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Koshmar und ihre Krieger jedoch rückten stetig weiter voran, sie setzten die Speere ein, Wurfstöcke, Wurfpfeile und alle anderen Arten von Waffen, die sie hatten; und nach und nach zog sich der fremde Stamm zurück. Hresh, der die Gefechte aus sicherer Entfernung beobachtete, war von diesen Waldleuten angewidert und entsetzt. Wie häßlich sie waren, wie niederträchtig, wie — nichtmenschlich! Sie besaßen die Gestalt von Menschen (oder doch fast), aber sie handelten und betrugen sich wie Tiere. Die Fackeln jagten ihnen Entsetzen ein, als hätten sie nie zuvor Feuer gesehen. Ihr Sensororgan benutzten sie ausschließlich als Greiforgan, ganz wie irgendein banales wildes Wesen, als besitze dieses Organ keinerlei andere Kraft und Funktion, als sich mit seiner Hilfe durch die Bäume zu schwingen.

Trotzdem, dachte Hresh, so übermäßig anders als wir sehen sie eigentlich doch wieder nicht aus. Und das ist am schlimmsten dabei. Wir sind menschlich, sie sind tierisch — und trotzdem sind sie gar nicht so viel anders als wir! Und ohne die Gnade der Götter wären wir genauso wie sie!

Nach einer halben Stunde war die Schlacht beendet. Die Waldschnatterer waren verschwunden, und der Weg nach Vengiboneeza lag frei.

„Laß mich zuerst gehen“, flehte Hresh. „Ich hab es gefunden. Ich will der Erste sein.“

Koshmar gluckste, nickte aber huldvoll. „Noch immer unser Hresh-der-Fragesack, was? Na, schön. Geh!“

Die Gewährung seiner Bitte, vor allem weil sie so rasch und leicht erfolgte, bestürzte ihn ein wenig, aber er wandte sich ohne Zögern um und glitt durch das massive aus drei schweren grünen Steinsäulen bestehende Tor, das sich an der Schwelle zu Vengiboneeza auftat.

Zu seinem Erstaunen erwarteten ihn direkt dahinter drei Gestalten, in denen er Angehörige der saphiräugigen Rasse erkannte. Ihresgleichen hatte er viele Male gesehen, wenn er die Hände über die Seiten der Chronikbücher gleiten ließ: massige, auf gewaltigen dickschenkligen Beinen aufrechtstehende Wesen, die sich auf mächtige Sensororgane stützten — oder vielleicht waren es ja auch nur Schwänze? Die kleinen Unterarme waren in einer Haltung ausgestreckt, die deutlich einladend war. Die riesigen schwerlidrigen Augen, von einem so tiefdunklen Blau, daß sie nicht wie Augen, sondern wie Meere wirkten, strahlten Weisheit und Macht aus.

Bestürzt wich Hresh zurück. Zweimal hatten diese Wesen über die Welt geherrscht: einmal in der allerurältesten Zeit, lang bevor es überhaupt Menschliches gab, in einer lang verwehten Zivilisation, die von einem früheren Überfall der Todessterne vernichtet worden war; und sodann noch einmal während der Zeit der Menschen, in der die wenigen Überlebenden des Imperiums der Saphiräugigen ein zweitesmal zu Größe und Macht — aufgestiegen waren. Der Abstammung nach kriechende Reptilien der Krokodilart, Abkömmlinge von Geschöpfen, die seit langem sich damit zufrieden gaben, träge im Schlamm tropischer Flüsse zu ruhen, gelang ihnen ein Aufschwung hoch über diese Stufe hinaus; doch die Wiederkehr der Todessterne hatte das Reich der Saphiräugigen erneut zerschlagen, und diesmal hatte es die neue schreckliche Kälte bewirkt, daß es keine Überlebenden gab. So jedenfalls hatten die Chroniktexte in ihrer komplizierten Nebelhaftigkeit behauptet, und so hatte Thaggoran es gelehrt.

„Nein“, flüsterte Hresh. „Euch kann es ja gar nicht geben. Ihr seid doch alle mitsamt der Großen Welt ausgestorben!“

Der Saphiräugige zur Linken hob fragend einen seiner kleinen Unterarme.

„Wie hätten wir denn sterben können, du kleiner Affe, wenn wir doch niemals lebendig waren?“ Die Sprache klang gestelzt und antiquiert, sie war merkwürdig, aber verständlich.

„Niemals lebendig?“

„Wir sind Maschinen“, sagte der zur Rechten.

„Hier aufgestellt, um beim Winterende Menschliche in der Stadt unserer Herren und Meister willkommen zu heißen, nach deren Bildnis wir geschaffen wurden“, sagte der Saphiräugige in der Mitte.

