Выбрать главу

Gewiß wußte er, daß damit eine Gefahr verbunden war. Er konnte hineingezogen und fortgetragen werden — wohin? In eine andere Welt? Zur Heimstatt der Götter? Und natürlich war auch seine gänzliche Vernichtung möglich, denn mehr und mehr hatte sich in ihm der Verdacht bestärkt, daß die Saphiräugigen diese Gerätschaften dazu benutzten, ihrem Leben ein Ende zu setzen, wenn ihr Todestag für sie endlich gekommen war. Doch die Versuchung, einmal einen Blick in solch ein Ding zu werfen, war unwiderstehlich. Und außerdem, redete er sich vor, ist das Ganze ja bloß eine Vision. Wie sollte ihm ein Apparat, den es in seiner Realität überhaupt nicht gab, der mindestens siebenmal hunderttausend Jahre vor seiner Geburt zu existieren aufgehört hatte, irgendwie schaden können?

Ja, aber wenn da gar niemand wirklich lebt, meldete sich in seinem Innern eine Stimme, wie ist es dann möglich, daß diese ganzen großen Nüsse von dem Baum gepflückt und da so aufgestapelt werden?

Hresh wischte diesen Einwand beiseite. Er schaute ins Innere dieser Kapsel.

Im Kern befand sich etwas Seltsames: ein Bereich von äußerster Schwärze, also schon wirklich dermaßen schwarz, daß davon eine Art Lichtstrahlung ausging, die das Licht überstrahlte. Verwirrt starrte er darauf und wußte plötzlich, daß ihm Einblick nicht nur in eine andere Welt, sondern in ein völlig fremdes Universum gewährt werde, einen Bereich, ganz und gar jenseits der Machtsphäre der Götter. Zwar war dieser Schwärzebereich sehr klein — Hresh meinte, er könne ihn leicht in einer Hand einfangen —, aber es wohnte ihm eine große Energie inne. Sie haben kleine Bruchteile dieses fremden Universums eingefangen, überlegte er sich, und sie in diesen runden Metallbehältnissen gespeichert; und wenn sie aus dem Machtbereich der Götter fortzureisen gedenken, dann gehen sie zu einem von diesen Behältnissen, und die Schwärze dort schaufelt sie in sich hinein und transportiert sie davon.

Ruhig und unbeirrt wartete er, daß auch er fortgebracht werde. Er war völlig im Bann dieser Maschinerie. Mochte sie ihn also hintragen, wohin sie wollte.

Aber er gelangte nirgendwohin. Er starrte das Ding an, bis ihm die Augen weh taten; und dann tauchten zwei Gestalten aus dem Schatten auf — ein Saphiräugiger und ein Vegetalischer — und winkten ihm zu.

„Du, geh da weg!“ flüsterte der Vegetalische mit einer irgendwie raschelnden Stimme. „Da lauert Gefahr, du Kleiner.“

„Gefahr? Wo denn? Ich kann doch meine Hand einfach so reinstecken — und es passiert nichts.“

„Geh dennoch weg von dort!“

„Also, schön, ich geh hier weg, wenn du mir erklärst, worum es sich da handelt.“

Das Vegetalgeschöpf legte keusch seine Petalblätter zusammen; der Saphiräugige stieß sein zischelnd-höhnisches Kichern aus. Dann erläuterten sie ihm den Apparat, wobei sie beide gleichzeitig redeten, aber er begriff völlig, was sie zu ihm sagten, jedenfalls so lange, wie sie zu ihm sprachen. Und das verwirrte und verwunderte ihn über alle Maßen; aber es war wie alles übrige, was er während seiner Besuche in der Großen Welt aufnahm, es war ebenso substanzlos und unbefriedigend wie Traumspeise, und wenn da den Sprüchen vielleicht im ersten Augenblick, in dem sie gesprochen wurden, ein Sinn anhaftete, so entglitt er ihm doch sogleich wieder, so sehr er sich auch mühte, ihn festzuhalten.

Er trat von dem Podest herunter, und sie führten ihn zu einem Ort voller Lichter und Gesang. Aber alles, woran er sich hinterher zu erinnern vermochte, war eine von ihm getroffene Schlußfolgerung, nicht aber irgend etwas, das sie ihm erläutert hatten. Und das ging etwa dahin, daß mittels dieser Apparaturen die Bewohner der Großen Welt ihr Leben zu beenden pflegten, wenn sie erkannten, daß ihre Zeit zum Sterben gekommen war.

Aber wozu sollten sie sterben wollen? Er fragte sich das, und er fand darauf keine Antwort.

