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Aber während seiner Queste stieß Hresh ab und zu auf Geschöpfe einer anderen ihm vertrauten Art; merkwürdige schwächliche Wesen waren sie, spärlich über die große Stadt verstreut, verstreut zu zweit oder zu dritt über Vengiboneeza wie kostbare Edelsteine auf einem Sandstrand. Sie waren hochgewachsen und schlank, und sie gingen aufrecht, genau wie das Volk. Ihre Schädel waren hochgewölbt, ihre Lippen waren schmal, ihre Haut war bleich und ohne Fell; und ihre Augen hatten einen geheimnisvollen, rätselhaften violetten Schimmer. Und von ihnen strahlte eine große Kraft und hohes Alter aus, die in einem derart festen Selbstgefühl verankert lagen, daß es überwältigend war, ja, es war in seiner starken Selbstgefälligkeit geradezu niederschmetternd.

Hresh hatte diese Wesen vorher schon gesehen, und zwar als Bilder auf den Wänden der unterirdischen Höhle, in der er diese Reise durch die Zeit begonnen hatte. Ja, er hatte eins von ihnen sogar bereits im Kokon selber gesehen: dieses rätselhafte schlafende Geschöpf, das so lange unter dem Volk gelebt hatte, ohne jemals Eingang zu finden in das Leben des Volkes. Das waren also die Träumeträumer-Leute. Haniman hatte in aller Unschuld gefragt, als er sie unter den Skulpturen des Gewölbes sah, ob sie eines der Sechs Völker seien, und Hresh hatte rasch gelogen und gesagt, nein, nein, sie müssen Leute von einem andern Stern sein. Doch nun war er da gar nicht mehr so sicher. Nun begann ein furchtbarer Verdacht, eine Ahnung der entsetzlichen Wahrheit in seiner Seele zu keimen und zu wachsen.

Er sah sie durch die Stadt gehen, schweigend, erhaben-abweisende von Geheimnis umhüllte Wesen, wie Könige, wie Götter. Fast schienen sie ein wenig über dem Pflaster zu schweben. Dann gelangte er an ein Gebäude, das er wiedererkannte: den dunklen flachen Komplex mit den schweren Mauern, den er die Zitadelle getauft hatte; fensterlos, massiv, bedrohlich ragte sie in düsterer Majestät auf einem hohen Hügel auf und sah genauso aus wie in seiner eigenen Zeit. Und dort sah er Dutzende von diesen Geschöpfen kommen und gehen, gerade so, als wäre hier ihre besondere Herberge — oder vielleicht auch ihr Palast. Sie schenkten ihm keine Beachtung. Er beobachtete, wie sie einer nach dem anderen sich dem Gebäude näherten und es mit ihren langen Fingern an den Seiten berührten und dann hindurchgingen, als wären die Mauer nichts weiter als gestaltloser Dunst; und wenn sie hervorkamen, war es ebenso.

Er ließ seinen Geist zu ihnen niedergleiten, und er tauchte in die Glut ihrer verwirrenden Aura ein, und er sank in den Schattenmantel, der ihre Seele umhüllte.

Und er fühlte ihre innere Beschaffenheit und erkannte ihre Natur. Und diese Erkenntnis traf ihn mit solcher Stärke, daß sie ihn zu Boden schmetterte und er sich auf den Knien zusammenkrümmte, als preßte ihn eine mächtige Hand im Rücken nach unten.

Und wieder hörte Hresh die spöttische Stimme des künstlichen Wächters der Saphiräugigen, die donnernde Stimme: Ihr seid nicht Menschen. Es gibt hier keine Menschen mehr. Ihr seid Affen, oder die Abkömmlinge von Affen. Die Menschlichen sind vom Angesicht der Erde verschwunden.

War das so? Ja. Ja, so war es!

Diese Geschöpfe hier waren die wirklichen Menschen. Diese bleichen, langbeinigen pelzlosen Wesen, die Träumeträumer, diese Gespenster und Phantome, die durch das alte Vengiboneeza schwebten.

Er berührte ihre Seelen, und er erkannte die Wahrheit, und es war unmöglich, davor die Augen zu verschließen.

