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„Hresh!“ rief Praheurt laut. „Komm mal her und schau dir an, was Konya und Haniman mitgebracht haben von.“

„Später“, sagte Hresh. „Taniane, ich möchte mit dir reden. Willst du?“

„Aber sicher.“ Sie blickte zu ihm auf. „Worum geht’s denn, Hresh?“

„Vielleicht — draußen?“

„Wieso, können wir nicht hier reden?“

„Bitte, nein. Draußen!“

„Also, wenn du darauf bestehst.“ Sie schaute verwundert drein und machte eine Handbewegung zu Praheurt und Konya, als wollte sie ihnen bedeuten, daß sie gleich zurückkehren wolle. Hresh geleitete sie ins Freie.

Der warme Windhauch war betäubend. Hresh war ganz benommen von der Schönheit des dichten Fells von Taniane und von dem gespenstischen Glanz und Schimmer ihrer seltsamen Augen. Sie standen schweigend da, während er nach Worten suchte, nach einem Anfang. Verstohlen spähte er umher, um sich zu vergewissern, daß kein Haniman irgendwo in der Nähe lauerte.

„Also die Sekunde Zeit hättest du dir schon nehmen und dir anschauen können, was wir heute gefunden haben“, sagte sie. „Wir sind uns zwar nicht sicher, was es ist, aber.“

„Ach, vergiß das jetzt mal“, sagte er mit gepreßter Stimme. „Taniane. ich habe heute mein Erst-Tvinnr gemacht.“

Sie sah überrascht, ja vielleicht sogar ein wenig beunruhigt drein, weil er damit so direkt herausplatzte. Ihr Blick war gesenkt, unter den Lidern verborgen. Aber dann verwandelte sich ihr Gesichtsausdruck. Es breitete sich ein nicht völlig unbefangenes Lächeln über ihre Züge, und sie sagte — mit vielleicht etwas zu betonter Begeisterung: „Oh, Hresh, wie wahnsinnig ich mich für dich freue! Es war ein sehr schönes Tvinnr, nicht wahr?“

Er nickte. Irgendwie lief die Sache nicht in die erwünschte Richtung. Also schwieg er weiter.

„Was wolltest du mir denn sagen, Hresh?“

Er holte tief Luft. „Ich will mit dir tvinnern, Taniane“, blubberte er hervor.

„Tvinnern — mit dir?“

„Ja. Gleich jetzt.“

Einen Entsetzensaugenblick lang glaubte Hresh, Taniane könne in schallendes Gelächter ausbrechen. Aber nein, nein, ihre Augen waren weit aufgerissen, die Lippen entblößten die Zähne, in ihrer Kehle zeigte sich eine seltsame Schluckbewegung.

Sie sieht aus, wie wenn sie Angst hätte, dachte er.

„Jetzt?“ sagte sie. „Gleich? Tvinnern?“

Und nun konnte er natürlich nicht mehr kneifen. „Ja. Komm mit! Wir können weit in die Stadt hineingehen. Ich kenn da einen guten Platz, ich zeige ihn dir.“

Er griff nach ihr, und sie wich vor ihm zurück.

„Nein — bitte, nicht, Hresh. Nicht — du machst mir angst.“

„Aber das will ich doch gar nicht. Komm, tvinnere mit mir, Taniane!“

Sie wirkte schockiert, oder vielleicht war sie auch beleidigt, oder nur ganz einfach verärgert, er hätte nicht sagen können, was genau mit ihr los war.

„So hab ich dich ja noch nie gesehen. Hast du den Verstand verloren? Ja, ganz bestimmt, das muß es sein. Du bist verrückt geworden.“

„Aber, ich habe doch bloß gesagt.“

Sie blitzte ihn wütend an. „Wenn du nicht verrückt bist, dann mußt du ja wohl glauben, daß ich es bin. Du kannst doch nicht einfach so auf jemand zukommen und ihn bitten, er soll mit dir tvinnern, Hresh! Weißt du das denn nicht? Und dieser wilde Blick in deinen Augen. Du solltest dich mal selber sehen!“ Taniane schauderte zusammen und machte mit den Händen eine abwehrende, nein mehr, eine ihn fortjagende Bewegung. „Geh weg von mir! Bitte. Bitte! Laß mich bitte in Ruhe, Hresh!“ Und nun war da auch ein Schluchzen in ihrer Stimme, und sie wich noch weiter von ihm zurück.

Und Hresh stand wie gelähmt da, war entsetzt und fühlte sich elend. Das bleierne Gefühl, alles falsch gemacht zu haben, bemächtigte sich seiner mehr und mehr. Er erkannte, wie überstürzt und vorschnell er gewesen war, wie plump, wie dümmlich. Und damit hatte er alles verspielt, an diesem einen Tag, der ein Tag gewaltiger Freude hätte sein sollen.

Was bin ich doch für ein Narr! dachte er.

