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„Komm her und mach einen Buckel!“ befahl Hresh. „Ich will etwas versuchen.“

Haniman ging gefügig auf die Knie nieder. Hresh kletterte ihm auf die Schultern und befahl ihm dann aufzustehen; und als Haniman wieder aufrecht dastand, versetzte Hresh dem nächsterreichbaren Metallstab mit zwei Fingern einen kräftigen Stups, und das ganze Gebäude begann in klaren Tönen zu widerhallen.

Sogleich reagierte die schwarze Steinplatte mit einem dunklen Stöhnen und einem irgendwie mechanischen Seufzen; und dann setzte sie sich in Bewegung und glitt langsam abwärts.

„Hresh?“

„Halt dich gerade!“ schrie Hresh. „So, jetzt laß mich erst mal wieder runter!“ Er sprang von Hanimans Rücken und stand stocksteif neben ihm, unsicher darum bemüht, das Gleichgewicht zu wahren, während der Steinquader gemächlich weiter abwärts sank, beinahe schwebend und immer tiefer und tiefer und tiefer in die Dunkelheit hinunter.

Schließlich hielt die Platte an. Und plötzlich glühte ringsum bernsteingoldenes Licht auf. Hresh blickte sich um. Sie befanden sich auf dem Grund einer hochgewölbten Höhle, die sich endlos weit durch die Tiefen der Erde zu erstrecken schien. Die Decke verlor sich in den Schatten über ihnen. Die Luft war trocken und abgestanden, besaß aber dabei etwas scharf Stechendes, das Hresh an die kalte Luft während der ersten Tage nach dem Auszug aus dem Kokon erinnerte, obwohl es hier unten gar nicht kalt war.

Die Höhlenwände rechts und links entlang und bis zu einer Höhe, wo sich die Sicht verlor, waren mit einem Gewirr von Götzenbildern bedeckt, riesenhafte halb im Dunkel verhüllte Plastiken, die Fries um Fries in die Höhe stiegen. Anfangs fiel es schwer zu erkennen, was für Gestalten dort dargestellt waren, doch allmählich konnte Hresh Einzelheiten unterscheiden und erkannte, daß es sich vorwiegend um Saphiräugige handle, die aus irgendeinem grünen Stein als Hochrelief gearbeitet waren, allerdings waren die schweren ausladenden Kieferknochen und die gerundeten Bäuche wüst übertrieben. Die Figuren waren grotesk, bizarr und besaßen einen Hauch sowohl von Entsetzlichkeit wie von Komik. Einige waren abnorm feist oder besaßen absurd verlängerte Gliedmaßen oder Augen, die so groß waren wie eine dutzendfach vergrößerte Untertasse. Vielen von ihnen sproßten fünf oder sechs verkleinerte Abbilder ihrer selbst wie Pusteln aus den Bäuchen und Schultern. Die unheimlichen dolchartigen Zähne waren gefletscht. Aus den klaffenden Rachen schien lautlos Gelächter zu dröhnen.

Doch die zu beiden Seiten emporwuchtenden Statuen waren nicht nur Bildnisse der Saphiräugigen. Nein, hier fand sich eine ganze Welt zusammen — ja sogar ein ganzer Kosmos — aus dichtgedrängten wogend-wuchernden Statuen in aberwitziger Vielfalt und Zahl, Geschöpfe jeglicher Art, in gräßlich gedrängten verrenkten Gruppen dicht zusammengepackt.

Hie und da sah Hresh die Gestalten von Hjjk-Leuten zwischen den Saphiräugigen, auch einige kuppelköpfige Mechanische, die sich nicht sehr von jenen unterschieden, die der Stamm in den Niederungen dicht hinter den scharlachroten Felsbergen rostzerfressen angetroffen hatte, und da waren andere Wesen, die wie wanderndes Gestrüpp aussahen, mit Blütenblättern als Gesichtern und belaubten Ästen anstelle von Armen und Beinen.

„Was ist denn das für ein Zeug?“ fragte Haniman.

„Vegetalische, glaube ich. Ein Volksstamm aus der Großen Welt, der im Langen Winter vernichtet wurde.“

„Und die da?“ fragte Haniman. Er wies auf eine Gruppe bleicher länglicher Gestalten, die Hresh stark an Ryyig den Träumeträumer gemahnten, dieses sonderbare haarlose Geschöpf, das schlummernd im Kokon über — wie man sagte — hundertmal Tausende Jahre gelebt hatte. Hier schritten sie aufrecht auf zwei langen dünnen Beinen dahin, und gewissermaßen ähnelten sie auch den Menschen des Volkes, aber sie besaßen kein Fell und keine Sensororgane, und ihre schwächlichen Leiber wirkten sogar in Stein weichlich und verletzbar.

