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Nach einigen Tagen erstatteten Haniman und Orbin Bericht, daß es einhundertundsiebzehn Beng gebe, Frauen und Kinder eingeschlossen, möglicherweise aber hätten sie einige der in den Häusern lebenden Säuglinge nicht miterfaßt. Mindestens vierzig Beng schienen Krieger zu sein. Koshmar brütete über diesem Zahlenmaterial und war beunruhigt. Das Volk verfügte über nur noch elf Krieger, und die waren nicht sämtlich in Höchstkondition für den Kampf. Vierzig Kämpfer dagegen, das stellte wahrlich ein gewichtiges Aufgebot dar.

Und diese Tiere der Beng, ihre höckerigen Zinnobären, die frei und ungestört umhertrampelten und herumschnüffelten — auch sie fielen ins Gewicht, wenn auch auf andere Art. Sie zogen nämlich durch Vengiboneeza, wohin immer ihr Verlangen sie trieb, und kamen häufig direkt mitten in die Siedlung des Volkes, wo sie kleinere Bauten beschädigten, Sachen, die man zum Trocknen in der Sonne gebreitet hatte, verstreuten und zertrampelten und die Kinder in Angst und Schrecken versetzten. Koshmar war sich darüber im klaren, daß bei jedem Gefecht ihre Krieger gegen die auf diesen Bestien reitenden Krieger der Beng würden antreten müssen. Und ein solcher Kampf wäre der schlechte Irrsinn.

Es gibt keine Möglichkeit, wie wir uns gegen diese Leute wehren könnten, dachte sie. Sie werden uns Vengiboneeza wegnehmen, ohne auch nur den kleinen Finger zu rühren.

Wir sollten sofort von hier wegziehen — trotz der Weissagungen im Buch des Weges.

Nein. Nein. Nein. Nein.

„Du mußt uns allen die Sprache der Beng beibringen“, befahl Koshmar dem Hresh. Wenn die Beng — und das stand ja nun noch längst nicht sicher fest — tatsächlich Feinde des Volkes sein sollten. In vielerlei Hinsicht bemühten sie sich nämlich um ausgesprochen höfliches, ja sogar freundliches Betragen. jedoch, wenn es nötig werden sollte, mußte man in der Lage sein, sie auszuspionieren, und dazu mußte man verstehen, was sie sprachen. Hresh hatte irgendwie einen Weg gefunden, die Sprache zu meistern, ganz so, wie sie es erwartet hatte. Doch er behauptete, er sei noch nicht soweit, andere zu unterrichten. Er benötige ein festeres Fundament in der Sprache, zunächst einmal, und viel mehr Zeit für die Analyse und Klassifizierung seiner Kenntnisse, ehe er sein Wissen dem Stamm mitteilen könne.

Koshmar war klar, daß Hresh log; er verbarg einfach vor ihr und Torlyri, wie geläufig er bereits in der Zunge der Beng-Leute sprechen konnte. Immer schon war er so gewesen, immer schon hatte er sein Ansehen und seinen Einfluß zu steigern gewußt, indem er besonderes Wissen für sich behielt. Jetzt jedoch war es seine verdammte Pflicht, seine Kenntnisse den anderen mitzuteilen, und Koshmar gab ihm zu verstehen, daß sie sein Spielchen durchschaue.

„Nur noch ein paar Stunden mit Noum om Beng“, versprach Hresh. „Dann fange ich hier an und gebe Unterricht, Koshmar. Jeder kann es dann lernen.“

„Aber werden wir es denn lernen können?“

„Ach, das ja. Ja. Es gibt da keine wirklichen Schwierigkeiten an der Sprache, sobald man die Grundprinzipien einmal begriffen hat.“

„Das gilt vielleicht für dich, Hresh.“

„Wir alle werden bengisch reden wie die Beng“, sagte er. „Laß mir nur noch ein ganz klein bißchen Zeit, mich damit vertraut zu machen, dann werde ich — was ich weiß — mit allen und jedem teilen. Das verspreche ich dir.“

Koshmar lächelte und bedachte ihn mit einer Umarmung. Der herrliche Hresh! Der unersetzliche Hresh! Kein anderer hätte das Volk durch diese schwere Durststrecke hindurchführen können. Was wäre es für ein Unglück gewesen, wenn Hresh seiner Mutter, Minbain, gefolgt und mit dem Harruel davongezogen wäre! Aber Koshmar wußte auch, daß sie ihn niemals hätte ziehen lassen. In diesem Punkt wäre sie unerbittlich geblieben; hier hätte sie gekämpft, selbst wenn dies ihren Tod, den Tod von allen bedeutet hätte. Ohne Hresh war der Stamm verloren. Und sie wußte dies.

