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„Ja. Aber es wäre nicht nötig.“

„Bitte“, sagte er. Er suchte in einem seiner Flechtkörbe herum und holte einen Helm hervor; nicht einen von der scheußlich abschreckenden Sorte, sondern einen kleineren, wie Torlyri sie bei manchen Bengfrauen gesehen hatte. Er war aus einem schimmernden roten Metall gefertigt und auf Hochglanz poliert und spiegelte hell, beinahe wie ein Spiegel, war dabei jedoch in der Linie zierlich und angenehm, ein Stumpfkegel mit zwei gerundeten Spitzen und einem komplizierten Schlängelmuster, das von Meisterhand ins Metall geschnitten war. Schüchtern reichte er ihr den Helm hin. Sie starrte das Kleinod an, ohne es entgegenzunehmen.

„Es ist wunderschön“, sagte sie. „Aber das könnte ich nicht annehmen.“

„Du wirst es. Bitte!“

„Es ist viel zu wertvoll.“

„Es ist sehr wertvoll. Deshalb schenke ich es dir.“

„Was bedeutet es“, fragte Torlyri nach einer Pause, „wenn eine Frau von einem Mann einen Helm annimmt?“

Trei Husathirn blickte verlegen drein. „Daß sie Freunde sind.“

„Aha“, sagte sie. Sie hatte von Koshmar als von ihrer Freundin gesprochen. „Und Freundschaft zwischen Mann und Frau? Was bedeutet dies?“

Er wirkte noch verlegener. „Es bedeutet. es bedeutet. du mußt das verstehen. es. bedeutet. ach, Torlyri, muß ich es denn sagen, muß ich? Du weißt es doch! Du weißt!“

„Ich habe mich einem Mann als freundliche Freundin gegeben, und er hat mich verletzt.“

„Das geschieht. Aber nicht immer.“

„Wir sind aus verschiedenen Stämmen — es gibt keinen Präzedenzfall.“

„Du sprichst unsere Sprache. Du wirst auch unsere Art erlernen.“ Wieder hielt er ihr den schimmernden Helm hin. „Zwischen uns schwingt etwas. Das weißt du. Das weißt du von Anfang an. Auch als wir noch nicht miteinander sprechen konnten, war da etwas. Dieser Helm ist dein, Torlyri. Viele Jahre lang bewahrte ich ihn in diesem Korb auf, jetzt aber gebe ich ihn dir. Nimm ihn! Bitte!“

Und nun zitterte er. Das konnte sie nicht ertragen. Sacht nahm sie den Helm aus seinen Händen und hielt ihn sich über das Haupt, als wolle sie ihn anprobieren, aber dann, ohne daß er ihr Fell berührt hätte, nahm sie ihn und drückte ihn gegen ihren Busen und legte ihn dann sorgsam beiseite.

„Ich danke dir“, flüsterte sie. „Ich will ihn bis ans Ende meines Lebens ehren und hochschätzen.“

Wieder berührte sie seine Narbe. Leicht und liebevoll. Seine Hand legte sich auf den weißen Streifen, der an ihrer linken Schulter begann und wanderte dann über ihren Leib bis zur Brust, und dort hielt sie inne. Sie bewegte sich auf ihn zu. Und dann nahm er sie in seine Arme und zog sie zu den aufgeschichteten Fellen.

Unter dem heißen beißenden Wind aus dem Süden fühlte Taniane, wie sich in ihrem Herzen ein heftiges körperliches und seelisches Verlangen zu rühren begann.

Ihr ganzer Unterleib und ihre Schenkel und bis tief hinein in ihre weiblichen Teile waren von einem pulsierenden Drängen erfüllt, das weiter nicht schwer zu begreifen war. Es würde ihr guttun, heute zu kopulieren. Vielleicht war Haniman irgendwo greifbar in der Nähe, sonst würde sie auch mit Orbin vorliebnehmen. Orbin sagte nie nein.

Aber dann verspürte sie auch diese Spannung in der Stirn und in den unteren Nackenwirbeln und tiefer hinab, das ganze Rückgrat entlang, und dies sprach eher zugunsten eines Tvinnr. Sie hatte schon lange nicht mehr getvinnert. Ja eigentlich tat sie es sowieso ziemlich selten, einfach weil ihr dazu ein Partner fehlte, der ihren Geist anrühren konnte. Doch heute schien ihr Verlangen und ihr Bedürfnis wirklich dringlich zu sein. Aber vielleicht verwechsle ich es bloß mit dem Verlangen nach einer Kopulation, und vielleicht verschwindet dieser andere Druck, sobald ich die Lust gefunden, die mein Körper ersehnt?