Hresh schaute sie lange, lange an.

„Also, ich weiß nicht, was die darstellen sollten“, sagte er schließlich.

„Aber die sind doch wie der Träumeträumer, oder?“

„Ja, das schien mir auch so.“

„Aber — eine ganz große Rasse von Träumeträumern.?“

Hresh erwog dies bei sich. „Wieso nicht? Vor dem Langen Winter lebten möglicherweise vielerlei Arten von Lebewesen auf der Erde.“

„Also waren die Träumeträumer eins von den Sechs Völkern der Großen Welt, von denen die Chroniken berichten?“ Haniman begann an den Fingern abzuzählen. „Die Saphiräugigen, die Seeherren, die Hjjks, die Vegetalischen, die Menschlichen — das macht fünf.“

„Du hast die Mechanischen weggelassen“, sagte Hresh.

„Stimmt. Also, damit haben wir alle sechs. Also — wer waren dann die Träumeträumer?“

„Vielleicht Leute von einem fremden Stern. In jenen Tagen gab es hier alle möglichen Leute von fremden Sternen.“

„Aber was hatte einer von einem fremden Stern in unserem Kokon zu suchen? Wieso lebte der da?“

„Das weiß ich leider auch nicht.“

„Du scheinst ’ne ganze Menge nicht zu wissen, was?“

„Du stellst zu viele Fragen“, antwortete Hresh ärgerlich.

„Ach, und ich dachte, du bist Hresh-der-die-Antworten-weiß.“

„Also, frag mich das lieber ein andermal, ja?“ sagte Hresh.

Er drehte ihm den Rücken zu, stieg behutsam von dem Steinquader, der sie hier heruntergetragen hatte, und machte ein paar vorsichtige Schritte in die Höhle hinein. Bei seiner Bewegung glitt das bernsteinfarbene Licht vor ihm her und erhellte seinen Weg. Es schien aus unsichtbaren Öffnungen zu strömen, die wohl fünfzehn bis zwanzig Schritte voneinander angeordnet waren und die durch seine Annäherung in Betrieb gesetzt wurden.

Zwar quollen überwältigend komplizierte Massen von Skulpturen zu beiden Seiten bis in weite Entfernung, doch der Boden der Höhle selbst schien glatt und leer zu sein. Als Hresh jedoch weiterging, nahm er nach und nach einen brockenähnlichen Gegenstand wahr, etwas Hohes, Breites, das weit hinten in der Düsternis auf seinem Weg hockte. Als er näher herangekommen war, erkannte er, daß er von einer komplexen, deutlichen Struktur war, vielleicht eine Maschine, die überall mit Knöpfen und Hebeln bestückt war und aus einem schimmernden bräunlichgelblichen Material, das fast wie Bein aussah.

„Was hältst du davon?“ fragte Haniman.

Hresh gluckste. „Bald wird man dich noch Haniman-den-Fragesack nennen!“

„Ist das was Gefährliches?“

„Könnte sein. Aber ich weiß es nicht. In allen Texten, die ich gelesen habe, steht kein Wort über das alles hier.“ Er hob die Hände und hielt sie über der nächsten Reihe von Knöpfen in der Schwebe, wagte jedoch nicht, etwas zu berühren. Plötzlich überkam ihn das klare Gefühl, daß dieses Ding da eine Art übergeordneter Kontrollapparatur sein müsse, mit der das ganze Webgeflecht der drei Dutzend Türme um die Plaza in Verbindung stehe. Und diese Spiralen und Streben und Sprossen dienten dann vielleicht dazu, Energie zu sammeln und hierher zu schleusen.

Und wenn ich nun diese Knöpfe berühre? fragte er sich. Fährt dann diese gesammelte Energie durch meinen Leib und zerstört mich?

Und zu Haniman sagte er: „Tritt zurück!“

„Was hast du denn vor?“

„Ich mache einen Test. Und es könnte gefährlich sein.“

„Wäre es nicht besser, du wartest erst noch ein bißchen und untersuchst das Ding erst mal genauer?“

„Genau das mache ich jetzt, ich untersuche es.“

„Hresh...!“

„Tritt zurück! Weiter! Noch weiter!“

„Hresh, das ist irrsinnig. Du redest Blödsinn, und deine Augen sind ganz wild. Geh weg von dem Ding!“

„Ich muß es aber versuchen“, sagte Hresh.

Er legte die Hände an die nächsten Knöpfe und preßte sie, so hart er konnte.