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Dennoch, das Bild wollte nicht von ihr weichen: Torlyri in den Armen eines Kriegers, dessen Gesicht sie nicht sehen konnte. Torlyri keuchend und stöhnend. Torlyris Sensororgan peitschenzuckend, wie es bei der Kopulation geschieht. Torlyri, die ihre Schenkel öffnet.

Nein. Nein. Nein. Nein!

„Aber warum nicht Torlyri? “ fragte die selbe Stimme wieder.

Koshmar ballte die Fäuste.

Es ist die Neue Zeit, gewiß, sprach sie bei sich selbst. Aber Torlyri gehört mir.

Taniane fragte: „Was haben diese Dinger der Saphiräugigen damit gemeint, als sie sagten, wir seien Affen, keine Menschlichen?“

„Nichts“, beschied Hresh sie. „Es war weiter nichts als eine blöde Lüge. Die haben nur uns runtermachen wollen.“

„Aber warum wollen die so was machen?“

„Weil wir lebendig sind“, sagte Hresh. „Und sie sind Sachen, die nie lebendig waren, Dinge, von einer ebenfalls toten Rasse erbaut.“

Harruel sagte: „Sie haben uns Affen genannt. Ich weiß, was Affen sind. Ich hab die zwei erlegt, die dich im Dschungel angegriffen haben. Und beim Einzug in die Stadt tötete ich noch mehr. Ich wollte, ich hätte sie alle umgebracht, die dreckigen scheißeschmeißenden Tiere. Was sind die, diese Affen, die angeblich unsere Verwandten sind?“

„Tiere“, sagte Hresh. „Nur Tiere.“

„Und wir, sind wir auch nur Tiere?“

„Wir sind menschliche Wesen“, sagte Hresh.

* * *

Hresh sagte solche Worte, als könne an ihrem Wahrheitsgehalt kein Zweifel bestehen. Doch in Wirklichkeit empfand er keine Gewißheit, sondern tapste nur verwirrt in einem dunklen Sumpf umher.

Ein Menschlicher zu sein, dachte er, das war etwas Großes und Herrliches. Es hieß, Glied in einer endlosen aufsteigenden Kette zu sein, die von den urältesten Zeiten der Welt heraufreichte. Ein Affe zu sein — oder auch nur der Vetter eines Affen —, das war kaum besser als diese übelriechenden und schnatternden dummen Viecher, die an ihren Sensororganen von den Bäumen schaukelten — nein, verbesserte Hresh sich, von ihren Schwänzen — dort drüben am Stadtrand im Dschungel.

Also, was sind wir, fragte Hresh sich, Menschen — oder Affen?

Im Buch des Weges der Chroniken stand geschrieben, daß zum Winterende die Menschlichen aus ihren Verstecken herauskommen und zu dem zerstörten Vengiboneeza ziehen würden, wo ihnen die Dinge zuteil werden würden, die sie brauchten, um die Herrschaft über die ganze Welt zu erlangen. Dies jedenfalls las Hresh aus dem Text heraus; und er interpretierte es sich auch so, daß die Schriften das ‚Volk‘, sein Volk, meinten, wenn im ‚Buch des Weges‘ von den ‚Menschlichen‘ die Rede war.

Aber stimmte das auch? Die Chroniken waren nicht in den einfachen Worten alltäglicher Rede abgefaßt; sie setzten sich aus verkapselten Denkpaketen zusammen, zu denen der Leser durch seine Geisteskräfte Zugang erhält. Und darin eröffnete sich ein weites Feld für Fehlinterpretationen. Das, was von dem Pergamentblatt in seine Finger sprang und von seinen Fingern in seinen Verstand, wenn er im Buch des Weges studierte, war ein Konzept, das das ‚Volk‘ zu meinen schien, also wohl Jene-für-die-das-Buch-geschrieben-ist. Jedoch konnte es ebenso leicht auch bedeuten Menschliche-die-anders-sind-als-das-Volk. Bei genauerem Studium erkannte Hresh, daß die einzige unstrittige Lesart jene war, die sagte, daß ‚Jene-die-sich-für-Menschliche-halten‘ am Winterende nach Vengiboneeza kommen würden, um die Schätze der Stadt für sich zu fordern.

Jedoch, es war möglich, sich für menschlich zu halten, auch ohne es wirklich zu sein!

Die künstlichen Wächter der Saphiräugigen, sagte Hresh zu sich, erklären uns, wir seien Affen — oder doch Abkömmlinge von Affen. Koshmar erwidert erzürnt, wir seien Menschliche. Wer hat recht? Meint das Buch des Weges, daß wir nach Vengiboneeza kommen werden — oder irgendwelche geheimnisvollen sie?

