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„Was kümmert es mich, wie die Beng ihre Götter benennen?“ sagte Koshmar scharf. „Ihre Götter existieren nicht. Ihre Götter sind Hirngespinste.“

„Koshmar.“

„Es wird für uns kein gemeinsames Feiern mit den Beng geben, Torlyri!“

„Aber — Koshmar.“

Sie drehte sich abrupt herum und starrte der Opferpriesterin ins Gesicht. Ein Gedanke war ihr plötzlich gekommen, dermaßen überstürzt, daß ihr der Kopf wirbelte davon und sie hastig zu atmen begann. Sie sprach: „Was würdest du dazu sagen, wenn ich dir mitteilte, daß wir in zwei, drei Wochen aus Vengiboneeza fortziehen werden, spätestens in einem Mond?“

„Was?“

Ja, und deshalb werden wir alle unsere ganze Zeit dafür einsetzen müssen, um mit unseren Vorbereitungen für den Wegzug zurande zu kommen. Wir werden keine Zeit übrig haben für Feste mit den Beng.“

„Wegziehen — aus Vengiboneeza.?“

„Ja. Denn hier wartet auf uns nichts außer Ärger und Unruhe, Torlyri. Das weißt du doch. Ich weiß es. Hresh kam zu mir und sprach: ‚Zieh du hinweg! Zieh fort!‘ Ich wollte nichts davon hören. Doch dann erkannten meine Augen die Wahrheit. Und der Weg, den ich gehen muß, wurde klar. Ich fragte mich, was wir tun müßten, um uns zu retten, und die Antwort ward mir — daß wir von diesem Ort hier fortgehen müssen. Hier lauert der Tod, Torlyri. Da, schau! Siehst du, wie der steinerne Saphiräugige uns angrinst? Er lacht über uns. Wir kamen hierher, nur um ein wenig herumzugraben und ein paar nützliche, brauchbare Dinge aus der früheren Welt zu finden, und wir sind hier hängengeblieben — wieviele Jahre sind es nun schon? In einer Stadt, die nie die unsrige war. In einer Stadt, die uns sogar in ihren Steinen verspottet. Und jetzt ist es außerdem noch eine Stadt voller anmaßender Fremdlinge, die lächerliche Kleidung tragen und nichtexistierende Götter anbeten.“

In Torlyris dunklen Augen zitterte Erschrecken. Koshmar sah es und begriff mit einem Gefühl des Elends, daß ihre List erfolgreich gewesen war, daß sie die Wahrheit aus Torlyri hervorgelockt hatte, diese Wahrheit, die sie so gefürchtet hatte, aber auch so verzweifelt zu erfahren genötigt war.

„Sprichst du im Ernst?“ stammelte Torlyri.

„Ich lasse den Marschbefehl gerade formulieren und werde ihn sehr bald verkünden. Wir werden alles mitnehmen, was irgend von Wert für uns sein könnte, alle diese seltsamen Gerätschaften, die Hresh und seine Sucher angesammelt haben, und dann ziehen wir davon, in das warme Südland, wie wir es schon vor einem Jahr hätten tun sollen. Harruel hatte recht. In dieser Stadt lauert Giftiges. Er hat mich nicht bewegen können, dies zu erkennen, und darum ist er davongezogen. Nun, Harruel ist ein Hitzkopf, und Harruel ist auch ein Tor; aber in diesem Fall hatte er einen klareren Durchblick als ich. Unsere Zeit in Vengiboneeza ist vorbei, Torlyri.“

Torlyri saß da wie betäubt.

Mit plötzlich aufsteigender Energie griff Koshmar nach ihr. Eine Leidenschaft, wie sie sie seit Wochen, seit Monden nicht mehr gefühlt hatte, begann in ihr aufzulodern. Mit heiserer Stimme bat sie: „Komm nun, Torlyri, Geliebte, liebe, liebe Torlyri! Wir sind hier ganz allein. Komm und laß uns tvinnern — es ist so lange her, so lange, nicht wahr, Torlyri — und dann kehren wir in die Siedlung zurück.“

„Koshmar.“, setzte Torlyri an und konnte nicht weitersprechen.

„Wollen wir tvinnern?“

Torlyris Lippen und Nasenflügel bebten. In den Augenwinkeln standen ihr Tränen.

Mit leiser gedämpfter Stimme sagte sie: „Ja, ich will mit dir tvinnern, wenn es das ist, was du wünschst.“

„Ist es denn nicht auch, was du wünschst? Du hast doch gesagt, daß du nach mir gesucht hast, wegen der Lust, in meiner Nähe zu sein. Und gibt es denn eine bessere Art, mir nahe zu sein, als wenn wir tvinnern?“

Torlyri hielt den Blick zu Boden gesenkt. „Ich habe heute schon getvinnert“, sagte sie. „Es war — meine Pflicht, du verstehst —, jemand kam zu mir, der den Trost der Opferfrau brauchte, und ich darf dies doch niemals verweigern — und. und.“

„Und nun bist du zu müde, es so bald erneut zu tun.“

„Ja. Genau dies ist es.“

Koshmar blickte sie fest an. Torlyri wandte sich beiseite.