Aber noch etwas anderes beunruhigte sie, und es war weder Kopulationsverlangen noch Tvinnr-Verlangen: Es war eine Ruhelosigkeit, ein tiefliegendes Gefühl der Ungeduld und des Unbehagens, das aus keiner eindeutigen Wurzel zu entspringen schien. Sie spürte es in den Zähnen, hinter den Augen, in der Magengrube; aber sie wußte, dies waren nur die äußeren Erscheinungen eines seelischen Schmerzes. Das Gefühl war ihr nicht unvertraut, doch war es heute intensiver als gewöhnlich, als habe es der unablässige, zum Wahnsinn treibende trockene Sturmwind zu brennender Hitze angefacht. Irgendwie stand das in Zusammenhang mit dem Abzug Harruels und seiner Gefolgsleute — inzwischen hatte Taniane sich zu der Überzeugung verstiegen, daß sie in fernen Ländern voller Wunder die allertollsten Abenteuer erleben müßten, während sie hier sinnlos im staubigen zerbröckelnden Vengiboneeza in der Falle saß. Und es hatte auch etwas zu tun mit der sich immer mehr ausbreitenden Nähe der Beng. Die Beng gaben sich als Freund, aber es war eine Freundschaft von merkwürdiger Art. Auf ihre freundliche Weise hatten sie langsam, doch stetig fast sämtliche Bezirke der Stadt ganz in Besitz genommen, als wären sie die Herren der Stadt und Koshmars Stamm nichts weiter als eine verlotterte armselige Bande von Eindringlingen, die die Beng liebenswürdigerweise hier duldeten. Koshmars Passivität, ihr Stillhalten angesichts dieser Ausbreitung ärgerte Taniane gleichfalls. Koshmar hatte sich überhaupt nicht darum bemüht, mit diesen Beng zu verhandeln. Sie hatte nichts unternommen, der Ausdehnung ihrer Macht entgegenzuwirken. Sie zuckte bloß die Achseln und ließ diese Leute tun, was ihnen gefiel.

Koshmar schien überhaupt schon lange kaum noch sie selber zu sein. Taniane hatte den Eindruck, daß der Abfall Harruels sie wohl zerstört haben mußte. Und wie es aussah, gab es da auch noch irgendwelche Schwierigkeiten zwischen Koshmar und Torlyri. Man traf Torlyri in jüngster Zeit kaum noch jemals in der Siedlung an, denn sie verbrachte die meiste Zeit fern bei den Beng. Es ging das Gerücht, daß Torlyri sich einen bengischen Liebhaber gesucht habe. Wieso tolerierte Koshmar so etwas? Was war denn bloß los mit Koshmar? Wenn es ihr an der Kraft mangelte, weiterhin Häuptling zu sein, warum trat sie dann nicht ab und machte jemandem mit ein bißchen mehr Mumm Platz? Außerdem war Koshmar inzwischen bereits jenseits des ehemaligen Grenzalters. Wenn der Stamm noch im Kokon lebte, dachte Taniane, wäre Koshmar inzwischen in ihren Tod hinausgegangen, und ich wäre höchstwahrscheinlich jetzt Stammeshäuptling. Doch die Altersbegrenzung gab es nicht mehr, und Koshmar weigerte sich, die Macht aus den Händen zu geben.

Taniane hegte kein Verlangen danach, Koshmar gewaltsam zu stürzen, außerdem glaubte sie auch nicht, daß sie im Volk Unterstützung finden würde, sollte sie es versuchen, obschon sie die einzige Frau im Stamm mit dem richtigen Alter und dem rechten Geist und Mut war, um Häuptling zu werden. Aber geschehen mußte etwas. Wir brauchen eine neue Führung, dachte sie, und zwar bald. Und die _ neue Führung, sagte sie sich, muß Mittel und Wege finden, um die Übergriffe der Beng zum Stillstand zu bringen.

Sie überquerte den Platz und trat in das Lagerhaus, in dem die Artefakte aus der großen Welt aufbewahrt wurden. Sie hoffte, Haniman hier zu finden, um das einfachste der Bedürfnisse zu erledigen, die ihr an diesem Morgen zu schaffen machten.

Doch statt Hanimans stieß sie auf Hresh, der trübsinnig zwischen den rätselhaften uralten Gerätschaften umherstapfte, die er und seine Sucher gesammelt hatten und die man seit der Ankunft der Beng weitgehend vernachlässigt hatte. Er blickte von irgendeinem Kram auf, sprach sie jedoch nicht an.

„Stör ich?“ fragte sie.

„Nicht sonderlich. Willst du irgendwas?“

„Ich war auf der Suche nach. naja, das spielt keine Rolle. Du siehst bedrückt aus, Hresh.“