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Delãny schmetterte ihn mit einem Fußtritt zurück, fegte das Schwert davon und setzte dem stürzenden Krieger aus der gleichen Bewegung heraus nach. Sein Schwert zielte nach dem Gesicht des Mannes. Er verfehlte sein Ziel, zerschmetterte aber den Helm und fügte dem Goldenen einen Kratzer zu. Über die Lippen des Riesen kam nicht der mindeste Laut, aber Andrej wußte, was er in diesem Moment empfand - Schmerz, Todesangst. Die absolute Gewißheit, daß es vorbei war.

Er genoß es.

Eine winzige Bewegung seines Handgelenks hätte gereicht, um der Sache ein Ende zu machen. Das Sarazenenschwert war scharf genug, um Muskeln und Knochen mit einem Hieb zu durchtrennen.

Aber er zögerte. Er wollte, daß der Mann litt. Er gehörte zu denen, die seine Familie ausgelöscht hatten, und vielleicht war er sogar der Mörder seines Sohnes. In jedem Fall war er aber einer von denen, die Barak auf so gräßliche Weise zu Tode gefoltert hatten; und Andrej wollte, daß er dafür bezahlte, jeden Schmerz, jede Sekunde der Qual hundertfach zurückbekam. Sein Schwert machte zwei, drei blitzartige Bewegungen, die den Helm des Goldenen endgültig zerteilten und blutige Spuren in dem Gesicht darunter hinterließen. Diesmal kam ein Schmerzenslaut über die Lippen des Besiegten. Andrej genoß ihn wie einen kostbaren, süßen Wein.

Die Wunden waren oberflächlich und nichts weiter als eine kleine, grausame Spielerei. So sehr er diesen Mann auch verabscheute: Er war es einfach nicht wert, daß er sich soweit vergaß und zu einer Bestie wurde, die Genugtuung dabei empfand, einen Gegner zu Tode zu quälen. Er hörte auf, an seinem Gesicht herumzuschnitzen, und setzte seine Klinge an die Kehle des Mannes. Etwas in ihm schrie vor Enttäuschung auf. Er wollte diesen Mann nicht töten. Nicht so schnell. Nicht so leicht. Das schwarze Feuer brannte noch immer in ihm, und diese Flamme verlangte, dem anderen Qualen zu bereiten.

»Tu es ... endlich, Delãny«, stöhnte der Goldene. »Bring es ... zu ... Ende.«

Seine Schwäche war nur gespielt. Unter all dem Blut und Schmutz gewahrte Andrej ein starkes, auf eine sonderbare Weise gutaussehend-brutales Gesicht. Das Gesicht eines Kriegers, der es gewohnt war, Schmerzen zu ertragen und seine Chancen abzuwägen.

Delãnys Schwert drückte gegen seine Kehle, und das auf eine Art, die jede Gegenwehr unmöglich machte. Er wartete. Er versuchte, Zeit zu gewinnen, vielleicht einen winzigen Moment der Unaufmerksamkeit abzupassen, in dem er der tödlichen Klinge an seinem Hals entwischen und Andrej überwältigen konnte.

»Wer bist du?« fragte Andrej.

Der andere lachte. »Was willst du?« fragte er. »Meinen Namen oder meinen Kopf?« Er hatte einen sonderbaren, schweren Akzent, den Andrej noch nie zuvor gehört hatte.

»Die Namen der anderen«, antwortete Andrej. »Ich will wissen, wohin sie gehen. Und warum ihr das getan habt.«

»Läßt du mich am Leben, wenn ich sie dir verrate?«

»Du kannst dir aussuchen, ob du schnell stirbst oder ob es so lange dauert wie bei Barak«, sagte Andrej düster. »Warum habt ihr diesen alten Mann gequält? Er hat niemandem etwas getan.«

Hinter ihm erscholl ein gellender Schrei. Ein Schrei aus der Kehle eines Kindes; schrill, hoch, ein Laut, der aus fürchterlicher Qual und schierer Todesangst geboren war.

Drei... schoß es Andrej durch den Kopf.

Er hatte einen fürchterlichen Fehler gemacht. Es waren die Spuren von drei Männern gewesen, die sich vom Haupttrupp getrennt hatten!

Delãny war nur für den Bruchteil einer Sekunde abgelenkt, aber schon dieser winzige Moment reichte seinem Gegner. Ohne Rücksicht darauf zu nehmen, daß das Sarazenenschwert eine blutige Spur in seine Schulter pflügte, wirbelte er herum, brachte sich vor der tödlichen Klinge in Sicherheit und trat gleichzeitig mit beiden Beinen nach Andrejs Fußgelenk.

