Выбрать главу

Nathan hob anerkennend eine Braue. »Das könnte es allerdings.«

Ann seufzte. »Na ja, vielleicht.«

Richard wandte sich von ihren verdrießlichen Mienen wieder den leuchtenden Linien zu. »Der Fehler«, sagte er und zeigte, »befindet sich genau hier.«

Zedd reckte seinen Hals, um die Linien in Augenschein zu nehmen.

»Nehmen wir einmal an, du hättest recht, einfach um des Argumentes willen. Was bedeutet es deiner Meinung nach?«

Richards Herz pochte, als er erneut um den Tisch herumging, um die Linien flüchtig durch den gesamten Bann zu verfolgen. Er benutzte einen Finger, mit dem er die leuchtenden Linien gerade eben nicht berührte, um die Hauptwege nachzuzeichnen und das Muster, die Struktur der Form, in groben Zügen zu skizzieren.

Das Ergebnis entsprach seinen Erwartungen. »Hier. Seht hierher, auf diese frisch geformte Struktur, die sich um diese älteren ursprünglichen Linien gebildet hat. Betrachtet den verworrenen Charakter dieser neuen Liniengruppe. Sie stellen eine Variable dar, obwohl alles an diesem Linienemblem eigentlich aus Konstanten bestehen sollte.«

»Eine Variable ...?« Zedd stammelte, so als hätte er, eben noch in Gedanken ganz bei Richards Argumentation, plötzlich festgestellt, dass er völlig den Faden verloren hatte.

»Ja«, sagte Richard. »Sie ist nicht emblematisch, sondern ihrer Form nach biologisch. Die beiden sind erkennbar unterschiedlich.«

Nathan strich sich mit beiden Händen übers Haar und seufzte, enthielt sich aber jeglichen Kommentars.

Anns Gesicht war tief rot angelaufen. »Es ist eine Bannform! Sie ist unveränderlich! Sie kann unmöglich biologisch sein!«

»Genau da liegt das Problem«, fuhr Richard fort, indem er mehr auf ihren Einwand als auf ihren Zornesausbruch reagierte. »Auf keinen Fall darf man zulassen, dass diese Art von Variablen eine angeblich konstante Konstruktion ungünstig beeinflusst. Das käme einer mathematischen Gleichung gleich, in der sämtliche Zahlen unwillkürlich ihren Wert ändern können; damit würde die gesamte Mathematik unbrauchbar, ja null und nichtig. Algebraische Symbole mögen variieren, aber selbst diese Variablen folgen bestimmten Verhältnismäßigkeiten. Die Zahlen selbst jedoch sind Konstanten. Das Gleiche gilt für diese Struktur. Embleme müssen aus unveränderlichen Konstanten gebildet sein - man könnte sagen, wie in einer einfachen Addition oder Subtraktion. Eine innere Variable dagegen zerstört die Konstanz einer emblematischen Form.«

»Ich vermag dir nicht zu folgen«, gestand Zedd.

Richard wies zum Tisch. »Du hast die Huldigung mit Blut gezeichnet. Die Huldigung ist eine Konstante, das Blut dagegen biologisch. Warum hast du es auf diese Weise gemacht?«

»Na, damit es funktioniert«, fiel Ann ihm barsch ins Wort. »Wir mussten es so machen, um die Innenperspektive des Prüfnetzes auszulösen. So wird es eben gemacht. Das ist das anerkannte Verfahren.«

Richard hob etwas klugscheißerisch einen Finger. »Eben. Ihr habt bewusst eine kontrollierte biologische Variable - nämlich Blut - in etwas eingeführt, das eigentlich konstant ist: eine Huldigung. Bedenkt aber bitte, dass es außerhalb der eigentlichen Bannform bleibt. Es ist lediglich ein nützliches Hilfsmittel, ein Katalysator. Ich glaube, es verhält sich so, dass eine solche Variable in der Huldigung es dem von euch ausgelösten Bann ermöglicht, seinen Verlauf zu nehmen, ohne von einer Konstante - nämlich der Huldigung beeinträchtigt zu werden. Versteht ihr? Sie verleiht dem Prüfnetz nicht nur die durch die Huldigung beschworene Kraft, sondern gibt ihr die durch die biologische Variable gewonnene Freiheit, nach Bedarf zu wachsen, um ihr wahres Wesen, ihre Absicht zu offenbaren.«

Als Zedd kurz zu ihr herübersah, meinte Cara: »Schaut mich nicht so an. Jedes Mal, wenn er mit diesen Sachen anfängt, nicke ich bloß und warte lächelnd darauf, dass der Ärger losgeht.«

Zedd machte ein säuerliches Gesicht. »Noch nie in meinem ganzen Leben habe ich gehört, dass jemand ein Prüfnetz auf diese Weise erklärt hätte. Es ist eine ziemlich seltsame Betrachtungsweise. Das Besorgniserregendste daran ist, dass es, auf verdrehte Weise, tatsächlich einen Sinn ergibt. Damit sage ich nicht etwa, dass du recht hast, Richard, aber es ist zweifelsohne ein verstörender Gedanke.«

