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Koshmar ihrerseits murmelte Hresh zu: „Was glaubst du, was da vorgeht?“

„Es ist wahre Rede“, antwortete Hresh. „Sachkor versteht sie, wenn auch nicht gut genug. Ich selbst kann sie auch beinahe verstehen. Die Worte sind wie bei uns, aber alles ist ein bißchen verdreht und auseinandergerissen. Mit dem Zweiten Gesicht kann ich die zugrundeliegende Bedeutung erfühlen — oder doch wenigstens den Schatten von Bedeutung.“

Koshmar nickte. Inzwischen war ihr Vertrauen in Hreshs Einblick in die Geschehnisse gewachsen, und es erschien ihr immer unwahrscheinlicher, daß die Behelmten in kriegerischer Absicht hergekommen sein könnten. Sogar ihre Helme verloren allmählich etwas von ihrer Schrecklichkeit, je mehr sie sich an sie gewöhnte. Sie waren dermaßen wuchtig und dermaßen deutlich und raffiniert auf Abschreckung hin gearbeitet, dachte Koshmar, daß sie in Wirklichkeit sogar eher komisch als sonstwie wirkten; obwohl — auf ihre lächerliche Art waren sie dennoch sehr beeindruckend. Doch ein Rest Argwohn hielt sich noch in ihrer Brust. Sie war in dieser Sache ganz hilflos, unfähig sich verständlich zu machen, ja selbst zu verstehen, und als Ratgeber und Richtschnur und für alles andere hatte sie diesen Jungen, der der Alte Mann ihres Stammes war, und diesen unreifen Jungmann Sachkor, ausgerechnet die zwei aus dem ganzen Stamm, und sie mußte sich auf sie verlassen. Das war peinlich. Alles in allem — sie fühlte sich zutiefst unbehaglich.

Noum om Beng wandte nun seine Aufmerksamkeit wieder Koshmar zu und begann mit Lauten zu reden, die ihr wie ein Gemisch von Geheul und Gebell tönten. Es fiel ihr nicht leicht, sich an die Art zu gewöhnen, wie diese Bengs sich auszudrücken beliebten, und mehrmals kostete es sie einige Mühe, nicht zu grinsen. Doch obschon sie überhaupt nichts verstand, erkannte sie doch, daß es sich um eine feierliche, floskelnreiche Rede handelte, um etwas Gewichtiges und Wichtiges.

Sie lauschte also angestrengt und schüttelte von Zeit zu Zeit zustimmend den Kopf. Da es anscheinend nicht zum Kampf kommen würde — jedenfalls nicht unmittelbar, gebührte es sich einfach, daß sie diese Fremdlinge mit staatsfraulicher Würde empfing.

„Kannst du irgendwas verstehen?“ flüsterte sie Sachkor nach einer Weile zu.

„Ein wenig. Er sagt, sie kommen in Frieden und suchen Tauschhandel und Freundschaft. Er bedeutet dir, daß Nakhaba sein Volk nach Vengiboneeza geführt hat, und daß sie eine Weissagung haben, daß sie hierher gelangen und hier Freunde finden würden.“

„Nakhaba?“

„Ihr Hauptgott“, sagte Sachkor.

„Aha“, brummte Koshmar. Noum om Beng fuhr in seinem feierlichen Gebell fort.

In ihrem Rücken vernahm Koshmar Schritte und Gemurmel. Weitere Stammesangehörige fanden sich ein. Sie blickte sich um und sah die meisten der Männer und sogar ein paar von den Frauen — Taniane, Sinistine, Boldirinthe und Minbain.

Auch Torlyri war eingetroffen. Das gab ihr ein gutes Gefühl, sie hier zu sehen. Sie wirkte ungewöhnlich angespannt und erschöpft; trotzdem, ihre bloße Nähe spendete Koshmar großen Trost. Sie trat neben Koshmar und berührte sie sacht am Arm.

„Man hat mir gesagt, Feinde sind in die Stadt gedrungen. Wird es zum Kampf kommen?“

„Es sieht nicht so aus. Anscheinend sind das keine Feinde.“ Koshmar zeigte auf Noum om Beng. „Der da ist ihr Alter Mann. Er hält uns gerade eine Ansprache. Ich fürchte, er findet kein Ende damit.“

„Und was ist mit Sachkor? Geht’s ihm gut?“

„Er hat sie entdeckt. Ist allein losgezogen und hat sie aufgespürt und sie nach Vengiboneeza geführt.“ Koshmar legte einen Finger auf die Lippen. „Aber ich soll eigentlich zuhören.“

„Um Vergebung“, flüsterte Torlyri.

Noum om Beng sprach noch eine kleine Weile weiter, dann kam er zum Ende seiner Rede und brach praktisch mitten in einem Heulen ab und trat wieder neben Hamok Trei zurück. Koshmar blickte Sachkor fragend an.

