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Doch Harruel war trotzdem losgezogen und hatte eine Richtung gewählt, ohne Hreshs Rat und Weisheit. Sie zogen nach Süden und Westen, den ganzen Tag lang der Sonne nach, bis sie unterging. Es wäre unsinnig gewesen, in die andere Richtung zu ziehen, denn von dorther waren sie ja gekommen, und dort hinten gab es nichts als leere Ebenen, verrostete Mechanische und umherziehende Heerscharen von Hjjk-Leuten. Aber in der eingeschlagenen Richtung barg sich das Versprechen des noch Unbekannten. Und es war ein grünes fruchtbares Land und schien voll von der drängenden pulsierenden Lebenskraft des Neuen Frühlings zu sein.

Tag um Tag hatte Harruel das Tempo bestimmt, und die übrigen hatten sich abgewechselt, um mit ihm Schritt zu halten. Er schlug ein rasches Marschtempo an, wenn auch nicht so rasch, wie wenn er alleine dahingezogen wäre. Minbain und Nettin hatten Kleinkinder auf dem Arm und mußten sich schließlich um sie kümmern. Und Harruel gedachte zwar ein strenger und starker König zu sein, jedoch kein törichter. Der starke König, so glaubte er, verlangt seinem Volke mehr ab, als es ohne Forderung zu tun bereit wäre, doch er fordert nicht mehr von ihm, als es zu geben imstande ist.

Er wußte, daß sie ihn fürchteten. Dafür sorgten schon seine Größe und seine Kraft und seine finstere Natur. Aber er wollte, daß sie ihn auch liebten, oder doch wenigstens verehrten. Dies mochte sich als gar nicht leicht erweisen zu erzielen; er argwöhnte, daß ihn die meisten für ein brutales wildes Tier hielten. Vielleicht trug die gewaltsame Kopulation mit Kreun daran die Schuld. Nun, es war in einem Anfall von Geistesverwirrung geschehen, und er war nicht stolz darauf, es getan zu haben; aber geschehen war eben geschehen. Er hatte eine höhere Meinung von sich selbst als die anderen, denn er kannte sich selbst besser. Sie vermochten seine innerliche Vielschichtigkeit nicht zu erkennen, sie sahen nur sein hartes wildwütiges Äußeres. Aber sie werden mich kennenlernen, dachte Harruel. Und dann werden sie erkennen, daß ich auf meine Art ein herausragender Mann bin, ein starker und gewitzter Anführer, ein Mann des Schicksals, ein Mann, zum König geeignet. Nicht ein wildes Tier, nicht ein Ungeheuer. Nein, stark, aber zugleich auch weise.

Eine Stunde lang, bis es dunkel wurde, um noch zu sehen, jagten die Männer, und die Weiber sammelten kleine fast azurblaue Beeren und runde stachelhäutige rote Nüsse. Dann ließen sich alle am Lagerfeuer nieder und aßen. Nittin, der zwar nie zum Krieger ausgebildet worden war, der jedoch — wie sich erwies — erstaunlich geschickt mit den Händen war, hatte am Bach, der durch den Wall floß, ein glattes, schnelles Tier auf Fischjagd erbeutet; es hatte einen langen schlanken purpurroten Leib und eine dichte Mähne von steifen gelben Haaren am Hals und Nacken. Die Hände an den kurzen Stummelarmen wirkten beinahe wie Menschenhände, die Augen funkelten vor Intelligenz. Das Tier bot gerade genug Fleisch, um sie alle zu sättigen, und es wurde kein Fetzchen davon fortgeworfen.

Danach war Kopulationszeit.

Es war nun alles anders als in den alten Tagen, den Tagen im Kokon, wo die Leute vom Stamm kopuliert hatten, wenn und mit wem sie Lust hatten, obwohl damals meist nur die vermählten Paare, die Zuchtpaare, daran als an einer fortgesetzten Aktivität Interesse hatten. In Vengiboneeza hatte sich dies geändert, und dort hatten nahezu alle sich feste Partner gesucht, um Kinder zu bekommen. Dabei hatte sich eine neue Sitte, entwickelt, ein neuer Brauch, wonach die vermählten Partnerpaare in der Regel nur mit ihrem festen Partner kopulierten. Auch Harruel selbst hatte sich an diese neue Sitte gehalten — bis zu jenem Tag mit der Kreun, als er vom Berge herabstieg.

