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Redeten!

Ah, da schau an, dort standen zwei Behelmte, vielleicht Häuptlinge, bei Koshmar und Hresh. Waffenstillstandsverhandlungen mit dem Feind, und der Feind hatte seine Kampftiere innerhalb der Mauern! Wollte Koshmar etwa die Stadt ohne einen einzigen Streich preisgeben? Ja, so mußte es sein, sagte sich Harruel. Koshmar verschenkt die Stadt. Sie unternimmt keinen Versuch, die Aggressoren hinauszuwerfen, nein, sie überantwortet uns einfach in die Sklaverei.

Das hätte er denn doch nicht von ihr erwartet. Koshmar war doch aus dem Stoff, aus dem man Krieger macht! Wieso also diese Feigheit? Diese glatte Unterwerfung? Sie steht ganz bestimmt unter dem Einfluß dieses Hresh, entschied Harruel. Der ist kein Kämpfer, dieser Junge. Und er ist dermaßen schlau, daß er sogar Koshmar um seinen kleinen Finger wickeln kann.

Mit mächtigen Schritten nahm Harruel die letzten paar Kehren des Weges und stieg auf den großen Torboulevard nieder. Nun hatten sie ihn alle gesehen; und sie überlegten und brabbelten. Geschwind stieß er in ihre Mitte vor.

„Was geschieht hier?“ fragte er. „Was treibt ihr denn da alle? Wie konnte der Feind in die Stadt gelangen?“

„Es gibt hier keinen Feind“, sagte Koshmar gelassen.

„Keinen Feind? Keinen Feind?“ Harruel funkelte die ihm zunächst stehenden Behelmten an, die zwei Alten hinter Koshmar. Ihre harten kleinen roten Augen waren trüb und unruhig. Der eine davon sah aus wie ein König — kalt, erhaben. Der zweite war sehr hochgewachsen — Götter, war der Mann groß! Harruel wurde bewußt, daß er zum erstenmal in seinem Leben einem Menschen gegenüberstand, der größer war als er selbst. Aber der ausgedörrte zerknitterte alte Leib des Behelmten war so leicht und spillerig wie der eines Wasserläufers. Ein deftiger Windhauch, und er würde in zwei Stücke zerbrechen. Harruel verspürte eine Versuchung, die beiden mit zwei raschen Speerstößen niederzustechen, zunächst den Stolzen, dann den Gebrechlichen. Aber die Stimme in seinem Innern, die ihn vor übereiltem Tun zurückhielt (oder es doch versuchte), sprach zu ihm und warnte ihn, was er beabsichtige, sei Wahnsinn, und er dürfe nichts unternehmen, ohne die Lage genauer zu überschauen.

Er näherte sein Gesicht dem der zwei hageren alten Behelmten, die ihn ihrerseits mit einer Mischung von Hochmut und Neugier musterten.

„Wer seid ihr zwei?“ röhrte Harruel. „Was habt ihr hier zu suchen?“

Koshmar sagte: „Tritt zurück, Harruel! Es besteht kein Anlaß für solch ein Getöse.“

„Ich verlange zu wissen.“

„Verlange nichts von mir“, sagte Koshmar. „Ich befehle hier, und du hast zu gehorchen! Mach Platz, Harruel! Diese Leute sind das Beng-Volk, und sie kommen in Frieden.“

„Das ist es, was du glaubst“, sagte Harruel.

Immer noch hielt ihm rasender Zorn gepackt, der ihn beinahe überwältigt hätte. Seine Haut fühlte sich glühend heiß an; es tobte in seinen Augäpfeln, sein Fell klebte von Schweiß. Er konnte das Eindringen von Fremden nicht dulden! Beklommen blickte er die in der Nähe Stehenden an: Hresh und Torlyri und Sachkor.

Sachkor?

Was hatte Sachkor hier zu suchen? Der war doch vor einer halben Ewigkeit verschwunden.

„Du“, knurrte Harruel. „Wo kommst du denn auf einmal her? Und wieso stehst du hier mitten in einer Versammlung von Führern, als wärest du jetzt auch eine wichtige Persönlichkeit?“

„Ich habe die Behelmten hergeführt“, erklärte Sachkor hochnäsig. In seinen Augen blitzte ein vollkommen neues anmaßendes Funkeln. Er wirkte wie verwandelt, wie ein neuer Mensch und war ganz und gar nicht mehr der, an den Harruel sich erinnerte. „Ich bin ausgezogen, sie zu suchen, und ich habe bei ihnen gelebt und gelernt, in ihrer Zunge zu reden. Und ich führte sie nach Vengiboneeza, damit sie mit uns Handel treiben und friedlich mit uns leben können.“

Harruel war dermaßen verblüfft über das, was Sachkor da soeben gesagt hatte, und vor allem darüber, wie er es gesagt hatte, daß ihm die Antwort wie ein Kloß im Halse steckenblieb. Es verlangte ihn danach, Sachkors grinsendes Gesicht mit seinen beiden Händen zu packen und es wie eine reife Frucht zu zerquetschen. Aber er hielt sich im Zaum. Er stand wie erstarrt da. Er gab einen Augenblick lang ein rauhes Keuchen von sich wie ein Tier, dann gelang es ihm schließlich zu sprechen: „Du hast diese da hergeführt? Du hast unseren Feinden geholfen, in die Stadt zu gelangen? Daß du ein Narr bist, das wußte ich, Junge, aber ich hätte niemals geglaubt, daß du so.“

„Sachkor!“ rief eine andere Stimme laut, die Stimme einer Frau.