Er traf nicht, aber die Attacke zwang Andrej zurückzuweichen; sein nachgesetzter Stich verwundete den Mann nicht so schwer, wie er gehofft hatte, ließ ihn aber trotzdem stolpern und auf die Knie fallen. Möglicherweise war das die Entscheidung. Ein blitzschneller Schritt, um ihm nachzusetzen, und diesmal würde er keine Sekunde zögern, sondern den Kampf mit einem sauberen Hieb beenden. Der Fremde war zu gut, um ihm eine zweite Chance zu geben.

Aber hinter ihm schrie Frederic noch immer. Andrej setzte dem Goldenen nach, warf aber in der Bewegung einen Blick über die Schulter zurück.

Was er sah, ließ ihn vor Entsetzen schier erstarren. Es waren drei Männer gewesen, aber nur zwei hatten sich - wohl im Vertrauen auf die vermeintliche Überlegenheit des Kriegers in der Messingrüstung - an dem Überfall auf ihn beteiligt.

Der dritte jagte Frederic.

Bisher schien es dem Jungen gelungen zu sein, sich zwischen den Felsbrocken und Bäumen auf dem Hang in Sicherheit zu bringen. Nun aber hatte ihn der Angreifer in die Enge getrieben und stand mit hoch erhobenem Schwert über ihm.

Andrej reagierte, ohne nachzudenken. Er hatte die Wahl, ein Leben zu nehmen oder eines zu retten, und er entschied sich instinktiv richtig: Statt den hilflos vor ihm Knienden zu enthaupten, wirbelte er herum und schleuderte sein Schwert. Die Waffe verwandelte sich in einen silbernen Blitz, traf den Mann über Frederic zwischen den Schulterblättern und schmetterte ihn zu Boden.

Aber den Bruchteil eines Atemzuges, bevor dies geschah, senkte sich sein Schwert auf Frederic hinab ... Die Schreie des Jungen verstummten, und Andrej rannte los. Er konnte hören, wie der Goldene hinter ihm ein überraschtes Grunzen ausstieß und in die Höhe taumelte. Zweifellos würde er sich im nächsten Moment nach seiner Waffe bücken und ihn erneut angreifen.

Andrej verschwendete nicht einmal einen Gedanken daran. Frederic durfte nicht tot sein. Nicht auch noch er! Der Junge war alles, was ihm geblieben war. Mit fünf, sechs gewaltigen Sätzen erreichte er die Felsen, zwischen denen sich Frederic verkrochen hatte. Der tote Krieger war über dem Jungen zusammengebrochen, das Schwert war seiner Hand entglitten. Andrej registrierte entsetzt, daß die Klinge voller Blut war.

Mit einer gewaltigen Kraftanstrengung hievte er den Toten von Frederic herunter.

Der Körper des Jungen war voller Blut. Sein Hemd war aufgerissen, und das Fleisch darunter glitzerte im frischen Rot des Todes.

Er war zu spät gekommen, vielleicht nur um den Bruchteil einer Sekunde, aber trotzdem zu spät.

Frederic war tot.

Und im ersten Moment wollte er nichts anderes als Rache.

Der Schmerz, den er erwartet hatte, kam nicht. Er war nicht einmal wirklich erschrocken, aber die schwarze Flamme in seinem Inneren explodierte jäh zu einer brüllenden Feuersbrunst, die nach Nahrung schrie, nach Blut, um den Schmerz wegzuwischen, der ihm angetan worden war. Er fuhr herum, riß das Sarazenenschwert aus dem Körper des toten Kriegers und wandte sich wieder dem Waldrand zu. Er spürte noch immer nichts; nur diese schreckliche, verzehrende Kälte, mit der das schwarze Feuer in ihm nach Rache schrie.

Wie erwartet hatte der Goldene die Gelegenheit genutzt, sich aufzurichten und seine Waffe wieder an sich zu nehmen. Aber er verzichtete darauf, ihn anzugreifen. Der Mann in der goldschimmernden Rüstung stand hoch aufgerichtet, aber fast reglos am Waldrand und sah auf ihn herab.

Delãny machte einen Schritt auf ihn zu, blieb jedoch wieder stehen, als der Fremde den Kopf schüttelte.

»Nicht jetzt, Delãny«, sagte er.

»Komm her«, antwortete Andrej. »Bring es zu Ende - so oder so!«

»Nicht jetzt«, wiederholte der Fremde. »Du bist gut, Delãny - aber noch nicht gut genug. Wir sehen uns wieder, das verspreche ich dir.«

Und damit verschwand er, so schnell und lautlos, wie er aufgetaucht war. Andrej spürte seine Nähe noch für einen winzigen Augenblick, doch dann erlosch auch dieses Gefühl einer dunklen, dräuenden Präsenz, die bisher wie ein übler Geruch über dem Waldrand gelegen hatte.