„Worum ging es bei dem Ganzen?“

„Um die Wahrheit zu sagen, ich hab nicht sehr viel davon mitbekommen“, sagte Sachkor mit entwaffnendem Lächeln. „Aber der Teil ganz zum Schluß war ganz klar. Er lädt uns alle heute abend zu einem Fest ein. Sein Volk spendiert das Fleisch und den Wein. Sie halten mit großen Fleischtierherden dicht vor der Stadt. Wir sollen ihnen einen Platz anweisen, wo sie ihr Lager aufschlagen können, und wir sollen ihnen etwas Holz für ihr Feuer geben. Den Rest erledigen sie.“

„Und du glaubst, ich sollte ihnen trauen?“

„Das glaube ich.“

„Und du, Hresh?“

„Sie sind bereits in der Stadt, und sie sind mindestens so viele wie wir, und ich vermute, diese roten Zotteltiere da könnten sich in einem Kampf als scheußlich erweisen. Da sie behaupten uns freundlich gesonnen zu sein, und sich ja auch tatsächlich so aufzuführen scheinen, sollten wir ihr Freundschaftsangebot zunächst einmal als ehrlich gemeint annehmen, bis wir einen Grund haben, unsere Ansicht zu ändern.“

Koshmar lächelte. „Schlaukopf Hresh!“ Und zu Sachkor sprach sie: „Was ist mit dem Behelmten, der im vergangenen Jahr hier war? Fragen sie nicht, was mit dem geschehen ist?“

„Sie wissen, daß er tot ist.“

„Auch, daß er von unsrer Hand starb?“

Sachkor wirkte jetzt ein wenig nervös. Er sagte: „Da bin ich mir nicht ganz klar darüber. Ich glaube, sie nehmen an, er ist eines natürlichen Todes gestorben.“

„Wollen wir’s hoffen“, sagte Koshmar.

„Jedenfalls haben nicht wir ihn getötet“, sagte Hresh. „Er hat sich selbst getötet, während wir ihm ein paar Fragen zu stellen versuchten. Wenn wir einmal ihre Sprache besser beherrschen, werden wir ihnen das alles erklären können. Und bis dahin ist es, glaube ich, die beste Taktik.“

Ein seltsamer Ausdruck trat in Hreshs Augen, und er verstummte.

„Was ist dir?“ fragte Koshmar. „Wieso hörst du so einfach auf zu sprechen? Rede weiter, Hresh, rede!“

„Sieh dorthin“, sagte Hresh leise. „Da kommt nun wirklich echter Ärger.“

Er wies nach Osten und hinauf zu den Berghängen direkt über ihnen.

Harruel kam unheildrohend und gewaltig den Bergpfad herab.

* * *

Also war der von ihm so lang befürchtete Einmarsch der Feinde eingetreten, und niemand hatte sich die Mühe gemacht, Harruel zu Hilfe zu rufen! Und Koshmar hatte ihnen einfach die Stadt geöffnet und sie verschenkt!

Der Gestank des Übels war in Harruels Nüstern gedrungen, als er einsam und mürrisch brütend in seiner Astgabelung auf dem Sägezackenkamm hockte, wo sein Wachtpostenstand und Ausguck war. Dunkle Unheilsgespenster waberten in seiner Seele, und seine Augen waren vor Wut wie geblendet. Er starrte in das dichte Unterholz des über ihm drohend aufragenden Berges und sah nichts, gar nichts. Doch dann war dieser Gestank zu ihm gedrungen, dieser abscheuliche Gestank von Verderbnis und Fäulnis; und er schaute wieder hin und sah zottelige rote Ungeheuer durch das Südtor in seine Stadt stampfen, und auf ihrem Rücken ritten jeweils zwei Behelmte.

Wer hätte damit rechnen können, daß der Angriff von Süden her erfolgen werde? Und wer hätte sich träumen lassen können, daß die drei mechanischen Wächter, die die Saphiräugigen am Säulentor aufgestellt hatten, einfach beiseite treten und diese Kreaturen einziehen lassen würden?

Es ist ihr Kot, den ich rieche, dachte Harruel. Der abscheuliche Geruch ihres Dungs, den mir der Wind heranweht.

Er raste den Berghang hinab, den Speer im Anschlag, das Herz voll heftiger Kampfeslust.

Der Pfad lief in vielen Kehren hinunter und hinab, und bei jeder Wendung bekam er bessere Sicht auf die Ereignisse drunten. Eine ganze Heerschar der Fremdlinge war eingedrungen: Er sah die Helme in der Nachmittagssonne blitzen. Und wie es aussah, war fast der ganze Stamm ihnen entgegengezogen. Da war Koshmar, da war Torlyri, da war auch Hresh. Und auch die meisten der anderen standen in kleinen Gruppen beisammen. Koshmar trug eine ihrer Kampfmasken, aber es gab gar keinen Kampf. Sie redeten.