Sie will nicht mit mir tvinnern, dachte Koshmar, weil dann ihre Seele offen für mich daliegt und ich sehen kann, wie tief sie diesen Behelmten liebt. Ist es das?

Nein. Nein. Denn wir haben ja vor gar nicht allzu langer Zeit getvinnert, und ich weiß ja schon, was sie für diesen Behelmten empfindet, und sie weiß auch, daß ich das erkannt habe. Es ist etwas anderes, das sie vor mir verbergen möchte, ja, das muß es sein. Etwas Neues, etwas noch Schwerwiegenderes. Und ich glaube, ich kann erraten, was es ist.

„Also gut“, sagte Koshmar. „Ich nehme an, ich werde den Nachmittag überleben, ohne zu tvinnern.“

Sie erhob sich und bedeutete Torlyri, desgleichen zu tun.

„Koshmar, werden wir wirklich in ein paar Wochen aus Vengiboneeza fortziehen?“ fragte Torlyri.

„In einem Mond, so ungefähr. Vielleicht in sechs Wochen.“

„Vorhin hast du gesagt, höchstens ein Mond.“

„Wir werden ziehen, wenn wir dazu bereit sind. Wenn wir für die Vorbereitungen einen Mond brauchen, dann ziehen wir in einem Mond. Dauert es zwei Monde, dann eben erst in zweien.“

„Aber unser Aufbruch ist beschlossene Sache?“

„Nichts könnte mich in meinem festen Entschluß dazu wankend machen.“

„Ach“, sagte Torlyri und wandte sich ab, als hätte Koshmar ihr einen Schlag versetzt. „Dann ist alles aus.“

„Was meinst du damit?“

„Bitte, laß mich, Koshmar!“

Koshmar nickte. Nun verstand sie auf einmal alles genau. Torlyri wollte nicht mit ihr tvinnern, denn da war etwas, das Torlyri ihr nicht einzugestehen wagte, und dies war: Wenn das Volk tatsächlich aus Vengiboneeza davonziehen sollte, dann würde sie, Torlyri nicht mit ihnen ziehen. Sie gedachte bei ihrem Behelmten zu bleiben; denn sie konnte sich mit Sicherheit ausmalen, daß Koshmar dem Behelmten gewiß nicht erlauben würde, mit dem Volk zu ziehen, sofern dieser überhaupt so etwas zu tun wünschen mochte.

Ich habe Torlyri auf immer und ewig verloren, dachte Koshmar.

Sie schritten schweigend nebeneinander zur Siedlung zurück.

14. Kapitel

Endzeit

Für Hresh war es eine erregende Zeit, und sie brachte ihm die Erfüllung vieler Träume und vieles, das er nie zu erlangen gehofft hätte.

Taniane war seine Tvinnr-Partnerin und auch seine Kopulationsgefährtin geworden. Nun, da alle Schranken zwischen ihnen gefallen waren, hatte er erkannt, daß sie während der ganzen gemeinsamen Kindheit und frühen Erwachsenenjahre mit unablässiger verlangender Liebe auf ihn geschaut hatte. Während er hingegen dafür blind war, in seine Studien der Chroniken vergraben und später mit der Erforschung der vengiboneezischen Ruinen beschäftigt, und ganz und gar nicht begriffen hatte, welcher Art ihre Gefühle für ihn waren — oder auch seine für sie.

Haniman war für Taniane nur ein Zeitvertreib gewesen. Ein Reservegeliebter, wenn sie sich langweilte, und vielleicht auch in der Absicht gewählt, Hresh eifersüchtig zu machen. Und Hresh hatte die Beziehung zwischen den beiden arg falsch interpretiert, was allesamt zu spüren bekommen hatten.

Doch dies alles war nun bereinigt. Nacht um Nacht lagen nun Taniane und Hresh die ganze Nacht beisammen, Brust an Brust, Sensororgan an Sensororgan geschmiegt, in einer Vereinigung ihrer Körper und Seelen, die dermaßen intensiv war, daß Hresh angesichts dieses Wunderbaren oft ganz schwindelig wurde. Er war fest entschlossen, Koshmar um die Erlaubnis zu bitten, Taniane als eheliche Gefährtin nehmen zu dürfen, sobald er nur den Mut dazu aufbringen würde. Zwar hatte er in den Chroniken dafür noch keinen Präzedenzfall entdecken können, daß der Alte Mann des Stammes sich eine eheliche Gefährtin genommen hätte, aber andererseits stand da auch nichts, was dem zuwidergelaufen wäre. Torlyri hatte das mit Lakkamai getan; und wenn die Opferfrau das tun durfte, jetzt in der Neuen Zeit, dann warum nicht auch der Chronist?