Alles übrige im Buch des Weges schien für das ‚Volk‘ und zu seinem Nutzen geschrieben zu sein. Es war schließlich ihr Buch, von ihnen und für sie geschrieben. Also, wenn das Buch des Weges sagt ‚Menschliche‘, dachte Hresh, dann muß es sich doch gewißlich auf uns beziehen. Aber sagt das Buch des Weges tatsächlich ‚Menschliche‘, fragte sich Hresh. Oder war dies nur die Bedeutung, die das ‚Volk‘ dem Wort unterlegt hat, weil es sich im Verlauf der Jahrhunderte angewöhnt hat, sich als menschlich zu betrachten, auch wenn dies tatsächlich nicht der Fall war?

Er fand aus der Verwirrung nicht heraus.

Er fragte sich: Aber spielt es wirklich eine Rolle, ob wir menschlich sind oder etwas anderes? Wir sind, was wir sind, und was wir sind, das ist keineswegs irgendwie niedrig oder verächtlich.

Nein. Nein.

Genauer als irgend jemand sonst wußte er, wie diese Affenwesen aus dem Dschungel waren. Er hatte ihnen direkt in die Augen geblickt und die Tierhaftigkeit dort gesehen. Um seinen Hals hatte sich ein kräftiger behaarter Schwanz geschlungen und ihn fast zu Tode gewürgt. Er hatte das Keckern und sinnlose Geschnatter gehört. Aus ganzer Seele verabscheute er sie, und aus ganzer Seele betete er, die Künstlichen möchten gelogen haben und zwischen seinem Volk und den Affen des Dschungels gebe es nicht einmal eine allerfernste Verwandtschaft.

Fest redete er sich ein, daß er und sein Volk menschliche Wesen seien, genau wie Koshmar es behauptete. Aber er wünschte sich auch sehr, daß er dessen so gewiß sein könnte, wie sie es zu sein schien. Er wünschte, er fände irgendeinen Beweis. Aber bis er den nicht gefunden hatte, würde er eben weiter mit seinen quälenden Zweifeln leben.

Das Volk mußte Vengiboneeza mit anderen Lebewesen, mit kleineren, teilen, von denen manche sehr unangenehm waren.

Die Dschungelaffen kamen manchmal herein, kletterten auf den hohen Simsen und Dachkronen nahegelegener Häuser herum und bewarfen die unten mit Gegenständen — Steinchen, Kotkugeln, kleinen scharfkantigen knallroten Beeren, die wie glühende Kohlen brannten. Schlangen mit hochgespreizten grünen Hauben hinter dem Kopf waren überall, ringelten sich schläfrig zwischen Steinen, entrollten sich aber dann und wann zischend und stießen zu. Das Mädchen Bonlai wurde gebissen, ebenso der Jungkrieger Bruikkos, und beide lagen viele Tage krank darnieder, fiebernd und trotz der Arzneien und Bannsprüche, die Torlyri bei ihnen anwandte, von Schmerzen gepeinigt.

Salaman stieß beim Stöbern zwischen zwei schrägbedachten dreiseitigen Alabastergebäuden, etwa hundert Schritte hinter dem Zentralturm auf eine Platte im Boden, auf der ein Metallring befestigt war, und er beging den Fehler, daran zu ziehen. Die Platte ließ sich mühelos heben, aber sofort kamen aus den Tiefen der Erde in Horden schimmernde, grüngolden blitzende Geschöpfe herauf, nicht länger als ein Mannsdaumen und umschwärmten ihn. Ihre Augen waren riesig und glitzerten wie feurigrote Edelsteine, und ihre klickenden kleinen Kiefer waren messerscharf. Salaman mußte ein Dutzend Bisse erdulden, aus denen sogleich Blut floß. Er brüllte vor Schmerzen, und Sachkor und Moarn kamen hinzugelaufen, und zu dritt gelang es ihnen, die Angreifer abzuwehren, aber inzwischen hatten sich die kleinen Bestien überall hin verbreitet. Allerdings waren ihre Leiber weich und konnten leicht mit dem Schlag eines Strohbesens zerschmettert werden. Nach einstündigen Kampfmaßnahmen seitens einer sechsköpfigen Kampftruppe des Stammes waren sämtliche Biester tot. Während der Nacht sammelten unsichtbare Aasfresser die kleinen Leichen auf der Plaza auf, und im Morgengrauen war nichts mehr von ihnen sichtbar.