazenenschwert zuckte hoch, aber er war nicht schnell genug; die Strecke, die die Klinge zurücklegen mußte, um das Schwert des Dämonenkriegers abzufangen, war einfach zu lang. Der Angreifer würde ihn enthaupten.

Sein Fuß verfing sich an einem Stein. Delãny kippte nach hinten, und der gewaltige Bihänder des Dämonenkriegers fügte ihm eine bis auf den Knochen reichende, heftig blutende Wunde an der Schläfe zu, statt ihm den Kopf abzuschlagen.

Andrej stürzte, rollte wimmernd vor Schmerz auf die Seite und kämpfte mit aller Gewalt gegen eine drohende Ohnmacht an. Blut lief ihm in die Augen. Für einen Moment war er fast blind, und der Schmerz hinter seiner Stirn wurde immer schlimmer.

Aber der Schmerz hatte auch noch eine andere, unerwartete Nebenwirkung. Aus dem gehörnten Dämon wurde wieder das, was er wirklich war: Ein Mann in einem polierten Messingharnisch, der einen mit angedeuteten Hörnern versehenen Helm aus dem gleichen Material trug und einen anderthalb Meter langen Bihänder schwang. Er war groß, erschreckend breitschultrig und stark, aber kein Gigant und schon gar kein Dämon.

Dennoch fast so gefährlich.

Der Mann mußte ein erfahrener Kämpfer sein, denn er ließ sich von Andrejs heftig blutender Kopfwunde keine Sekunde lang täuschen, sondern sprang mit einem Satz über den Stein hinweg, über den Andrej gestolpert war, spreizte die Beine, um festen Stand zu haben, und schwang seine Waffe hoch über den Kopf, um zu Ende zu bringen, was ihm gerade mißlungen war.

Sein Angriff überschwemmte Andrej mit einer Flut purer, destruktiver Energie. Es war die gleiche, hell lodernde Kraft, die er auch bei Michail Nadasdy fast körperlich gespürt hatte, wenn sie bei einem Übungskampf zu hart aneinander geraten waren, nur daß Michail nicht darauf abzielte, ihn zu vernichten, sondern ihn vielmehr mit seinen Attacken den Weg weisen wollte, mehr zu sich selbst und damit auch zu einem konzentrierten Kampfstil zu finden. Den goldenen Krieger hielt dagegen das Feuer des Vernichtungswillens gepackt. Er wollte nichts weiter, als ihn töten; und das möglichst rasch und ohne eigenes Risiko. Doch damit weckte er in Andrej den Reflex des hervorragend trainierten Kämpfers, und etwas in ihm machte ihn sich - fast ohne sein Zutun - zu eigen und fachte den erlöschenden Lebensfunken in ihm neu an.

Als der Bihänder herabsauste, war Andrej schon nicht mehr da. Die gewaltige Klinge schlug Funken aus dem Stein und pflügte eine zweifingertiefe Scharte in den Boden, exakt dort, wo sich kurz zuvor sein Hals befunden hatte.

Delãny hörte einen enttäuschten Schrei. Ein Geräusch, als schlüge Metall auf Stein oder auf hartes Holz. Noch in der Bewegung, mit der er in die Höhe sprang, wechselte er das Sarazenenschwert von der rechten in die linke Hand und schlug aus diesem vorteilhaften Winkel heraus zu. Er traf nicht, zwang seinen Gegner aber zu einem hastigen Rückzug und hätte diesen Vorteil vielleicht weiter ausbauen können, hätte er nicht gleichzeitig aus dem Augenwinkel eine Bewegung registriert, die nur zu einem weiteren Angreifer gehören konnte. Eine kleinere, aber nicht minder tödliche Klinge züngelte nach seinem Hals.

Delãny vollführte eine komplizierte, rasend schnelle Pirouette, wechselte das Schwert abermals in die andere Hand und führte einen blitzschnellen, geraden Stich nach der Brust des Angreifers. Der rasiermesserscharfe Stahl seiner Klinge stieß fast ohne Widerstand durch den schimmernden Harnisch und fügte dem Mann eine häßliche Fleischwunde zu, sie so manchen Gegner außer Gefecht gesetzt hätte. Ihn hielt sie zumindest auf, und mehr brauchte Andrej im Augenblick nicht. Er machte einen weiteren Schritt zurück, nahm einen Schnitt an der Schulter hin, ohne mit der Wimper zu zucken, und wandte eine jener Kampftechniken an, die er von Michail Nadasdy gelernt hatte, um dem Angreifer mit einem Tritt die Kniescheibe zu zerschmettern.

Der Mann brüllte, ließ sein Schwert fallen und brach zusammen. Er war doch nicht so hart im Nehmen, wie er befürchtet hatte. Der Angriff hatte ihn nachhaltig kampfunfähig gemacht, und Andrej konnte sich wieder dem Gegner in der Messingrüstung zuwenden.

Wie sich zeigte, keine Sekunde zu früh. Der Kerl war zäh, selbst für einen Hünen, der mit einem Schwert kämpfte, das mancher Bauernjunge noch nicht einmal zu heben vermocht hätte. Andrej hatte sich kaum zwei oder drei Sekunden mit dessen Kumpan beschäftigt, aber diese kleine Zeitspanne hatte ihm gereicht, um den Schmerz seiner Verletzung zurückzudrängen; er hatte den Zweihänder in den Boden gerammt und stemmte sich taumelnd an dem Schwertgriff in die Höhe.