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Krieger nehmen Frauen nicht mit Gewalt, sagte Harruel zu sich. Ein Krieger sollte es nicht nötig haben, einer Frau Gewalt anzutun.

Ich werde alles abstreiten, dachte er.

Es war nicht ich, der so etwas getan hat, es war irgendein Dämon in mir, der es tat.

„Was ist das alles? Worum geht es?“ fragte Koshmar in wütendem Zorn.

„Ja, Kind, sag es uns“, sprach Torlyri auf ihre sanftere Art. „Was willst du uns sagen? Was hat Harruel da getan, dort auf dem Bergpfad?“

„Mich niedergeworfen“, sagte Kreun fast flüsternd. „Auf die Erde geworfen. Und sich auf mich gestürzt und mich.“ „Nein!“ brüllte Harruel. „Lügen! Nichts als Lügen!“

Alle starrten ihn nun an, sogar die Behelmten.

„Hat mich festgehalten“, flüsterte Kreun, „Mich mit Gewalt genommen.“

Sie wandte sich schaudernd ab und verdeckte das Gesicht mit den Armen.

Sachkor sprang vor, funkelte Harruel von unten an, packte ihn grob am Arm, bestand darauf zu erfahren, was an jenem Tag zwischen ihm und Kreun geschehen sei. Für Harruel war er wie ein ärgerliches kleines kläffendes Tier oder vielleicht auch wie ein summendes Dschungelinsekt. Harruel schlug ihn ganz beiläufig und mühelos beiseite, wie man es mit einem ärgerlichen Insekt so macht. Sachkor landete heftig flach auf der Erde und lag einen Augenblick lang benommen im Staub. Dann setzte er sich auf, war wie betäubt, schien aber Kraft für einen neuen Angriff zu sammeln. Harruel schüttelte drohend den Speer gegen ihn, als Warnung, daß Sachkor ihn nicht weiter ärgern solle.

„Schluß mit dem Zwist!“ schrie Koshmar. „Senk deinen Speer, Harruel!“

„Das werde ich nicht. Sieh doch, er schickt sich an, erneut loszuspringen!“

Und wirklich hatte Sachkor sich halb aufgerichtet und kniete nun blinzelnd und in sich hineinmurmelnd da. Harruel nahm Kampfhaltung an und machte sich auf den Ansprang bereit.

Koshmar sagte zornig: „Halte dich im Zaum, Sachkor! Und du, Harruel, runter mit dem Speer, oder ich lasse ihn dir wegnehmen!“

Sachkor blieb entschlossen zum Kampf. Kauernd sagte er: „Also, was ist die Wahrheit, Harruel? Hast du Kreun wirklich Gewalt angetan?“

„Ich hab ihr überhaupt nichts getan.“

„Er lügt!“ rief Kreun.

Ergrimmt sagte Koshmar: „Genug davon! Wir haben Gäste bei uns. Diese Angelegenheit fordert einen Richtspruch, aber zu einer anderen Zeit. Kreun, zurück in die Siedlung! Orbin, Konya bringt Harruel weg, bis er sich beruhigt hat. Wir werden heute abend diese Sache untersuchen.“

„Ich will die Wahrheit darüber wissen“, sagte Sachkor, „und zwar will ich sie jetzt wissen!“

Harruel glotzte erstaunt, denn er spürte plötzlich die Kraft von Sachkors Zweitem Gesicht auf sich gerichtet. Das war ganz überraschend, es war verboten, das durfte nicht sein, dieses schmachvolle Sondieren in seiner Seele. Harruel kam sich nackt und wie gehäutet vor, entblößt bis auf die Muskeln und die Knochen. Verzweifelt mühte er sich, Schutzschilde vor den Zugang zu seinem Gehirn zu errichten, um Sachkor fernzuhalten, und quälte sich jede Erinnerung an jenes Erlebnis mit Kreun zu verbergen. Doch er vermochte gar nichts zu verdecken. Je stärker er sich mühte, es zu verstecken, desto heftiger loderte alles wieder in ihm auf: Kreuns fester Leib, zuckend und sich windend unter ihm, das Gefühl ihres glatten Hinterteils an seinen Schenkeln, die plötzliche heiße Lust des Zustoßens, die pulsierende Wonne, als er sein Mannesfeuer in sie ergoß.

Sachkor brüllte laut auf, erhob sich und sprang mit einem wilden Wahnsinssatz Harruel an.

Koshmar schrie und versuchte zwischen die beiden zu treten, aber sie kam zu spät. Harruel, noch schaudernd unter dem Schock, den ihm das Eindringen Sachkors in seine Seele versetzt hatte, reagierte instinktiv und streckte den Speer vor, so daß Sachkor direkt auf ihn prallte.

