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Sie warf sich eine gelbe Rangschärpe um die Schultern. Sie ergriff ihren Häuptlingsspeer. Und sie lief auf die Straßenkreuzung hinaus, die vor dem Tempelturm lag.

Wild und wie verrückt liefen die Leute vom Volk in sämtliche Richtungen.

„Haltet ein!“ brüllte Koshmar. „Allesamt — stillgestanden! Her zu mir! Hierher!“

Sie erwischte die junge Weiawala am Handgelenk, als diese an ihr vorbeirannte. Das Mädchen schien vor Entsetzen halb von Sinnen, und Koshmar mußte sie heftig rütteln und schütteln, ehe sie sich einigermaßen wieder unter Kontrolle bekam. Aus ihr brachte Koshmar schließlich bruchstückhaft heraus, was vorging. Eine Heerschar häßlicher Fremder, die auf furchtbaren tierischen Ungeheuern ritten, waren durch das Südtor in die Stadt eingezogen, drüben an jenem Ort, wo die Mechanischen der Saphiräugigen plaziert waren. Sie führten Sachkor als Gefangenen mit sich. Und sie strebten hierher, auf die Siedlung zu.

„Wo sind die Krieger?“ fragte Koshmar.

Konya, erklärte einer, war bereits zum Tor. Staip und Orbin waren zu ihm geeilt. Auch Hresh war bei ihnen, wahrscheinlich auch Praheurt. Lakkamai war angeblich im Anrücken. Keiner hatte Harruel gesehen. Koshmar sah Minbain in der Menge und schrie ihr zu: „Wo ist dein Mann?“ Aber Minbain wußte es nicht. Boldirinthe sagte, sie habe gesehen, wie Harruel, mürrisch und düster, wie so oft in jüngster Zeit, am frühen Morgen allein in die Berge aufgebrochen war.

Koshmar fauchte und spuckte. Die Feinde vor dem Tor, und ihr kräftigster und kundigster Krieger schlich sich in die Berge, um dort zu schmollen! Und dann noch eben jener, der ein solches Theater veranstaltet hatte, daß man Tag und Nacht Wache und Ausschau halten müsse gegen einen Angriff der Behelmten. und wo war er jetzt, wo die Behelmten wirklich kamen?

Nun was! Wenn nötig, sagte sie sich, kann ich auch ohne Harruel zurechtkommen.

Sie schwenkte ihren Speer über dem Haupt. „Die Frauen und Kinder — in den Tempel, und verbarrikadiert die Pforten des Allerheiligsten hinter euch! Die übrigen — mir nach! Salaman! Thhrouk! Moarn!“ Sie schaute sich verwundert um. Wieso war Torlyri nicht da? Sie konnte nur mit Mühe sehen unter der Nialli-Maske; die scharf vorspringenden Stachelstrahlen verhinderten die Sicht zu beiden Seiten fast ganz. Aber es war eine schreckeinflößende Maske. „Torlyri?“ fragte sie. „Hat jemand Torlyri gesehen?“ Denn Torlyri war im Kampf so viel wert wie irgendein Mann.

Dann erinnerte sie sich, daß Torlyri ja mit Hresh fortgegangen war, um ihm seine Erst-Tvinnr-Initiation zu erteilen. Ja, schön und gut, aber Hresh war ja angeblich drunten an der Pforte, um die Eindringlinge abzuwehren. Also, wo war Torlyri? Und wie kam Hresh dazu, sein unersetzliches Leben am Tor aufs Spiel zu setzen? Jedenfalls, sie durfte nicht noch mehr Zeit verlieren. Koshmar wandte sich zu Threyne, die mit vor Angst glasigen Augen dastand und ihr Kind an sich preßte, und scheuchte sie zornig zum Tempel. „Lauf schon! Versteck dich! Wenn du Torlyri dort triffst, sag ihr, sie kann mich am Südportal finden. Und sag ihr, sie soll ihren Speer mitbringen!“

Dann rannte Koshmar über den Großen Boulevard in Richtung auf den Platz am Tor zu.

Auf halber Strecke gewahrte sie ihre Krieger, die in Reih und Glied quer den Boulevard absperrten: Orbin, Konya, Staip, Lakkamai, Praheurt. Auch der alte Anijang war dabei — und Hresh. Sie blickten gen Süden und standen unbeweglich wie Statuen, völlig ohne Bewegung und dermaßen weit auseinander, daß sie als Verteidigungslinie praktisch nutzlos waren. Koshmar begriff nicht, warum sie sich dermaßen blöd aufgestellt hatten.

Als sie dann jedoch näher herankam, blieb auch sie plötzlich stehen und starrte verblüfft zum Südtor.

