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„Genau wie du.“

„Es ist dieser Mistwind. Ob der je wieder aufhört zu blasen, was meinst du?“

Er zuckte die Achseln. „Er wird aufhören, wenn er aufhört. Im Norden hängt Regen, und diese trockne Luft strömt darauf zu.“

„Du durchschaust so viele Dinge, Hresh.“

Er wandte das Gesicht ab und sagte: „Ich begreife kaum überhaupt etwas.“

„Irgendwas macht dich aber wirklich elend.“ Sie schob sich näher an ihn heran. Mit hängenden Schultern stand er da und sagte nichts, spielte nur uninteressiert mit einem silbrigen komplizierten Gerät herum, dessen Funktionszweck bislang keiner hatte bestimmen können. Wie mager er ist, dachte sie. Wie wenig stabil! Und auf einmal quoll ihr das Herz über vor heftiger Liebe zu ihm. Sie erkannte, daß effektiv er vielleicht sich vor ihr fürchtete, er, dessen große Weisheit und rätselhaften Geisteskräfte sie als dermaßen furchteinflößend empfunden hatte. Sie hätte gern den Arm um ihn gelegt, so wie Torlyri es gewohnt war zu tun, um ihn zu trösten und ihn dann in eine warme Umarmung zu ziehen. Doch er war durch einen Vorhang von Kummer entzogen, hinter dem er sich verbarg.

Sie sagte: „So erzähl mir doch, was dich beunruhigt.“

„Hab ich gesagt, irgendwas täte dies?“

„Das kann ich dir am Gesicht ablesen.“

Ärgerlich schüttelte er den Kopf. „Laß mich in Ruhe, Taniane! Suchst du Haniman? Ich weiß nicht, wo er ist. Möglich, daß er mit Orbin unten am Wasser zum Fischen ist, oder.“

„Ich bin nicht wegen Haniman hergekommen“, sagte sie. Und dann hörte sie sich zu ihrer eigenen großen Überraschung hinzufügen: „Ich hab dich gesucht, Hresh.“

„Mich? Was hast du denn mit mir im Sinn?“

In ihrer Verzweiflung improvisierte sie: „Könntest du mich ein paar Worte der Bengsprache lehren? Was meinst du? Nur ein bißchen davon?“

„Was, du auch?“

„Hat dich denn schon jemand darum gebeten?“

„Torlyri. Dieser Beng, den sie da hat, der mit der Narbe, mit dem sie immer so herumgealbert und geflirtet hat — sie liebt ihn, hast du das nicht gewußt? Vor ein paar Tagen ist sie zu mir gekommen und hat einen ganz merkwürdigen komischen Ausdruck in den Augen gehabt. Lehre mich bengisch, sagte sie. Du mußt mir das Beng beibringen. Sofort mußt du es mich lehren. Sie hat darauf bestanden. Hast du jemals erlebt, daß Torlyri hartnäckig etwas gefordert hätte?“

„Und du, was hast du getan?“

„Ich habe ihr beigebracht, wie man auf bengisch spricht.“

„Hast du tatsächlich? Ich dachte immer, du kannst selber noch nicht genug davon, um anderen mehr als ein paar Worte beizubringen.“

„Nein“, sagte Hresh mit sehr leiser Stimme. „Ich habe gelogen. Ich spreche die Bengsprache wie ein Beng. Ich habe den Barak Dayir benutzt, um es vom Alten Mann ihres Stammes zu erlernen. Aber ich behielt das alles für mich, so war das Ganze. Nur, Torlyri konnte ich die Bitte nicht verweigern, als sie mich dermaßen dringlich bat. Und nun spricht also auch sie bengisch.“

„Und ich bin die nächste, die es lernen wird.“

Hresh wirkte ganz aufgeregt und unendlich verlegen.

„Taniane — bitte — Taniane.“

„Bitte, was? Es ist deine Pflicht, mich zu unterrichten, Hresh. Uns alle zu unterrichten. Diese Leute sind unsere Feinde. Und wir müssen in der Lage sein, sie zu verstehen, wenn wir uns mit ihnen auseinandersetzen wollen, verstehst du denn das nicht?“

„Sie sind nicht unsere Feinde“, sagte Hresh.