Alle brüllten gleichzeitig. Dann folgte eine schreckliche äußerste Stille. Sachkor schaute auf den Speerholm, der aus seiner Brust ragte, als verwirre es ihn, daß er dort stecke. Er gab ein leises rasselndes Geräusch von sich. Harruel ließ die Waffe los, gab ihr aber dabei einen leichten Stoß. Taumelnd blickte Sachkor umher, immer noch Erstaunen im Blick, dann sank er seitwärts zu Boden. Kreun schoß herzu und sank wie ein geworfener Mantel neben ihm nieder. Torlyri kniete sich zu ihr und versuchte sie von Sachkor fortzuziehen, doch sie wollte nicht von ihm weichen.

Die Helmleute, sichtlich erstaunt über die Ereignisse, tauschten leise Bemerkungen in ihrer merkwürdigen Bellsprache und begannen sich hinter ihre riesigen Tiere in Sicherheit zu bringen.

Koshmar trat zu Sachkor, befühlte ihm die Wangen und die Brust, legte Hand an den Speer und versuchte ihn zu bewegen, dann blickte sie ihm lange in die unbeweglichen starren Augen. Dann erhob sie sich.

„Er ist tot“, sagte sie verwundert. „Harruel, was hast du getan!“

Ja, dachte Harruel. Was hab ich getan?

Für Hresh war dieser Tag wie ein nichtendenwollender Traum; einer von jener Gattung der Träume, aus denen man erschöpft aufwacht, als hätte man überhaupt nicht geschlafen. Ein Traum, der mit der Reise in die Große Welt begann, danach sein Ersttvinnr, und dann seine dumme tollpatschige Pleite bei Taniane und der Einzug des Volks der Behelmten in Vengiboneeza, auf ihren erstaunlichen roten Riesentieren, und die Heimkehr von Sachkor, und nun dies. und nun dies.

Nein. Nein. Nein. Das war alles zu viel, das war viel zu viel!

Sachkor lag auf der Seite und bewegte sich nicht mehr, und Harruels Speer hatte ihn ganz durchbohrt. Und Harruel stand über ihm, mit gefalteten Armen, gewaltig, maßlos, mit eisigem Gesicht. Torlyri hielt die schluchzende Kreun in den Armen. Die Behelmten hatten sich fünfzig Schritt weit in Richtung Torweg zurückgezogen und starrten von dort herüber, als begönnen sie zu glauben, daß sie mitten in das Lager von Rattenwölfen marschiert seien.

Koshmar sagte: „So etwas ist noch nicht zuvor geschehen, nicht wahr, Hresh? Daß einer vom Stamm einem anderen das Leben raubt?“

Hresh schüttelte den Kopf. „Niemals. Ich habe nirgendwo in den Chroniken von so etwas gelesen. Nie. Nirgends.“

„Was hast du getan, Harruel?“ sagte Koshmar noch einmal. „Du hast Sachkor getötet, der einer von uns war. Der ein Stück deiner selbst war.“

„Er ist mir in den Speer gesprungen“, sagte Harruel dumpf und wie betäubt. „Du hast es gesehen. Ihr alle habt es gesehen. Er brüllte wie ein Irrsinniger und raste auf mich los. Ich habe den Speer ganz gewohnheitsmäßig hochgenommen. Ich bin ein Krieger. Wenn ich angegriffen werde, verteidige ich mich. Er ist direkt in den Speer gelaufen. Du hast es gesehen, Koshmar.“

„Aber du hast ihn dazu veranlaßt“, sagte Koshmar. „Kreun sagt, du hast ihr Gewalt angetan, an jenem Tag, als Sachkor verschwand. Sie wollten heiraten. Es ist wider die Sitte, einer Frau Gewalt anzutun. Dies wirst du doch gewiß nicht bestreiten.“

Harruel schwieg. Hresh fühlte die Wellen heranbranden: Verärgerung, Verwirrung, Furcht und Trotz gingen von Harruel aus. Fast erbärmlich wirkt er, dachte Hresh. Doch trotzdem gefährlich.

Er kann Sachkors Tod nicht gewollt haben, entschied Hresh. Aber dennoch, Sachkor war tot.

„So etwas muß seine Strafe finden“, sagte Koshmar.

„Er ist ganz allein in den Speer gerannt“, wiederholte Harruel hartnäckig. „Ich hab mich nur verteidigt.“

„Und die Vergewaltigung Kreuns?“ fragte Koshmar.

„Auch dies streitet er ab“, schrie Kreun. „Aber er lügt! Er lügt genauso, wie wenn er behauptet, er hat Sachkor nicht töten wollen. Er hat ihn gehaßt. Immer schon. Sachkor hat es mir gesagt, ehe er fortging, und er hat mir noch viele andere Dinge über Harruel gesagt. Er hat gesagt, Harruel will Koshmar entmachten. Harruel will über den Stamm herrschen. Harruel sagt, er wird König sein, und das ist so etwas wie ein männlicher Häuptling. Harruel.“