Dort stand sie, zehn Schritt von ihm entfernt, stand ebenso erstarrt und bewegungslos und stierte ihn an, als hätte er sich plötzlich in eine Bestie der Wildnis verwandelt, in ein abscheuliches Untier mit geifernden Lefzen und flammenden Augen. Er sehnte sich danach, daß sie sich einfach umdrehen und davonlaufen möchte, daß sie ihn mit seiner Schmach und seiner Beschämung allein lassen möchte, doch sie blieb immer nur weiter dort wie festgewurzelt stehen und starrte ihn auf diese merkwürdige Weise an.

Und dann, während er gleichfalls starr dastand und am liebsten in Grund und Boden versunken wäre, ertönte von weither, vom Stadttor vielleicht, ein heiseres Geschrei und erlöste ihn zunächst einmal von weiteren Qualen.

„Die Behelmten! Die Helmleute kommen! Die Behelmten kommen!“

Koshmar lag im Halbschlummer in ihrer Bettkammer, als sich das Alarmgeschrei erhob. Es war ein schlechter, ein bedrückter Tag für sie gewesen, der schlimmste in einer ganzen Reihe von schlechten Tagen. Nicht einmal das Ende der Regen und der Übergang zu diesem klaren Trockenwetter hatte sie aus ihrer düster-dumpfigen Niedergedrücktheit emporheben können. Ihre Seele war geschwollen von einem Gedanken: Torlyri und Lakkamai, Lakkamai und Torlyri.

Dabei sollte sich doch deswegen gar nichts ändern müssen. Tausendmal hatte sie sich das vorgebetet. Torlyri würde immer und ewig ihre Tvinnr-Partnerin bleiben. Und Tvinnr war die einzig wahre, einzig echte Verschmelzung. Wenn Torlyri nun auf einmal ein Verlangen nach der Kopulation verspürte, oder sogar nach einer Zeugungspartnerschaft — obwohl, wer hätte je davon gehört, daß eine Opferpriesterin sich einen Mann genommen hätte? —, also, selbst dies sollte eigentlich nichts ändern. Torlyri würde trotz allem noch immer ihren Tvinnr-Partner nötig haben. Und dieser Partner, der würde sie sein. Koshmar!

Würde sie das wirklich sein?

Es war unter Zeugungspaaren üblich, daß der geschlechtliche Partner auch der Tvinnr-Partner sei. Im übrigen Stammesvolk kopulierte man (oder auch nicht), mit jedem, zu dem man Lust verspürte, aber daneben hatte man eben seinen ganz eigenen und persönlichen Tvinnr-Partner.

Doch dies war das Gesetz des Kokons gewesen. Und nun lebten sie im Neuen Frühling.

Mit all ihrer Seelenkraft hatte es Koshmar danach verlangt, die Frau zu sein, die den Stamm aus dem Kokon in den Neuen Frühling führen würde. Nun, dies hatte sie getan, und was hatte es ihr eingetragen? Nichts als Verwirrung, Zweifel und Elend? Da lag sie, am hellichten Nachmittag, in sich verkrochen und verzweifelt, auf ihrem Bett, während um die Türme von Vengiboneeza blitzende silberne Sonnenspeere tanzten. Und sie? Stunde um Stunde brütete und brütete sie. In diesem Augenblick jetzt schien ihr die Zukunft nur aus unlösbaren Rätseln und Verzweiflung zu bestehen. Nie hatte sie sich dermaßen hoffnungslos gefühlt.

Eine heisere Stimme vor ihrem Fenster krächzte: „Die Behelmten! Das Helmvolk! Die Behelmten kommen!“

Und fast ehe der Sinn des Gebrülls ihr bewußt werden konnte, war Koshmar von ihrem Bett aufgesprungen, und ihr Herz pochte heftig, ihr Fell sträubte sich stachlig, ihr Körper und ihr Geist waren in voller Kampfbereitschaft.

Eine wilde wütende Freude quoll in ihr auf. Versuchte ein feindlicher Stamm einzudringen? Na gut! Sollen sie nur kommen. Denen würde sie es schon besorgen. Ihr war das gerade recht. Es war besser, mit den Waffen gegen einen Feind zu kämpfen, als sich hier in aberwitzigen elendigen Grübeleien zu vergraben.

Sie wählte aus ihrem Maskenarsenal die Nialli-Maske, welche die wildeste und grimmigste von allen war. Nialli, so ging die Sage, war ein Häuptling gewesen, in deren Herzen sich der Mut von zehn Kriegern versammelt hatte. Die Maske war ein blitzendes schwarzgrünes Ding, halb so breit wie lang, und mit sechs scharfen blutroten Stacheln bestückt, die auf allen Seiten steil hervorragten. Das Ding lastete schrecklich schwer auf Koshmars Wangenknochen. Schmale Sehschlitze ermöglichten ihr eine gewisse Sicht.