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In der folgenden Nacht träumte sie er erneut von Lakkamai. Sie keuchte und stöhnte und zuckte in seinen Armen, und als sie erwachte, starrte Koshmar sie mit hellwachen Augen durch die Finsternis an, als fürchte sie, Torlyri sei dabei, den Verstand zu verlieren.

Und in der dritten Nacht kehrte der Traum erneut wieder, und er war sogar noch lebendiger. Sie vollzog Dinge mit Lakkamai, die sie andere niemals bei der Kopulation hatte tun sehen, von denen sie sich nie auch nur hätte vorstellen können, daß jemand auf sie verfallen könnte; und diese Dinge bereiteten ihr eine höchste und schärfste Lust.

Sie vermochte das nicht länger zu ertragen.

Am nächsten Morgen setzten die Regengüsse, die viele Wochen lang über der Stadt niedergeprasselt waren, endlich aus, und ein klarer blauer Winterhimmel brach wie ein Trompetenstoß durch die Wolkendecke. Torlyri vollzog das Sonnenaufgangsopfer wie gewohnt; und danach begab sie sich äußerst ruhig und gelassen zu dem Haus, in dem die invermählten Krieger lebten. An der Hausecke auf der Veranda hing ein Käfig mit drei kleinen scharfäugigen schwarzen Geschöpfen darinnen, die von den Kriegern gefangen worden waren und nun immer rund und rund im Kreis herumliefen und zornige grelle hohe Töne ausstießen. Torlyri schenkte ihnen ein trauriges mitleidvolles Lächeln.

Lakkamai stand vor dem Haus, als habe er sie erwartet. Schweigsam wie stets, scheinbar ganz gelassen, lehnte er an der Wand und schaute sie an, während sie auf ihn zukam. Die kühlen festen Augen hatten nichts mehr von dem heftigen fragenden Starren, mit dem er sie in jüngerer Zeit so oft angeblickt hatte. Aber ein Winkel seines Mundes bewegte sich mehrmals kurz und zuckend und verriet so seine innere Gespanntheit. Er schien sich dessen nicht bewußt zu sein.

„Komm“, sagte Torlyri leise. „Komm und spaziere mit mir. Die Regen haben nachgelassen.“

Lakkamai nickte. Seite an Seite machten sie sich auf, ließen jedoch dabei soviel Platz zwischen sich, daß der breite Harruel leicht zwischen ihnen hätte gehen können. An den Behausungen des Stammes vorbei schritten sie, vorbei am Tor zum sechseckigen Turm aus Purpurstein, der nun der Tempel war, vorüber an dem Garten mit Büschen und Blütenpflanzen, den Boldirinthe und Galihine und ein paar andere so eifrig pflegten, und vorbei an dem schimmernden Teich aus rosa Strahlung, der einst die Lust der Saphiräugigen gewesen war. Keiner sprach ein Wort. Sie blickten fest geradeaus. Torlyri hatte das Gefühl, aus dem Augenwinkel kurz Hresh zu sehen. Konya, Taniane, ja vielleicht sogar Koshmar, während sie so dahinschritten. Doch keiner rief sie an, und sie bewegte den Kopf nicht, um jemanden genauer zu erkennen.

Jenseits des Gartens der Frauen und des Lichterteichs der Saphiräugigen befand sich ein weiterer Garten, ein verwilderter, ungepflegter, wo über einem dichten Teppich von bläulichem Moos Schlingreben und krummästige Bäume und fremdartige prallbäuchige, schwarzblättrige Gesträuche in aberwitziger Üppigkeit wuchsen. Hierhin setzte Torlyri den Fuß, und Lakkamai ging neben ihr, doch nun etwas näher. Noch immer sagte keiner ein Wort. Sie gingen vielleicht zwei Dutzend Schritte weiter, bis sie an eine Stelle kamen, wo das Unterholz sich lichtete und fast eine Art Laubhütte bildete. Hier wandte sich Torlyri lächelnd Lakkamai zu; und er legte ihr die Hände auf die Schultern, wie um sie mit sich auf das Moos herabzuziehen, aber da war kein Ziehen nötig. Wie ein Leib sanken sie zu Boden.

Sie hätte nicht sagen können, ob er in sie eindrang oder ob sie sich hüllend um ihn schmiegte; jedenfalls preßten sie sich plötzlich dicht gegeneinander, und ihre Leiber vereinten sich. Das Moos unter ihnen gab ein leises Seufzen von sich. Es war sattgetränkt von den vielen Regentagen, und Torlyri stellte sich vor, daß durch ihrer beider Bewegungen das Wasser in die kleine flache Mulde gepreßt werde, in der sie lagen, so daß sich um sie herum allmählich ein kleiner Teich bildete. Ihr sollte es lieb sein. Mit Wonne wollte sie in diese weiche Wärme tauchen.