Und dann überlegte er: Die wußten doch, daß die Todessterne kommen würden, und trotzdem blieben sie da und warteten, bis sie kamen.

Aber — warum? Warum sollten sie so etwas tun?

Und auch darauf fand er keine Antwort.

In Hreshs Visionen gab es einen Ort, an dem vor dem Himmel die ganze Welt abgebildet war. An der Außenwand eines niederen zehnseitigen Gebäudes war eine flache Scheibe aus einem silbrighellen Metall schräg hängend angebracht; und wenn er auf einen Knopf daneben drückte, schoß aus dem Nirgendwo ein Speer von scharfer Helligkeit und traf auf diese Scheibe, und vor seinen Augen erwachte ein gewaltiger Weltglobus zu leuchtendem Leben. Er wußte sofort, daß es sich um die Welt handelte, denn er hatte Abbildungen davon in den Chroniken gesehen. Dort waren die Bilder flach, dies hier war gerundet, aber er wußte trotzdem, daß es die Welt war, denn es stand in den Chroniken, daß die Welt in Wirklichkeit so sei. Hresh hatte aber nie gedacht, daß es solch eine Menge Welt geben könnte. Er konnte ganz um die Kugelwelt herumwandern, und es gab etwas auf allen Seiten. Er sah vier gewaltige durch riesige Meere getrennte Landmassen. Weite ausgedehnte Städte zeigten sich ihm, überzogen von einem Spitzengewebe von Straßen, breit wie Flüsse aus Licht, und Seen und Ströme, und Berge und Ebenen. Und obwohl das alles nur Bilder in der Luft waren, konnte Hresh die brausende starke Brandung der großen Meere fühlen und die Last der Gebirge, und wenn er sich die Darstellung der Städte beschaute, entstand in ihm die Illusion, und er glaubte wirklich, winzige Gestalten in den winzigen Straßenschluchten umherwimmeln zu sehen.

Eine dieser Landmassen war riesenhaft groß und füllte beinahe das ganze Antlitz der Welt aus. Und wenn er auf die andere Seite des Globus ging, sah er dort zwei weitere Landflächen, eine über der anderen, und die vierte befand sich am unteren Rand der Welt und war ein eisiger Ort, von dem deutlich fühlbare Kälte ausging.

„Aber wo ist Vengiboneeza?“ fragte Hresh, und nahe der linken Kante der oberen Landmasse auf der Globushälfte mit zwei Landmassen blitzte ein scharfgrünes Licht auf.

„Und Thisthissima?“ fragte er. „Mikkomord? Tham?“

So rasch, wie er weitere Städtenamen aus der Großen Welt aussprechen konnte, blinkten sie als Lichter auf dem Globus auf, der sich zu drehen begann, um sie ihm zu zeigen. Dann aber war sein geringer Vorrat an Namen erschöpft, und er trug dem Ball auf, ihm gleichzeitig alle Städte zu zeigen. Dem Wunsch wurde sogleich Folge geleistet, und es blinkten dermaßen viele Lichtpunkte auf, und die Kugel drehte sich dermaßen rasch, daß er momentan geblendet zurückwich und vor Entsetzen die Hände über die Augen legte. Und als er danach wieder hinzuschauen wagte, war der Weltglobus verschwunden.

Er unternahm nie wieder einen Versuch, ihn zum zweitenmal heraufzubeschwören. Aber das Bild dieser runden Welt mit ihren weiten Meeren und den kolossalen Landmassen, die überall von den blendenden Lichtern ihrer Myriaden Städte übersät waren, würden ihm nie wieder aus der Erinnerung fallen. Und er begriff nun, wie groß die Große Welt wirklich gewesen war.

Ein anderes Ding, das ihm die Unermeßlichkeit der verloren gegangenen Welt vor Augen führte, war ein Konstrukt, von dem er annahm, es müsse der Baum des Lebens sein, von welchem Thaggoran zuweilen gesprochen hatte.

Es war eigentlich kein richtiger Baum, überhaupt nicht, sondern eher so etwas wie ein Tunnel oder eine Anordnung von Tunnels, denn die Struktur lag über viele hundert Schritt waagerecht auf einem offenen parkähnlichen Gelände gebreitet. Der Boden lag unter dem Geländeniveau, und darüber wölbten sich Bogendächer aus einem so vollkommen durchsichtigen Material, daß es schien, als wäre da überhaupt keine Bedachung. Im Zentrum lag eine große Hauptgalerie, von der kleinere Passagen abzweigten und von diesen wieder weitere, noch engere.