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Torlyris Erwählung zur nächsten Opferfrau war früh erfolgt, als sie kaum über die Mädchenjahre hinaus war. Das war unter der Häuptlingsschaft Themurs und der Zeit Gonnaris als Opferpriesterin gewesen. Diese beiden waren praktisch gleichaltrig gewesen, mußten also das Grenzalter gleichzeitig, mit nur einem Monat Abstand, erreichen und durch die Schleuse schreiten. Thekmur erwählte sich Koshmar als Nachfolgerin, und Gonnaris Wahl fiel auf Torlyri. Im Verlauf der folgenden fünf Jahre hatten sich Koshmar und Torlyri, die bereits Tvinnr-Partner waren, der Ausbildung für die großen Aufgaben unterzogen, die ihrer harrten; und dann waren für Thekmur und Gonnari deren Todestage gekommen, und für Koshmar und Torlyri war das Leben schlagartig und endgültig verändert.

Das war nun zwölf Jahre her. Torlyri war zweiunddreißig Jahre alt, fast dreiunddreißig. Wenn man noch im Kokon lebte, würde ihr eigener Todestag nur wenige Jahre entfernt sein und sie würde bereits eifrig ihre Nachfolgerin heranbilden. Aber niemand sprach mehr von Grenzalter oder Todestagen. Torlyri würde die Opferpriesterin bleiben, bis ihr natürlicher Tod zu ihr kam und sie hinwegnahm. Und sie dachte — anstatt ans lästige Sterben — an Liebeswerben.

Seltsam! Sehr seltsam!

Ab und zu hatte sie ein paar Kopulationsversuche unternommen — das taten fast alle, selbst jene, die ihrem Entwurf und ihrer Struktur nach nicht für die Fortpflanzung bestimmt waren —, aber Torlyri hatte derlei nicht sehr oft getan und nun schon seit langer Zeit nicht mehr. Angeblich war die Sache mit hoher.Lust verbunden, doch ihr war es nie gelungen, diese dabei zu finden. Übrigens auch kein Unbehagen: sie hatte es nur als etwas Beiläufiges betrachtet und erlebt, einen gewissen Bewegungsablauf, den man mit dem Körper durchführte, etwa so befriedigend wie Fußboxen oder Handlaufen, vielleicht nicht einmal dies.

Ihre erste Erfahrung hatte sie mit vierzehn gemacht, kurz nach ihrem Tvinnr-Tag, also im üblichen Alter für solcherart Initiationen. Ihr Partner war Samnibolon, der später Minbains Kopulationspartner werden sollte. Er machte sich in einem abgeschiedenen Winkel des Kokons an sie heran und winkte ihr zu und hielt sie fest und streichelte ihren dunklen Pelz, bis sie schließlich begriff, was er vorhatte. Es schien daran nichts Böses. Also tat sie, wie sie es bei älteren Frauen gesehen hatte, und öffnete sich ihm und ließ ihn seine steife Kopulationsrute in sie schieben. Er bewegte sie rasch her und hin, und sie rollten irgendwie ineinander verstrickt herum, und irgendeine plötzliche Eingebung befahl ihr, die Beine anzuziehen und ihre Knie gegen seine Flanken zu pressen, was ihm sehr zu gefallen schien. Und nach einer Weile schnaufte er grunzend und ließ sie wieder los. Dann lagen sie still einige Zeit im Arm des Andern, Samnibolon redete auf sie ein, wie schön sie sei und was für eine leidenschaftliche Frau sie werden würde. Und damit hatte es sich. Er kam ihr nie wieder zu nahe. Wenig später wurden Minbain und er Kopulationspartner.

Ein, zwei Jahre darauf zog sie der alte Krieger Binigav beiseite und bat sie, mit ihm zu kopulieren; und da er freundlich war und außerdem schon dem Grenzalter nahegerückt, tat sie ihm den Gefallen. Er war sanft, zärtlich und behutsam mit ihr, und nachdem er in sie eingedrungen war, verhielt er dort eine lange Zeit; sie aber verspürte weiter nichts als eine milde Wärme, aber wenig aufregend.

Das drittemal war mit Moarn, dem Vater jenes Moarn, der nun Stammeskrieger war. Moarn war bereits partnerschaftlich kopulationsverbunden, und deshalb überraschte es Torlyri, als er nach einem Fest nach ihr griff. Er hatte zu viel vom Samtbeerwein getrunken, und sie gleichfalls. Sie begrapschten und befummelten einander und umarmten sich. Torlyri war sich später nie ganz sicher, ob sie tatsächlich kopuliert hatten oder nicht: sie erinnerte sich, daß es da gewisse Schwierigkeiten gegeben hatte. Doch wie immer, es bedeutete kaum einen Unterschied. Auf jeden Fall war es kein buchenswertes Erlebnis gewesen. Und das war die Liste ihrer drei Kopulationserfahrungen: Samnibolon, Binigav und Moarn. Alle drei Männer waren schon lange tot; und sie — sobald sie in ihrem achtzehnten Jahr zur nächsten Opferfrau erwählt war — hatte nie wieder den Versuch unternommen, diesen Lebensbereich zu erforschen.