Kreuns Stimme.

Sie kam die Straße herausgerannt, atemlos, ab und zu stolperte sie über brüchige Stellen der uralten Pflasterung. Allgemeine Unruhe kam auf. Die vom Stamm öffneten ihr eine Gasse, und sie rannte direkt auf Sachkor zu und stürzte sich mit solcher Kraft in seine Arme, daß sie beide fast gegen Harruel geprallt wären.

Harruel trat finsteren Blicks ein, zwei Schritt zurück. Kreuns süßer Moschusduft drang scharf in seine Lungen. Seit jener Begegnung beim Abstieg vom Berg, nach der Regennacht im Baum, hatte er sie kaum zu Gesicht bekommen, und es war ihm gar nicht angenehm, sie jetzt wiederzutreffen. Das Kindweib würde bloß Ärger bedeuten. Während all der langen Wochen, in denen Sachkor verschwunden war, hatte sie wie eine zerbrochene Puppe in den dunkelsten Winkeln der Siedlung gekauert, sich von allen ferngehalten und kaum je mit den anderen gesprochen, ganz als habe Harruel eine düstere Verwandlung in ihrer Seele bewirkt, an jenem Tag, da er sie mit Gewalt genommen hatte.

Nun aber hatte sie nur Augen für Sachkor. Sie klammerte sich eng an ihn, sie schluchzte, sie lachte, flüsterte ihm zärtliche Worte zu. Die beiden führten sich auf wie lang von einander getrennte Liebespartner, und nicht wie zwei normale junge Leute, die spielerisch ein bißchen miteinander kopuliert hatten.

„Sie haben mich dazu zu bringen versucht, daß ich glaube, du bist für immer fort“, murmelte Kreun, indem sie das Gesicht fest an Sachkors schmale Brust preßte. „Sie haben gesagt, du bist irgendwie einfach aus der Stadt verschwunden, oder im Berg abgestürzt, und du würdest nie, nie wiederkommen. Aber ich hab es gewußt, daß du zurückkommst, Sachkor! Und jetzt bist du zurückgekommen!“

„Kreun — ach, Kreun, wie hast du mir gefehlt!“

Sie schaute ihn mit weit aufgerissenen Augen an, ganz hingebungsvolle Anbetung. Harruel, der dies mitansehen mußte, fand es ekelhaft und albern. „Ist es wahr, daß du die Behelmten gefunden und hierher geführt hast, Sachkor?“ fragte sie.

„Ja, ich hab sie gefunden. Ich hab auch mit ihnen reden gelernt. Und ich hab sie geführt und.“

„Das alles ist ja sehr rührend“, mischte Harruel sich ein. „Aber im Augenblick müssen wir uns um wichtige Stammesangelegenheiten kümmern. Also verzieh dich, Mädchen. Dieses ganze Gebabbel kostet uns nur Zeit.“

„Du!“ schrie Kreun und wirbelte herum, ohne dabei aber Sachkor loszulassen.

„Was ist denn?“ fragte Sachkor, als das Mädchen bebend zu weinen begann. „Was bekümmert dich denn so, Kreun?“

„Harruel. Harruel.“, schluchzte sie.

„Was ist mit Harruel?“

Sie schauderte zusammen. Ihre Zähne schnatterten, und ihre Worte kamen verquollen und undeutlich von ihren Lippen. „Er. er. Harruel. droben auf dem Bergpfad. er hat. er hat mich.“

„Das Mädchen hat den Verstand verloren“, rief Harruel ärgerlich und versuchte Kreun fortzuscheuchen.

Nun trat Koshmar näher, und auch Torlyri, und beide sahen beunruhigt aus. Harruel verspürte Zorn, und dahinter eine tiefe schneidende Scham. Das Ganze entwickelte sich zu einer Katastrophe. Wider sein Wollen tauchte in seiner Seele das Bild Kreuns auf, wie sie damals mit dem Gesicht auf der regenfeuchten Erde gelegen hatte, den Hintern nach oben, sein Glied tief in ihrem Leib, wie sie sich aufgeilend in seinem Griff gewunden, wie ihr Sensororgan wild umhergepeitscht hatte.