Aber hier auf dem Treck hatte Lakkamai keine feste Partnerin, denn er hatte ja Torlyri nicht mitgebracht. Dies schien ihn aber nicht besonders zu bedrücken, daß er als einziger hier unvermählt war, während alle übrigen es waren. Doch Lakkamai beklagte sich selten über etwas. Er war ein Schweiger. Dennoch bezweifelte Harruel, daß Lakkamai sich damit zufriedengeben werde, den Rest seines Lebens ohne Kopulation zu verbringen, und es gab im Trupp niemanden, mit dem er hätte kopulieren können, außer den Gefährtinnen der anderen Männer und dem Kind Tramassilu, die aber erst in vielen Jahren das ausreichende Alter zum Kopulieren erlangt haben würde.

Außerdem kam hinzu, daß Harruel, nun da er selbst auf den Geschmack gekommen und ein brennendes Interesse am Kopulieren entwickelt hatte, nicht daran dachte, sich bis ans Ende seiner Tage mit Minbain zu begnügen. Je älter sie wurde, desto mehr schwanden die Reste ihrer früheren Schönheit, und die mühsame Aufzucht des Kindes Samnibolon raubte ihr viel Kraft. Wohingegen Konyas Galihine noch in der Blüte ihres Weibstums stand, und die Maiden Thaloin unWeiawalala glühten in der Hitze ihrer Jugend, und sogar Nettin war nicht ganz saftlos. Also hatte Harruel eines Abends, ziemlich zu Beginn des Trecks schon, den neuen Brauch verkündet; und in jener Nacht hatte er sich Thaloin zur Kopulationspartnerin erwählt.

Wenn Minbain etwas dagegen einzuwenden hatte, so behielt sie es für sich, ebenso wie Bruikkos, der Gefährte Thaloins.

„Wir werden kopulieren, wie es uns gefällt“, erklärte Harruel. „Wir alle — nicht nur der König!“ Er hatte aus der Kreun-Affäre die Erfahrung gelernt, daß er besser behutsam verfahre, wenn er Sonderprivilegien für sich beanspruchte: Er durfte sich bis zu einem gewissen Punkt vorwagen, aber nicht weiter, sonst würden seine Leute sich wider ihn erheben und ihn stürzen oder ihn schlagen, wenn er schlief.

Aber er war dann doch nicht entzückt, als Lakkamai und Minbain einige Nächte später sich davonmachten, um zu kopulieren. Doch es war nun einmal Gesetz, und er konnte sich schwerlich dagegen auflehnen. Also schluckte er sein Mißvergnügen hinunter. Und mit der Zeit gewöhnte er sich daran, daß die anderen Männer mit Minbain kopulierten; und er selbst tat das sowieso, wie es ihm beliebte.

Inzwischen machte sich niemand mehr über das Thema der Kopulation weiter Gedanken. Zur Kopulationszeit an diesem Abend erwählte sich Harruel die Weiawala. Ihr Fell war weich und schimmerte, und ihr Atem duftete warm und angenehm. Wenn sie überhaupt einen Fehler hatte, dann den, daß sie zu leidenschaftlich war und sich immer und immer wieder aufs neue an ihn drängte, bis er sie schließlich wegstoßen mußte, um sich ein wenig auszuruhen.

In der Ferne schnatterten und röhrten und sangen Tie re grell durch die Nacht. Dann begann es zu regnen, wolkenbruchartig, und ihr Feuer erlosch. Niedergeschlagen kauerten sie sich alle dicht zusammen und wurden triefnaß. Weiter drüben hörte Harruel jemand brummen, daß man in Vengiboneeza doch wenigstens ein Dach überm Kopf gehabt hatte. Er fragte sich, wer das gesagt hatte: das konnte ein potentieller Störenfried werden. Doch Weiawala klammerte sich wieder an ihn und lenkte ihn ab, und er vergaß das Murren. Nach einer Weile ließen die Regengüsse nach, und er versank in Schlaf.

Am anderen Morgen brachen sie ihr Lager ab und stiegen rutschend und kullernd die vom Regen glattgemachte Hangflanke hinab. Jene, die am Abend zuvor dem gewaltigen Becken inmitten des Graslandes wenig Aufmerksamkeit geschenkt hatten, betrachteten es nun bei der Annäherung mit Interesse. Besonders Salaman schien davon fasziniert zu sein und blieb mehr als einmal stehen, um hinabzustarren.

Als sie dann tief genug hinabgestiegen und so nahe herangekommen waren, daß sie nicht länger die ganze weite Mulde oder Schüssel erkennen konnten, sondern nur mehr die Biegung des ihnen nächstgelegenen Abschnitts des Randes, sagte Salaman plötzlich. „Ich weiß, was das ist.“