„Ja, das versuchen sie die ganze Zeit uns glauben zu machen. Nun, vielleicht sind sie’s, oder sie sind es nicht, aber wie sollen wir je herausfinden, was sie sind, wenn wir nicht dahinterkommen, was sie sagen? Und du bist der einzige, der das weiß — außer jetzt auch noch Torlyri, vermutlich. Aber was ist, wenn dir etwas geschähe? Du kannst dieses Wissen einfach nicht länger für dich behalten, Hresh. Besonders, wo du ja jetzt eingestanden hast, daß du es lehren kannst. Wir müssen alle bengisch sprechen und sie verstehen lernen, und nicht etwa bloß, damit wir losrennen können wie Torlyri, um uns einen Geliebten unter den Beng zu angeln. Unser Überleben hängt davon ab. Oder bist du da anderer Ansicht?“

„Vielleicht. Ja, ich denke schon.“

„Also, dann bring es mir bei! Ich will gleich heute damit anfangen. Wenn du glaubst, ich brauche dazu Koshmars Erlaubnis, dann komm, gehen wir sofort zu Koshmar. Du müßtest auch sie unterrichten. Und dann auch alle anderen von einiger Bedeutung im Stamm.“

Hresh schwieg. Er sah ganz verloren und ängstlich aus.

„Was ist denn? Was stimmt denn nicht?“ fragte Taniane. „Ist es so schrecklich, daß ich Beng lernen will?“

Ohne sie anzublicken, sagte Hresh mit leiser Elendsstimme: „Um es zu lernen, muß man tvinnern.“

Tanianes Augen blitzten. „Na und? Wo liegt da die Schwierigkeit?“

„Ich hab dich einmal gebeten, mit mir zu tvinnern, und du hast mich abgewiesen.“

Also das war es. Einen Augenblick lang war sie verlegen. Dann erkannte sie, daß er ja noch viel verlegener war als sie, und sie sagte lächelnd und so sanft, wie sie es nur über die Lippen bringen konnte: „Das war nur wegen der Form, in der du mich gebeten hast, Hresh. Da du da einfach so angeschwirrt bist, kaum hatte dir Torlyri gezeigt, wie man es macht, und zu mir gesagt hast: Na, los, Taniane, gehn wir die Geschichte gleich mal an! Das hat mich beleidigt, hast du das denn nicht verstanden? Wir sind dreizehn Jahre miteinander aufgewachsen und haben beide auf den Tag gewartet, an dem wir alt genug für das Tvinnr sein würden, und dann kommst du an, Hresh, und du hast es verdorben durch deine blöde, ungehobelte, plumpe.“

„Ich weiß“, sagte er mißmutig. „Du brauchst es mir nicht noch mal unter die Nase zu reiben.“

Sie bedachte ihn mit einem lebhaften koketten Blick. „Aber auch wenn ich damals nein gesagt habe, dann hieß das ja nicht zwangsläufig, daß ich dich auch beim nächstenmal abweisen würde, wenn du mich bittest.“

Hresh schien den Blick nicht bemerkt zu haben. „Das hat mir Koshmar auch gesagt“, antwortete er im selben bleiernen Ton wie zuvor.

„Du hast darüber mit Koshmar gesprochen?“ fragte Taniane und mühte sich, ihr Lachen hinunterzuschlucken.

„Ja. Sie schien das alles schon zu wissen. Und sie sagte, ich soll dich eben noch einmal bitten.“

„Nun, Koshmar hat recht.“

Hresh starrte sie an. Kalt sagte er: „Du willst damit andeuten, daß du jetzt, wo du etwas Besonderes dabei zu gewinnen erwartest, wenn du mit mir tvinnerst, jetzt wärst du dazu bereit, stimmt das?“

„Hresh, du bist der widerlichste und ärgerlichste Kerl, der mir je begegnet ist!“

„Aber, was ich sage, ist wahr.“

„Du liegst in höchstem Maße schief. Das Ganze hat überhaupt nichts damit zu tun, ob und daß du mir Beng beibringen sollst. Ich habe seit damals immer nur darauf gewartet, daß du dich wieder an mir interessiert zeigst.“

„Aber Haniman.“

„Dawinno hole den Haniman! Er ist weiter nichts als jemand, mit dem ich kopuliere! Du bist der Tvinnr-Partner, den ich mir wünsche, Hresh! Wie kann jemand nur so furchtbar dumm sein? Warum zwingst du mich, diese ganzen Dinge auszusprechen, sie sind doch eindeutig klar!“

„Du willst es also meintwegen? Für mich selber — nicht weil ich dir beim Tvinnern die Bengsprache beibringen kann?“

„Ja.“

„Ja, aber warum hast du das dann denn nicht gesagt, Taniane?“

Sie warf die Hände in Verzweiflung in die Luft. „Oh. du!“

Er schwieg lange. Sein Gesicht schien völlig ausdruckslos geworden zu sein.

Schließlich fragte er ruhig: „Ich war wohl sehr blöde, ja?“

„Ja, wirklich sehr blöde.“