Er fühlte, wie uralt sie waren. Ihre endlose Lebenslinie, die zurück und zurück in die Zeit sank, über so viele Jahre hin, daß er für eine so hohe Zahl keinen Begriff hatte, Millionen Jahre, Ewigkeiten. Sie hatten auf dieser Welt von ihren Anfängen an gelebt, so schien es jedenfalls. Das Gewicht ihrer unermeßlichen Vergangenheit, diese schwankende Last ihrer Geschichtlichkeit drohte ihn zu zerdrücken. Er blickte in ihre Seelen und schaute eine lange Prozession von Staaten und Reichen einander folgen, die erblüht und zugrunde gegangen waren und wieder erblühte, ein endloser ewiger Zyklus von Größe, Königen und Königinnen, Kriegern, Dichtern, Chronisten, Unmengen von Errungenschaften und Leistungen von solcher Größe, daß sie sein Begriffsvermögen überstiegen und ihn verwirrten. Gewiß doch waren die hier Götter. Denn wie die Götter war ihnen Schöpfertum gegeben und sie konnten etwas erschaffen und dann ihren Schöpfungen den Rücken zukehren; sie konnten es sich gestatten Errungenschaften, so turmhoch, daß Hresh sie nicht begriff, in Vergessenheit versinken zu lassen, um dann etwas Neues zu erschaffen und erneut das Interesse daran zu verlieren — und immer so weiter.

Ganz gewiß, dachte Hresh, müssen diese Leute die wahren Herren von Vengiboneeza sein, und nicht die Saphiräugigen, die er für die Herrscher gehalten hatte.

Aber nein, nicht doch. Sie waren nicht Herrn und Meister, diese Menschen. Das hatten sie nicht nötig. Den Saphiräugigen fielen die Pflichten und die Verantwortung der Planung und Regierung zu; den Mechanischen war die Last der Arbeit auferlegt; und den Hjjk und den Seeherren und den Vegetalischen waren die verschiedenen kommerziellen Funktionen überlassen, auf denen das Leben der Großen Welt ruhte. Und Hresh erkannte, daß die Menschen einfach nur waren. Eine uralte Rasse, schwindend an Zahl inzwischen, wärmten sie sich an ihrer ur-ur-uralten Größe und Glorie. Diese Welt hatte einstmals ihnen gehört, ihnen allein, und allein der Ausdruck in ihren Augen verriet, daß sie diese uralte Suprematie, diese Überordnung, nicht vergessen hatten, aber auch, daß sie nicht grämlich bereuten, sie preisgegeben zu haben, denn sie hatten es bereitwillig getan. Vielleicht hatten sie die anderen fünf Rassen vor langer Zeit erschaffen. Und die anderen, selbst die Saphiräugigen, beugten sich ihnen ja unbezweifelbar ohne Zögern, Also waren sie sicherlich Götter. Bestimmt. Jedesmal wenn er das Denken eines von ihnen berührte, bekam er ein Gefühl, so wie er es sich bei der Berührung mit dem Denken Dawinnos oder Friits vorstellte.

Nach einer Weile konnte Hresh es in ihrer Nähe nicht länger aushalten. Er wich von ihnen zurück wie von einem lodernden Feuer und zog weiter, immer noch suchend, immer wieder findend.

Es gab noch weitere Rassen in der Stadt und sogar noch zahlenmäßig viel kleinere als die der Menschen. Seltsame Geschöpfe waren sie, von vielerlei bestürzender Art. Von manchen entdeckte er nicht mehr als vier oder fünf Vertreter, bei manchen entdeckte er nur einen einzigen. Sie sahen in keiner Weise irgend etwas ähnlich, worauf er aus dem Studium der Chroniken hätte vorbereitet sein können. Hresh sah Wesen mit zwei Köpfen und sechs Beinen, und Wesen ganz ohne Kopf, aber dafür mit einem Wald voller Arme. Solche mit Zähnen wie tausend Nadeln um einen kreisrunden Mund, der sich in ihrem Magen öffnete. Er sah Geschöpfe, die in versiegelten Tanks lebten, und andere, die wie Blasen über den Kopf dahinschwebten. Gewichtige Wesen sah er, die sich mit erdbebenhaftem Getöse bewegten, und leichte Flatterwesen, deren Bewegungen das Auge verwirrten. Sie alle verströmten einen unverkennbaren Schimmer von Intelligenz, auch wenn es keine irdische Intelligenz war, und die Ausstrahlungen ihrer Seelen waren ihm rätselhaft und verwirrten ihn beträchtlich.

Mit der Zeit erkannte Hresh, was diese Geschöpfe sein müßten: Sternenwesen, Besucher von den Welten, die um die hellen kalten Feuer der Nacht kreisten. In den Tagen der Großen Welt muß es ein beständiges Kommen und Gehen von Reisenden unter den Himmelswelten gegeben haben. Und von einem dieser Fremdlinge war vielleicht der Wunderstein gekommen, der ihm nun diese Vision verschaffte.