Doch nun. aber jetzt.

Seit Wochen schon hatte Lakkamai sie so seltsam angestarrt. Dieser stille, verschlossene, abweisende Mann, was bewegte er in seinem Kopf? Noch nie hatte jemand sie dermaßen fest angestarrt. In seinen grauen Augen leuchteten helle grüne Flecken, und das ließ ihn geheimnisvoll, unergründlich erscheinen. Es war, als versuche er, tief in ihre Seele hinabzublicken.

Jedesmal wenn sie sich plötzlich umschaute, stand da etwas entfernt Lakkamai und blickte sie an. Und dann wandte er stets hastig den Blick und gab vor, mit etwas, mit irgend etwas beschäftigt zu sein. Manchmal lächelte sie ihm zu. Manchmal aber kehrte sie ihm einfach den Rücken zu; und wenn sie sich ihm dann erneut zuwandte, fünf oder zehn Minuten später, stand er wieder da und starrte sie an.

Allmählich begriff sie.

Sie ertappte sich oft dabei, daß sie nun ihrerseits zu Lakkamai hinüberschaute, um zu sehen, ob er zu ihr herüberblickte. Und dann ertappte sie sich dabei, daß sie Lakkamai anschaute, einfach um des Vergnügens willen, ihn anzuschauen, sogar wenn er ihr den Rücken zukehrte.

Er war so geschmeidig und graziös und dabei doch auch stark; nicht kräftig in der dickfleischigen Art von Harruel, sondern ausgestattet mit einer drahtigen, federnden Kraft, die sie an jenen armen Behelmten erinnerte, der beim Verhör durch Koshmar und Hresh gestorben war. Lakkamai war einer der ältesten Männer im Stamm, ein langgedienter Krieger, doch sein Fell, ein satter brauner und bläulichroter Pelz, zeigte noch keine Spur von Grau. Sein Gesicht war lang, Kinn und Kiefer kantig und scharf vorspringend, die Augen tief in den Höhlen liegend. In allen seinen Lebenstagen hatte er nur wenig Worte gemacht. So klein der Stamm war, so familiär und vertraulich das Dasein im Kokon gewesen war, Torlyri hatte nun das Gefühl, daß sie diesen Mann kaum kenne.

Eines Nachts träumte ihr, daß sie sich mit ihm kopulativ vereinte.

Das kam völlig überraschend für sie. Denn tatsächlich lag sie neben Koshmar auf dem Lager. Zufällig hatten sie am Abend getvinnert, zum erstenmal seit vielen Wochen. Ihre Seele hätte also von Koshmar ganz erfüllt sein müssen, während sie schlief. Statt dessen kam Lakkamai zu ihr, stand stumm über ihr und betrachtete sie eindringlich. Und sie hatte ihn zu sich gewinkt und ihn an ihre Seite niedergezogen — er schien neben sie zu schweben —, und Koshmar verschwand und es waren nur noch sie beide auf der Schlafmatte, und Lakkamai war in ihr, und sie fühlte eine plötzliche Hitze in ihrem Leib und wußte, daß er ihr ein Kind gemacht hatte.

Keuchend erwachte sie und saß dann bebend da.

„Was ist denn?“ fragte Koshmar sogleich. „Ein Traum, war es ein Traum?“

Torlyri schüttelte den Kopf. „Nur ein flüchtiges Frösteln“, sagte sie. „Ein Winterhauch, der mir übers Gesicht huschte.“

Noch nie zuvor hatte sie Koshmar belogen.

Aber es hatte sie auch nie zuvor nach einem Mann verlangt.

Als Torlyri am nächsten Tag Lakkamai vor dem Tempel begegnete, vermochte sie seinem Blick nicht standzuhalten, so mächtig war das Gefühl in ihr, daß sie in der verflossenen Nacht sich wahrhaftig mit ihm gepaart hatte. Und wenn dieser Traum dermaßen lebendig für sie gewesen war, dann mußte doch auch er ihn gefühlt haben. Ihr schien, er müsse bereits alles von ihr wissen, wie sich ihre Brüste unter seinen Händen anfühlten, wie ihr Mund schmeckte, wie ihr Atem roch; und trotz ihres Alters kam sich Torlyri plötzlich wie ein ganz junges Mädchen vor, und ein recht törichtes überdies.