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„Niemand weiß, wo er ist“, sprach Kreun weiter. „Gestern früh war er noch da, und dann war er plötzlich verschwunden. Ich bin zu dem Ort gegangen, wo die Jungmänner sind, aber dort war er auch nicht. Salaman meinte, vielleicht ist er hier oben im Berg bei dir.“

Harruel zuckte die Achseln. Früher einmal hätte dies alles vielleicht eine Bedeutung gehabt. Jetzt aber hielt ein seltsamer Bann seinen Geist umklammert.

„Es ist so lange her, Thalippa.“

„Wie?“

„Komm zu mir! Komm näher, damit ich dich anschauen kann, Thalippa.“

„Ich bin Kreun. Thalippa ist meine Mutter.“

„Kreun?“ sagte er fragend, als habe er den Namen nie zuvor gehört. „Ach, ja. Kreun.“

Zwischen seinen Schenkeln fühlte er glühende Hitze und einen scheußlichen bohrenden Schmerz. Viele Tage in diesem Baum, und nun noch eine ganze Nacht lang war er im Regen dort gehockt. Hatte Wache gehalten für dieses Torenvolk, für dieses dumme, achtlose Volk. Hatte sie gegen einen Feind beschützt, an den sie nicht einmal glauben mochten. Und währenddessen verstrichen leer und nutzlos seine Lebenstage, wo doch die ganze Welt nur darauf wartete, daß er sie in seine Arme reiße.

„Ist was nicht in Ordnung mit dir, Harruel? Du siehst so seltsam aus.“

„Thalippa.“

„Nein, ich bin Kreun!“ Und nun begann sie vor ihm zurückzuweichen, und in ihrem Blick lag Furcht.

Sachkor tat ganz recht, dermaßen viel über das Mädchen zu schnattern. Kreun war sehr schön. Diese langen schlanken Beine, der üppige dunkle Pelz, die hellgrünen Augen, in denen nun Angst aufzuckte. Merkwürdig, daß ihm das nie aufgefallen war, wie hinreißend Kreun aussah; aber schließlich war sie ja jung, und man schenkte Mädchen keine Beachtung, bevor sie nicht das Tvinnr-Alter erlangt hatten. Sie war ein Wunder an Schönheit. Seine Minbain war herzlich gut und liebevoll, doch ihre Schönheit war ihr schon vor Jahren verlorengegangen. Kreun hingegen begann gerade zu ihrer höchsten Schönheit zu erblühen.

„So warte!“ rief Harruel.

Kreun blieb stehen, die Brauen unsicher zusammengezogen. Er torkelte den Pfad hinab auf sie zu. Als er dicht bei ihr war, zog sie scharf die Luft ein und versuchte davonzulaufen, doch er griff mit seinem Sensororgan zu und erwischte sie am Hals. Es ging ein Sirren von ihr aus, er fühlte es, und es verdoppelte seinen rasenden Wahnsinn. Ohne Schwierigkeiten holte er sie zu sich heran, packte sie an den Schultern und warf sie bäuchlings auf die nasse Erde.

„Nein! Nicht! Bitte.“, wimmerte sie.

Sie versuchte wegzukriechen, doch sie hatte gegen ihn keine Chance. Er stürzte sich auf sie und packte sie von hinten an den Armen. Die Hitze in seinen Lenden war inzwischen unerträglich geworden. Irgendwo tief in seiner Seele mahnte eine leise Stimme: Was du tust, ist unrecht, man darf keine Frau mit Gewalt gegen ihren Willen nehmen, und die Götter werden dich dafür zur Rechenschaft ziehen. Aber Harruel vermochte nicht gegen diese wilde Wut anzukämpfen, gegen die Raserei, gegen den Zwang, die ihn überwältigt hatten. Er preßte die Schenkel gegen das seidige fellweiche Hinterteil des Mädchens und stieß zu. Sie brach in einen gurgelnden Schmerzensschrei aus, in den sich Entsetzen mischte. „Es ist mein Recht“, keuchte er ihr immer und immer wieder entgegen, während er sein Glied tiefer und tiefer in sie hineinstieß. „Ich bin der König. Es ist mein Recht.“

10. Kapitel

Fluß und Abgrund

Koshmar sprach: „Also soll es Lakkamai für dich sein, ja?“ Es war der dritte Tag nach dem Ende der Regenzeit. Koshmar und Torlyri waren bei Einbruch der Nacht allein in dem Haus, das sie gemeinsam bewohnten. Es war nach dem Mahl, zu dem sich der ganze Stamm zur Feier des Mitwinterfestes des Ernährers versammelt hatte — alle, außer dem immer noch geheimnisvoll abwesenden Sachkor, nach dem inzwischen Tag um Tag Suchtrupps ausgeschickt wurden.

Torlyri, die sich bequem ausgestreckt hatte, setzte sich hastig auf. Noch nie hatte Koshmar einen derartigen Ausdruck auf ihrem Gesicht gesehen: Furcht und eine irgendwie schafsdümmliche Schuldbewußtheit, etwas, das kecker Herausforderung ziemlich nahe kam, alles vermischt und gleichzeitig.

