Hresh blickte gen Süden. Auf einem der nächstgelegenen Berghänge machte er eine Störung aus. Er sah, daß dort etwas Riesenhaftes sich schwerfällig aus dem Bauch der Erde hervorquälte. Es sah fast so aus, als ob ein Eisfresser sich aus dem tiefen Innern hervorwühlte. Aber — war das denn möglich? Ein Eisfresser? Ja, genau dies war es. Ein Eisfresser, vielleicht ein Spätling, der letzte, den die frohe Kunde endlich erreicht hatte, daß der Neue Frühling nun wahrhaftig gekommen sei. Und nun brach sich das monströse Geschöpf die Bahn an die Oberfläche frei und verwarf Bäume und Erdreich und gewaltige Felsplatten hierhin und dahin. Hresh erkannte das blinde Gesicht, den schwarzbe stachelten Leib. Und nun war die Kreatur durchgestoßen; und nun lag sie keuchend im Licht der Sonne und starb. Hresh schaute gebannt zu, und wie er so schaute, platzte der Leib der unterirdischen Kreatur auf, und winzige andere Kreaturen — oder zumindest auf diese Entfernung winzig aussehende Geschöpfe — krochen dutzendweise, hundertfach daraus hervor: kleine schimmernde Wesen, die sich ringelten und eifrig schlängelten, eine Heerschar kleiner Schlänglein, geboren aus dem gewaltigen toten Urzeitgeschöpf der vorherigen Welt. Die Jungen des Eisfressers, ja. Nicht häßlich-monströs wie der Koloß, der sie ins Leben geworfen hatte, nein, fein und befremdlich schön, helle schimmernde Geschöpfe, blau und leuchtend grün und samtschwarz, die wie Lichterspuren glitzernd dahinzogen. Davonstürzten in den sonnenhellen Tag. in das Leben, das sich ihnen nun am Ende des Winters auftat. Erneuerung und Wiedergeburt, ja. Oberall die Ablösung des Alten und Neugeburt.
Also würden sogar die Eisfresser überleben, gewissermaßen, in dieser Neuen Welt. In den Prophezeiungen hatte es geheißen, daß sie sterben müßten, wenn der Lange Winter endete, doch die Weissagungen hatten sich als zumindest fehlerhaft erwiesen. Aussterben würden sie nicht. Sie würden nur einfach verwandelt werden, in einen neuen Zustand übergehen. Aus der kahlen, kalten eisigen Verwesung des Winters, der Eiszeit, konnte neues Leben, neue Schönheit entspringen. Hresh sandte diesem neuen Leben seinen Segen entgegen: den Dawinno-Segen.
Wie heftig wünschte er sich, daß er dies alles nun Thaggoran sagen könnte!
Dann lachte er und nahm Thaggorans Amulett in die Hand.
„Ach, Thaggoran, mein Thaggoran, wenn ich damit beginnen wollte, dir all dies zu berichten, was ich erfahren und gelernt habe seit der Nacht, in der die Rattenwölfe kamen, ich würde ebenso viele Jahre brauchen, es dir zu sagen, wie ich brauchte, um es zu erleben“, sprach er laut. „Verstehst du? Da, die Eisfresser, das wird aus ihnen, wenn sie kalben. Und die Große Welt — ach, Thaggoran, ich habe sie gesehen, und ich weiß auch, warum sie so kampflos und friedfertig dem eigenen Tod entgegensah. Und die Beng — laß mich dir von den Beng erzählen, Thaggoran. und von Vengiboneeza und von.“ Er umklammerte das Amulett fest mit der Hand. „Ich hab es doch gar nicht so schlecht gemacht, Thaggoran, nicht wahr? Ich hab doch die eine oder andere Sache gelernt, was? Und eines Tages — das verspreche ich dir! — werde ich dir das alles genau erzählen. Eines Tages, ja. Aber noch nicht sehr bald, Thaggoran, ja? Aber dann werden wir beisammensitzen und reden wie in den alten Zeiten. Aber noch nicht ganz so schnell, ja?!“
Hresh machte kehrt und wanderte wieder nach Yissou City zurück. Das Festgelage mußte bald beginnen. Er würde dasitzen, Taniane zu seiner Rechten und Minbain zu seiner Linken, und wenn diese Harruel-leute noch Wein in ihrer Stadt auftreiben konnten, dann würde er davon soviel trinken, wie er nur trinken konnte — und darüber hinaus, denn dies würde eine Nacht und ein Siegesfest werden, wie man sie kaum jemals gesehen hatte. Ja, wahrlich! Er schritt rascher aus, dann begann er zu traben, und dann rannte er.
Und weit hinter ihm schlüpften die tausendmal tausend neugeborenen Eisfresser, glitzernd vor Lebenslust, davon und begannen ihrerseits das Fest ihres Eintritts in den Neuen Frühling der Welt zu feiern.