Lakkamai bewegte sich in ihr. Und sie klammerte sich an ihn und krallte sich in die kantigen Muskeln unter dem dicken Fell auf seinem Rücken.

Es war nicht ganz so wie in ihrem Traum. Aber es war auch ganz und gar nicht so, wie sie es von Samnibolon und Binigav und Moarn in Erinnerung hatte. Die Verschmelzung, die Vereinigung war bei weitem nicht so tief oder erfüllend wie beim Tvinnr — und wie hätte dies auch möglich sein sollen? —, doch war sie viel tiefer, als sie dies jemals von einer Kopulation vermutet hätte. Während sie Lakkamai fest umschlungen hielt, dachte Torlyri voll Verwunderung, daß dies hier weit über eine Kopulation hinausreichte: es war wohl wirklich so, wie ein Verschmelzen sein muß. Und in diesem Augenblick erstaunter Bewußtwerdung erhob sich eine schrille Stimme in ihrem Innern, die fragte: Was habe ich getan? Was wird Koshmar dazu sagen?

Torlyri ließ die Frage unbeantwortet, und sie wiederholte sich nicht. Sie verlor sich in der wundersamen Stille, welche die Seele Lakkamais war. Nach einiger Zeit machte sie sich von ihm frei, und dann lagen sie ein Stückchen auseinander, und nur ihre Fingerspitzen berührten sich.

Sie dachte daran, ihn mit der Spitze ihres Sensororgans zu streicheln, aber nein, nein, das wäre dem Tvinnr zu ähnlich gewesen. Nein, es wäre ein Tvinnr gewesen. Und ihr Tvinnr-Partner war Koshmar, nicht Lakkamai. Aber Lakkamai war ihr Kopulationspartner.

Torlyri wälzte diese Gedanken im Kopf herum. Wieder und wieder.

Lakkamai ist mein Kopulationspartner. Lakkamai ist mein Mann.

Sie war zweiunddreißig und seit einem Dutzend Jahren die Opferpriesterin des Stammes, und nun hatte sie plötzlich nach solch langer Zeit einen Mann und Kopulationspartner. Wie merkwürdig! Wie äußerst merkwürdig!

An einem kühlen klaren Wintertag, als der letzte Sturm seine Wut gen Osten ausgetobt hatte und der nächste noch nicht von der westlichen See herangefegt kam, machte Hresh sich erneut auf, um das häßliche abstoßende Gebäude, das er ‚die Zitadelle‘ getauft hatte, zu erforschen. Der Vorschlag stammte von Taniane, und sie begleitete ihn. Seit kurzem hatte sie es sich zur Gewohnheit gemacht und war auf viele seiner Exkursionen mitgegangen. Koshmar schien derzeit nichts dagegen zu haben, wenn er ohne einen Krieger zu seinem Schutz in den Ruinen umherstreifte. Und Hresh hatte Tanianes Beitritt zu der Gruppe der Sucher rasch schätzen gelernt. Zwar war immer noch etwas an ihr, das ihm Unbehagen bereitete und ihn verunsicherte, wenn er zu dicht in ihrer Nähe weilte, doch zugleich spürte er ein merkwürdig albernes Vergnügen, wenn er mit ihr allein die entfernteren Bezirke der Stadt durchstreifte. Hresh hatte eigentlich nicht zur Zitadelle zurückkehren wollen. Er meinte jetzt zu wissen, worum es sich da handelte, und er fürchtete sich vor der Bestätigung, daß seine Vermutung richtig sei. Das seltsame Bauwerk jedoch faszinierte Taniane, und sie bettelte und bohrte immer wieder, bis er ihr endlich nachgab. Und nachdem er einmal dazu entschlossen war, entschied er sich dafür, dem Geheimnis der Zitadelle auf den Grund zu kommen, und sei es mit Gewalt, was immer auch die Folgen davon sein würden. Sag ihr nichts, sondern laß sie selbst sehen. Sie soll ihre eigenen Schlußfolgerungen ziehen. Vielleicht, dachte er, ist die Zeit gekommen, ein Stück der schrecklichen Wahrheit mit jemandem zu teilen, die ich in mir verschließe. Und vielleicht war Taniane genau die richtige Person dafür.

Der Pfad zur Zitadelle war schwierig und bestand aus grauen Steinplatten, die von der Zeit und den Erdbeben in alle Richtungen verschoben waren und die während der Winterregen von einer dichten pelzigen Schicht glitschiger grüner Algen überwuchert waren. Zweimal rutschte Taniana aus und Hresh mußte sie abfangen, einmal am Oberarm, das andre Mal beim Schenkel und dem Kreuz; und jedesmal brannten ihm von der Berührung die Finger ganz seltsam. Und in den Lenden und in seinem Sensororgan rührte sich etwas. Er ertappte sich über dem Wunsch, sie möchte noch ein drittesmal ausrutschen, aber sie tat es leider nicht.