Sie sprachen eine Weile von dem Vordringen der Beng und von den Sperren, die an verschiedenen Stellen der Stadt errichtet worden waren. Hresh war der Überzeugung, daß die Beng bestimmte örtlichkeiten aus rein religiösen Gründen abgrenzten und nicht um ihren Anspruch auf dort möglicherweise befindliche Maschinen aus der Großen Welt zu fixieren. Doch sei er sich da bei weitem nicht sicher, sagte er, und es dränge ihn, sich wieder seinen eigenen Forschungen zu widmen, sobald die Bedingungen in der Stadt wieder sicherer geworden wären, damit nicht die Beng auf Sachen stießen, die für das Volk von Wert sein könnten.

Dann schwiegen sie. Allerdings gab es noch ein Thema, über das Koshmar mit ihm zu reden gedachte.

Nach einer Weile sagte sie also: „Sag mal, Hresh, zwischen dir und Taniane — gibt es da Schwierigkeiten?“

„Schwierigkeiten?“ fragte er zurück und wich ihrem Blick aus. „Was denn für Schwierigkeiten?“

„Du möchtest gern mit ihr tvinnern.“

„Schon möglich.“ Seine Stimme klang sehr dunkel.

„Hast du sie denn gebeten?“

„Einmal. Ich hab es ziemlich dumm angestellt.“

„Du solltest sie noch einmal bitten.“

Hresh sah ausgesprochen unbehaglich drein. „Sie kopuliert mit dem Haniman.“

„Kopulation und Tvinnr haben nichts miteinander gemein.“

„Ja, aber sie wird sich dem Haniman ehelich verbinden, oder nicht?“

„Keiner von den zweien hat irgendwas davon zu mir gesagt.“

„Aber sie werden es tun. Alle verbinden sich jetzt. Sogar.“ Er unterbrach sich.

„Sprich nur weiter, Hresh.“

„Sogar Torlyri hatte für eine Weile einen festen Geliebten“, sagte er und sah elendiglich verlegen aus. „Tut mir leid, Koshmar. Ich wollte nicht.“

„Du brauchst gar nicht so zerknirscht zu sein. Meinst du denn, ich hätte das zwischen Torlyri und Lakkamai nicht gewußt? Aber das ist ja genau, worauf ich hinaus will. Selbst wenn Taniane sich mit Haniman verbandelt, und wohlgemerkt, ich sage keineswegs, daß sie das tun wird, dann hat diese Verbindung noch immer nichts mit dem Tvinnern zu tun, ebenso wenig wie eine Kopulation. Sie könnte trotzdem deine Tvinnr — Partnerin sein, wenn du das willst. Aber — du mußt sie eben darum bitten. Sie wird nämlich nicht dich bitten, begreifst du?“

„Aber, ich hab dir doch gesagt, ich hab sie schon einmal gebeten. Es hat nicht geklappt.“

„Bitte sie erneut, Hresh!“

„Es wird auch beim zweitenmal nicht klappen. Wenn sie dazu bereit ist, mit mir zu tvinnern, warum gibt sie mir das dann nicht irgendwie zu verstehen?“

„Sie hat Angst vor dir“, sagte Koshmar.

Er blickte zu ihr auf. Seine riesigen Augen schimmerten vor Verblüffung. „Angst — vor mir?“

„Ja, weißt du denn nicht, wie außergewöhnlich du bist? Meinst du nicht, daß dein Gehirn den ändern manchmal Furcht einjagt? Und das Tvinnr — die Begegnung zweier Bewußtheiten.“ „Taniane hat selbst ein starkes Bewußtsein“, sagte Hresh. „Für sie besteht überhaupt kein Anlaß, sich vor dem Tvinnr mit mir zu fürchten.“

„Gewiß, sie ist stark.“ Stark genug, um eines Tages Führerin und Häuptling zu sein, sagte Koshmar bei sich selbst. Nur nicht gar so rasch, wie es ihr wohl lieb wäre. „Aber sie weiß nicht, ob sie dir im Tvinnr gewachsen wäre. Ich glaube jedoch, sie wäre wohl bereit, das zu wagen, wenn du sie nur noch einmal bitten würdest.“

„Glaubst du das wirklich, Koshmar?“

„Ja, das glaube ich. Aber sie wird nie von sich aus und zuerst an dich herantreten. Du mußt schon derjenige sein, der bittet.“

Er nickte. Sie konnte die wilden Gedanken hinter seinen Augen rasen sehen.

„Also, dann werde ich es tun! Und — danke, Koshmar. Ja, ich will mit ihr tvinnern! Ich will es!“

Hastig wandte er den Blick ab. Er schien vor Ungeduld zu glühen.

„Hresh?“