Ober den Boulevard kam langsam ein phantastischer Zug näher.

Die Behelmten waren wirklich erschienen: dreißig, vierzig, fünfzig, vielleicht mehr. Und sie ritten auf den erstaunlichsten Reittieren, die Koshmar jemals gesehen hatte oder sich hätte vorzustellen vermögen. Riesige ungeschlachte Bestien waren das. Kolossale Ungeheuer, groß wie wandelnde Berge, doppelt so hoch wie ein Mann oder höher, und dreimal so lang, wie sie hoch waren. Bei jedem ihrer Schritte wankte die Erde wie bei einem Beben. Der dicke, zottige, verfilzte Pelz dieser gewaltigen Tiere brannte scharlachrot schmerzlich in den Augen. Die hochschädeligen Köpfe waren lang und schmal, mit Ohren wie Schüsseln und höhlentiefen schwarzgesäumten Nüstern und feurig glühenden bestürzend großen Augen. Ihre vier mächtigen Beine, die im Knie merkwürdig gebogen waren, endeten in schrecklichen gekrümmten schwarzen Klauen, die nach hinten bis fast zur Höhe der wulstigen Knöchel hochgebogen waren. Auf ihrem Rücken ragten zwei turmhohe Höcker empor, mit einer Art natürlichem Sattel dazwischen, der auf jedem Tier zwei Behelmten bequemen Sitz bot.

Aber waren die Bestien schon schrecklich, auf denen die Behelmte Horde nach Vengiboneeza hereingeritten kam, so waren diese selber wie Gestalten aus einem Alptraum.

Alle hatten sie die gleichen karmesinroten Augen wie jener Späher, den Harruel und Konya vor langer Zeit gefangen hatten, und ein feines Goldfell. Und jeder von ihnen trug einen riesigen schauderlichen Helm, von denen nicht zwei einander glichen. Der eine war ein dreieckiger Turm aus Metallplatten mit dunklen vorragenden Bolzen ringsum und mit einem Goldflammenmuster vorn am Visier. Ein anderer Helm war wie eine gewölbte Schüssel aus Schwarzmetall mit zwei riesenhaften spiegelblanken Metallaugen am Oberrand. Ein anderer war eine kahle tiefgezogene Halbmaske, gekrönt von drei rechteckigen schildartigen Platten darüber. Ein Krieger trug ein Ding, das aussah wie ein lackierter, mit Silber bestäubter Berg; wieder ein anderer einen verbluffenden rotgelben Kegel mit gewaltigen Hörnern; ein weiterer eine scharfe Pickelhaube aus Gold, von der sich zwei grüne Ringelschwänze in unendliche Höhen wanden. Es war nichts Menschliches an diesen Helmen. Sie wirkten wie aus einer fremden Welt, einer dunklen Schreckens weit. Es war schwer zu unterscheiden, wo der Krieger endete und wo der Helm begann, und dies machte die Eindringlinge nur noch furchterregender und abstoßender.

Sachkor ritt in der Mitte des Trupps auf einem der größten der scharlachroten Bestien. Man hatte auch ihm einen Helm aufgesetzt, kleiner zwar als sämtliche anderen, doch genauso fremdartig, mit gebogenen Eisenplatten, die wie die Petale einer umgestülpten Blüte angeordnet waren und über denen ein goldener Stachel aufragte. Auf dem Buckel des mächtigen Geschöpfes sah seine schlanke Gestalt ziemlich verloren aus, und er hockte still dort, als träumte er. Sein Gesicht war ausdruckslos.

Dieser Stamm ist gewißlich ein Stamm von Ungeheuern, die auf Ungeheuern reiten, dachte Koshmar. Und sie sind durch das Tor hereingedrungen; und damit ist für uns alles verloren. Doch wir werden tapfer kämpfen und sterben, ehe wir ihnen Vengiboneeza preisgeben.

Sie blickte zu Konya, zu Staip, zu Orbin.

„Nun?“ rief sie. „Wollt ihr dastehen und nur Maulaffen feilhalten, während sie anrücken? Greift an! Tötet ihrer so viele, wie ihr könnt, bevor sie uns erschlagen!“

„Angreifen? Wie könnten wir angreifen?“ Konya sprach sehr ruhig, doch mit einem Ton, der weitum zu hören war. „So schau dir doch die Größe ihrer Reittiere an! Wir können niemals derart hoch hinaufreichen. Diese Monster würden uns einfach zerstampfen, als wären wir Ungeziefer.“

„Was soll der Unsinn? Stoßt einfach auf die Beine und Bäuche der Bestien zu und bringt sie zu Boden! Und dann erledigt die Reiter!“ Koshmar schwang ihren Speer. „Vorwärts! Sturmangriff!“