„Du weißt es also?“

Koshmar lachte rauh. „Wer wüßte es nicht? Hältst du mich für ein Kind, Torlyri? Nachdem ihr zwei euch seit Wochen in jedem Winkel der Siedlung geradezu mit den Augen verschlungen habt — nachdem du mit jedem dritten Satz, den du anfängst, Lakkamais Namen sagst, während du früher ein ganzes Jahr und noch ein halbes dazu verstreichen lassen konntest, ohne je einen Anlaß zu finden, von ihm zu reden.“

Torlyri senkte beschämt den Blick. „Und — du bist zornig auf mich, Koshmar?“

„Hat sich das so angehört? Als wäre ich wütend darüber, daß du glücklich bist?“ Doch in Wirklichkeit war Koshmar viel tiefer beunruhigt, als sie selbst dies je für möglich gehalten hätte. Seit geraumer Zeit wußte sie nun schon, daß so etwas geschehen werde, und sie hatte sich selbst immer vorgeredet, daß sie dann stark sein würde, wenn es einmal eintraf. Doch jetzt, wo es so gekommen war, bedrückte es ihr Herz wie eine schwere Last. Nach einer Weile sagte sie: „Du hast bereits mit ihm kopuliert, nicht wahr?“

Torlyris „Ja“ war kaum vernehmbar.

„Früher einmal, als wir noch Mädchen waren, vor langer Zeit, hast du das getan. Mit Samnibolon, wenn ich mich recht erinnere. Minbains Samnibolon, stimmt’s?“

Torlyri nickte. „Ja, und noch ein, zwei anderen. Aber ich war damals noch sehr jung. Und es ist so unendlich lang her.“

„Und es bereitet dir Vergnügen?“

„Jetzt, ja“, sagte Torlyri leise. „Damals, früher, da empfand ich nichts dabei. Jetzt, sehr.“ „Großes Vergnügen?“

„Manchmal“, sagte Torlyri mit rauher, schuldbewußter Stimme.

„Das freut mich ungemein für dich.“ Koshmar klang schrill und gezwungen. „Du weißt ja, daß ich in der Kopulation nie etwas gefunden habe. Aber angeblich bringt es einem ja was, sagt man.“

„Vielleicht muß man es mit der richtigen Person tun.“

Koshmar schnaubte durch die Nase. „Für mich gibt es dafür keine richtige Person, und das weißt du genau! Wenn du ein Mann wärst, Torlyri, würde ich nur allzu gern mit dir kopulieren. glaube ich. Aber wir haben ja unser Tvinnr, du und ich. Das haben wir, und mir genügt es. Ein Stammeshäuptling braucht nicht zu kopulieren.“

Ebenso wenig wie die Opferpriesterin, fügte Koshmar stumm hinzu.

Sie wandte den Blick ab, damit Torlyri ihr nicht den Gedanken aus den Augen ablesen könne. Sie hatte geschworen, Torlyri in nichts zu behindern, wie schmerzlich dies auch für sie selbst werden mochte.

Torlyri sagte: „Da du gerade von Tvinnr sprachst.“

„Ja, sprich auch du mir von Tvinnr, Torlyri! Wann immer es dich danach gelüstet!“ Vor plötzlichem Eifer begann sie rascher zu atmen. Je stärker die Bindung Torlyris an Lakkamai wurde, desto heftiger verlangte es Koshmar nach Zeichen der Zuneigung zu ihr. „Willst du — jetzt? Jetzt gleich? Aber gern. Komm!“

Torlyri verzog überrascht und möglicherweise nicht gerade erfreut das Gesicht. „Wenn du es wünschst, sicher, Koshmar. Aber das war es eigentlich nicht, was ich habe sagen wollen.“

„Ach?“

„Ich wollte dir gerade sagen, daß es an der Zeit für Hreshs Tvinnr-Tag ist. Wenn ich ihn von seinen Maschinen und seinem Wunderstein lang genug weglocken kann, muß ich ihn jetzt bald wegführen, damit er eingeweiht werde.“

„Schon so weit“, sagte Koshmar kopfschüttelnd. „Hresh hat schon seinen Tvinnr-Tag?“

Es war eine der Aufgaben der Opferfrau, die jungen Leute im Stamm in die Geheimnisse des Tvinnr einzuführen, und Torlyri hatte das Ritual stets mit höchster liebevoller Behutsamkeit vollzogen. Koshmar hatte nie etwas gegen all diese Tvinnr-Akte mit anderen gehabt, obwohl diese ja viel stärker intim waren als eine Kopulation. Die Einweihung war Torlyris von den Göttern ihr auferlegte Pflicht. Wenn das alles irgendeinen Sinn haben sollte, dachte Koshmar, dann sollte ich mir mehr Sorgen darüber machen, daß sie mit Hresh tvinnern wird, als über ihre Kopulation mit Lakkamai. Und dennoch ist es genau umgekehrt. Die Tvinnr-Akte Torlyris mit dem Jungvolk stellten für Koshmar keine Bedrohung dar. Aber die Kopulation mit Lakkamai — die Kopulation — mit Lakkamai.