„Maschinen“, sagte Hresh, das Wort prüfend und sich zu eigen machend. „Geschaffen nach dem Bild eurer Herren. Die im Langen Winter starben. Aha, ich verstehe. Ich begreife.“ Er trat so nahe an sie heran, wie er es wagte, legte den Kopf in den Nacken und starrte in die geheimnisvollen Tiefen der leuchtenden Augen. „Wir können also die Stadt betreten? Und ihr werdet uns alles zeigen, was sie enthält?“

Er bebte vor ehrfürchtigem Schrecken. Noch nie hatte er etwas so Majestätisches erblickt wie diese drei Gestalten. Zugleich jedoch empfand er ein undeutliches Gefühl der Enttäuschung. Sie waren nichts weiter als irgendwelche kluge Künstliche. Nicht lebendig, nicht wirklich. Er hätte sich gewünscht, daß sie echte Vertreter des Saphiraugen-Volks wären, die auf wundersame Weise die Zeit der Kälte überdauert hätten. Doch das war unmöglich. Er schob diese Hoffnung beiseite.

Nach einer Weile sprach er dann: „Warum habt ihr mich ‚kleiner Affe‘ genannt? Könnt ihr ein menschliches Wesen nicht erkennen, wenn ihr eines seht?“

Die drei Saphiräugigen gaben seltsame Zischlaute von sich, die nach Hreshs Empfinden so etwas wie ein Lachen sein mußten. Hinter sich hörte er andere Laute: leises Keuchen, verblüfftes Seufzen. Hastig blickte er sich um und sah Koshmar und Torlyri und die übrigen mit weit aufgerissenen Mäulern da stehen.

„Aber du bist ja ein kleiner Affe“, sagte der mittlere Saphiräugige. „Und die da hinter dir, das sind größere Affen. Und es waren Affen einer anderen und dümmeren Art, die euch im Wald angegriffen haben.“

„Ja, vielleicht waren die Affen. Wir jedenfalls sind menschliche Wesen“, erklärte Hresh mit Festigkeit.

„Aber, nicht doch“, sagte der linke Saphiräugige und gab wieder den leisen Zischlaut von sich. „Keine Menschlichen, nein. Die Menschen sind schon lange dahin und fort, schon mit dem Anbruch des Langen Winters.“

„Dahin? Wohin?“

„Sie sind fort, ja. Ihr seid bloß ihre entfernten Vettern, verstehst du? Ihr, aber auch die Waldleute, die in den Baumkronen schnattern.“

Hresh spürte, wie vor Bestürzung und Ärger sein Gesicht sich rötete.

„Ich glaub kein Wort davon.“

„Aber es ist so. Ihr und die Waldleute.“

„Ich verbiete dir, von denen und uns in einem Atemzug zu sprechen!“

„Aber sie sind eure Verwandten, kleiner Affe.“

„Nein! Nein!“

„Oh, eure Gattung ist weit überlegen, was den Verstand betrifft, das gebe ich gern zu. Aber ihr dürft euch niemals mit den Menschlichen verwechseln, Kind. Ihr seid nicht aus menschlichem Stoff, sondern aus einem anderen, etwas ähnlich vielleicht, vielleicht aus einer anderen Abstammungslinie von einem und demselben uralten Vorfahren der Menschen und der Affen: ein zweiter Versuch, vielleicht, das zu bewirken, was die Götter mit den Menschen erreicht haben.“

Hresh starrte stumm. Verwirrung und Zorn erstickten ihm die Kehle. Das sind böswillige Lügen, dachte er. Darauf abzielend, ihn zu demütigen und zu betrüben, weil er so keck gewesen war, in die äonenalte Einsamkeit dieser drei mißgünstigen Künstlichen einzudringen.

„Ihr seid den Menschlichen in gewissen Stücken ähnlich“, sagte der linke Saphiräugige, „aber nicht übermäßig. Das versichere ich dir. Sie trugen kein Fell, die Menschen, und sie hatten keine Schwänze, und.“

„Das ist kein Schwanz!“ rief Hresh empört. „Es ist ein Sensororgan!“

„Gewiß, ein modifizierter Schwanz“, fuhr der Saphiräugige unerbittlich fort. „Und er ist ziemlich gut, ja effektiv geradezu wirklich bemerkenswert. Aber ihr seid trotzdem keine Menschen. Es gibt hier keine Menschen mehr. Was ihr seid — ihr seid Affen — oder aber die Kinder von Affen. Die Menschen haben die Erde verlassen.“

Diese unglaublichen Worte waren niederschmetternd. Es mußte eine Lüge sein, die Künstlichen spielten gewiß nur mit ihm, versuchten ihn zu quälen und zu demütigen mit dieser abscheulichen, unmöglichen Schmachrede. Aber er konnte es dennoch nicht mit der gebührenden Verachtung abschütteln. Er spürte, wie sein Grimm der Verzweiflung wich.