»Wenn du recht hättest«, warf Nathan ein, »würde das bedeuten, dass wir uns all die Jahre wie Kinder benommen haben, die mit dem Feuer spielen.«

»Das heißt, falls er recht hat«, fügte Ann mit kaum hörbarer Stimme hinzu. »Mir klingt das alles eine Spur zu abgefeimt.«

Richard betrachtete die im Nichts erstarrte Frau, jene Frau, die im Augenblick nicht für sich selber sprechen konnte. »Wessen Blut habt ihr eigentlich benutzt, um die Huldigung zu zeichnen?«, wandte er sich an die anderen hinter seinem Rücken.

»Niccis«, antwortete Nathan. »Es war ihr eigener Vorschlag. Sie meinte, es sei die geeignete Methode und die einzige Möglichkeit, damit es auch wirklich funktioniert.«

Richard fuhr zu ihnen herum. »Niccis? Ihr habt Niccis Blut benutzt?«

Zedd nickte. »So ist es.«

»Ihr habt... mit ihrem Blut... eine Variable geschaffen ... und sie dann selbst hineingestellt?«

»Mal abgesehen davon, dass genau das nach Niccis Worten zu geschehen hatte«, sagte Ann, »sind wir aufgrund unserer umfassenden Forschungen und Überlegungen überzeugt, dass es die richtige Methode ist, eine Innenperspektive einzuleiten.«

»Da habt ihr sicherlich recht - unter normalen Umständen. Da euch allen die geeignete Vorgehensweise in diesen Dingen bekannt ist, kann das nur bedeuten, dass die Verunreinigung sich stark von den gewöhnlichen Problemen unterscheidet, die bei dem Überprüfungsverfahren zu erwarten sind.« Richard fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. »Es müsste etwas sein ... ich weiß nicht. Etwas völlig Unvorstellbares.«

Zedd zuckte die Achseln. »Du glaubst also tatsächlich, es könnte unangenehme Folgen haben, Nicci dort hineinzustellen, wenn das Blut, aus dem das Netz seine Energie schöpft, von ihr selbst stammt?«

Richard fasste seine Unterlippe zwischen Daumen und Zeigefinger und ging auf und ab. »Vielleicht auch nicht, vorausgesetzt, die zugrundeliegende Bannform, die ihr überprüfen wollt, war rein. Aber das trifft in diesem Fall nicht zu. Sie ist durch eine biologische Variable verunreinigt. Ich denke, ihr die Quelle der Kontroll-Variablen beizugeben - Nicci - könnte der Verunreinigung genau den nötigen Spielraum verschaffen.«

»Und das heißt?«, wollte Nathan wissen.

Gestikulierend ging Richard weiter auf und ab. »Das heißt, es ist, als ob man Öl ins Feuer gösse.«

»Ich glaube, das Unwetter lässt deine Phantasie mit dir durchgehen«, meinte Ann.

»Welche biologische Variable wäre denn überhaupt imstande, ein Prüfnetz zu verunreinigen?«, wollte Nathan wissen.

Richard wandte sich wieder herum und betrachtete die Linien, folgte ihnen herum bis zu jenem schrecklichen Bogen, der im Nichts endete, wo er eigentlich einer Stütze bedurfte. Sein Blick wanderte durch den leeren Raum bis zu der harrenden Schnittstelle.

»Ich weiß es nicht«, räumte er schließlich ein.

Zedd trat näher. »Deine Ideen mögen ja ganz originell sein, Richard, und sicherlich regen sie zum Nachdenken an, wie ich dir gerne zugestehen will. Es könnte sogar sein, dass sie uns hilfreiche Einblicke gewähren, die uns zu einem besseren Verständnis verhelfen, als wir es sonst bekommen hätten. Aber nicht alles, was du sagst, trifft zu. Einiges davon ist schlichtweg falsch.«

Richard sah über seine Schulter. »Tatsächlich? Was zum Beispiel?«

Zedd zuckte die Achseln. »Nun, zum einen können auch biologische Formen emblematisch sein. Ist nicht auch ein Eichenblatt biologisch, und besitzt es nicht dennoch eine wieder erkennbare, emblematische Form? Lässt sich eine Schlange nicht mithilfe eines Emblems darstellen oder gar ein komplexes Ganzes, sagen wir ein Baum oder ein Mensch?«

Richard kniff kurz die Augen zusammen. »Richtig. So habe ich es noch nie betrachtet, aber du hast recht.«

Er wandte sich wieder der Bannform zu und betrachtete das Thema der biologischen Verunreinigung aus einem neuen Blickwinkel. Suchend ließ er den Blick über das verwirrende Gebilde wandern, versuchte, klug daraus zu werden, versuchte, ein Muster zu erkennen. Doch sosehr er sich auch bemühte, es schien aussichtslos. Es gab kein solches Muster.